Prolog
Freitag, den 7. August
12.15 Uhr
Uta
„Probier mal, Uta. Mein erstes Bananenbrot. Nach deinem Rezept gebacken.“
Valeria schnitt ihr ein Stück von dem goldgelben Kuchen ab. Er roch gut, nach Vanille. Uta nahm einen Bissen. Er schmeckte süß und saftig.
„Köstlich. Ist dir gut gelungen, Valeria.“
„Findest du?“ Utas Gastgeberin freute sich offensichtlich über das Kompliment. „Am liebsten würde ich auch Mateo ein, zwei Stücke als Kostprobe geben. Er liebt Kuchen und Gebäck.“
„In Ordnung“, sagte Uta. „Wenn du willst, kann ich dem Professor eben etwas von deinem Bananenbrot vorbeibringen. Ich wollte sowieso ein wenig in der Gegend spazieren gehen.“
„Eine Wanderung?“
„Nein, nein, nur ein bisschen die Füße vertreten.“
„Also, wenn das für dich wirklich kein Umweg ist …“
Etwas später legte Uta das Bananenbrotpaket vorsichtig in ihre Umhängetasche, verabschiedete sich von Valeria und schlenderte den Weg hinter dem Haus bis zur übernächsten Kreuzung entlang. Dieser Teil von El Silencio war schon weitgehend in Schuss. Die Dorfbewohner hatten gute Arbeit geleistet und die alten Bauernhäuser nicht nur renoviert, sondern auch mit neuen Wasserzugängen und Solardächern aufgewertet. Kein Vergleich zu dem völlig verwahrlosten und zugewachsenen Olivenhain auf der anderen Seite der Dorfstraße.
Die Nachmittagshitze klebte über El Silencio, und außer Uta befand sich kaum jemand auf den staubigen Wegen. Sie bemerkte, wie sich ihr der Schweiß auf der Stirn sammelte. Und durstig war sie. Sie blieb kurz stehen, um zu verschnaufen. Sie würde Mateo gleich als Erstes um ein Glas Wasser bitten. Kurz bevor sie sein Haus erreichte, ging es noch einmal steiler bergauf, als sie das in Erinnerung hatte. Sie schaute zum Arbeitszimmer des Professors hoch. Hoffentlich war er zu Hause und sie hatte den anstrengenden Weg in der Mittagshitze nicht umsonst gemacht.
Anders als im Dorf üblich war Mateos Haustür abgeschlossen. Valeria hatte sie bereits vorgewarnt. Angeblich hatte der Professor vor ein paar Wochen damit angefangen. Schon komisch, denn normalerweise ließen alle die Haustür offen, viele hatten sogar einen Sandsack als Stopper in der Türritze platziert. Umständlich fischte Uta den Zweitschlüssel, den Valeria ihr mitgegeben hatte, aus der Tasche. Warum musste Mateo es so kompliziert machen? Endlich glitt der Schlüssel ins Schloss, und sie konnte die schwere Holztür öffnen. Uta betrat den kühlen Flur. Direkt neben der Tür lag ein Sandsack. Trotzig schob sie ihn mit dem Fuß in die Öffnung.
„Mateo“, schrie sie das Treppenhaus hinauf, „hab was für dich.“
Keine Reaktion. Seltsam, Mateo war doch nicht schwerhörig. Vermutlich war er so sehr in seine Forschungsarbeit vertieft, dass er der Welt um ihn herum keine Beachtung schenkte.
Etwas außer Atem stieg Uta die Treppen hoch. Sie besuchte Mateo zwar nicht zum ersten Mal, doch bislang hatten sie immer nur auf dem Patio vor seinem Haus zusammengesessen. Die Privaträume von „El Sabio“ – die Dorfbewohner nannten den Linguistikprofessor alle nur „den Weisen“ – hatte sie noch nie betreten.
„Mateo, ich bin’s. Uta“, rief sie. Sie blieb vor seiner angelehnten Zimmertür stehen und lauschte. Das Einzige, was sie hörte, war das leise Surren des Ventilators im Flur. Der schnelle Wechsel von Hitze und Kühle ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Vermutlich saß Mateo am Schreibtisch und trug Ohrstöpsel, genau wie ihr Sohn Max, wenn er Computerspiele zockte.
Uta klopfte, aber Mateo reagierte nicht. Vorsichtig schob sie die Tür auf und stieß unvermittelt einen kleinen spitzen Schrei aus. Mateo lag leblos auf dem Schreibtisch, um ihn herum jede Menge Papiere.
Kapitel 1
Freitag, den 7. August
13.30 Uhr
Sandra
Sandra arbeitete in der beengten Küche. Mehr Platz gab es in ihrem Zwei-Zimmer-Apartment nicht. Setzte sie sich an den tiefen Wohnzimmertisch, rächte sich dies mit Rückenschmerzen bei ihr. Ins Schlafzimmer passten gerade mal Bett und Kleiderschrank, und so blieb nur der kleine Küchentisch als „Arbeitsinsel“ übrig. Vor zwei Stunden hatte Sandra dort hektisch ihr Notebook zwischen salziger Butter, Marmelade und Baguette-Krümeln aufgebaut. Jetzt war die Videokonferenz zwischen ihren colegas in Köln und ihr in Málaga zum Glück auch schon wieder zu Ende. Sandra winkte ihrem Kölner Chef Jörg mit einem angestrengten Lächeln zu und schloss das Programm.
Puh, das war gerade noch einmal gut gegangen. Jörg hatte die Blogposts, die sie mit ihrer Kollegin Julia vorgeplant hatte, abgesegnet. Allerdings hatte er ihnen auch deutlich zu verstehen gegeben, dass die nächsten Social-Media-Beiträge mehr Schmackes bräuchten. Etwas Frisches, Neues. Na gut, da würde sie später drüber nachdenken. Sandra hörte Diego durchs Nebenzimmer schleichen.
„Du kannst reinkommen. Die Videokonferenz mit Deutschland ist vorbei.“
Diego betrat die Küche. Verstrubbelt und in Boxershorts.
„Hola mi vida“, begrüßte er sie zärtlich. Sandra genoss die Umarmung. Diego roch angenehm nach seinem Lieblings-Herrenduft und fühlte sich warm und vertraut an. Doch als sie hochblickte, sah sie, wie verpennt der Arme aussah. Kein Wunder! Am Tag zuvor hatte er einen Feierabendkurs in Stand-up-Paddling gegeben. Da man in den siedeheißen Sommermonaten in Málaga nur vormittags oder abends Sport treiben konnte, fand es großen Anklang bei seiner Kundschaft, den Tag mit „After-Work-Trainings“ ausklingen zu lassen.
„Na, ist’s gestern noch spät geworden?“
„Claro ques sí“, sagte Diego grinsend. „Bin mit meinen Jungs noch feiern gegangen.“
Sandra wollte gerade eine ironische Bemerkung loslassen, als das Diensthandy klingelte. „Perdona, da muss ich drangehen“, entschuldigte sie sich bei ihm und nahm den Anruf entgegen.
„Ja, bitte?“
„Hallo, Sandra, hier Sofía.“
„Oh, hallo. Warte mal einen Moment.“
Sandra machte Diego ein Zeichen und flüsterte ihm zu: „Javiers Sekretärin.“ Dann ging sie ins Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin warf sie einen Blick ins Schlafzimmer und lächelte, als sie das zerwühlte Laken sah. Sie gönnte es ihrem Liebsten, dass er am Abend zuvor einen draufgemacht hatte. Sie konnte sich genau vorstellen, wie das ausgesehen hatte: Tapas essen, Cañas trinken, Spaß haben. Anschließend war Diego dann, ohne sie zu wecken, ins Bett gefallen und eingeschlafen. Er hatte so tief geschlummert, dass er am nächsten Morgen selbst ihren nervig brummenden Wecker nicht gehört hatte. Sandra schubste die Schlafzimmertür mit dem Fuß zu.
„Hallo, Sofía, da bin ich wieder. Was gibt’s?“
„Es gibt Arbeit für dich. Bei der Zentrale ist ein Notruf einer deutschen Touristin namens Uta Jäger eingegangen. Sie hat einen toten Mann gefunden.“
„Verstehe. Und du rufst mich an, da ich die Ansprechpartnerin bin, wenn deutsche Urlauberinnen und Urlauber bei uns in Andalusien in Mordfälle verwickelt werden.“
Sofía lachte. „Schau mal, wie selbstverständlich dir der Spruch mittlerweile über die Lippen geht.“
Sandra setzte sich auf ihren Lieblingssessel. Sofía hatte recht. Sie war in der Tat stolz darauf, in Málaga heimisch geworden zu sein.
„Wo befindet sich diese Frau Jäger?“
„In El Silencio.“
„Nie gehört.“
„Das ist eines dieser halb verlassenen andalusischen Bergdörfer. Ich habe dir die genaue Adresse schon zukommen lassen.“
„Prima. Weiß Javier schon Bescheid?“
„Ja.“
„Perfekt. Ich hole ihn gleich in seinem Büro ab, und dann werden wir uns sofort auf den Weg machen.“
„Gut, Sandra. Die Zentrale hat mir gesagt, dass die deutsche Frau sehr aufgewühlt klang. Am Anfang konnte man sie wohl gar nicht verstehen. Es hat anscheinend lange gedauert, bis sie ihnen in einem Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch überhaupt klarmachen konnte, was passiert ist. Ich glaube, die sind dringend auf deine Unterstützung angewiesen.“
„In Ordnung. Ich beeile mich. Hört sich so an, als ob diese Frau Jäger meinen Beistand eher früher als später benötigt.“
Sandra beendete das Telefonat und verschwand zu einer hastigen Katzenwäsche im Bad.
Zehn Minuten später verabschiedete sie sich mit einem leidenschaftlichen Kuss von Diego. Sie hatte schon die Wohnungstür geöffnet, als ihr Liebster ihr etwas nachrief. Auch wenn die Zeit drängte, drehte sie sich noch einmal um.
„Was hast du gesagt?“
„Sandra, du weißt schon, dass du dein T-Shirt verkehrt herum trägst, oder?“
Sandra merkte, wie sie rot wurde. Oha, was für ein Chaos! Sofort schloss sie die Tür von innen, zog ihr Oberteil aus und richtig herum wieder an.
Erfreulicherweise hatte sie es nicht weit bis zur Dienststelle. Diegos und ihr kleines Zwei-Zimmer-Apartment befand sich in der Altstadt von Málaga. Einen Katzensprung von der Kathedrale und der Polizeiwache entfernt. Es dauerte weniger als zehn Minuten, bis sie an Javiers Tür anklopfen konnte. Genau wie Sofía gesagt hatte, war auch er schon über den Toten in El Silencio informiert worden.
„Hola Sandra.“ Der Comisario Principal begrüßte sie mit Wangenküsschen. Kurz darauf saßen sie bereits zusammen im Auto auf dem Weg nach El Silencio. Sandra hatte sich hinter das Lenkrad gequetscht und versuchte den Anweisungen des Navis zu folgen. Doch die Angaben waren widersprüchlich und führten an mehreren Stellen zu Verwirrung. Die Fahrt zog sich. Da Sandra und Javier schon zweimal falsch abgebogen waren, verloren sie viel Zeit. Sandra schlug wütend auf das Armaturenbrett.
„Warum muss El Silencio auch nur im letzten Zipfel von Andalusien liegen? Ich denke die ganze Zeit an die arme deutsche Touristin, die unter Schock vor der Leiche sitzt, nicht weiß, was sie tun soll und ängstlich auf uns wartet.“
Javier klopfte ihr väterlich auf die Schultern. „Tranquila, Sandra. Ganz ruhig.“
Sandra warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Auch wenn ihr Kollege zwanzig Jahre älter war als sie, musste er sie doch nicht wie ein aufgeregtes kleines Mädchen behandeln. Javier bekam von ihrem Unmut offensichtlich nichts mit, denn sie sah aus dem Augenwinkel, wie er sich entspannt auf dem Beifahrersitz zurücklehnte.
„Dein Mitgefühl ehrt dich, Sandra. Ist aber halb so wild. Bevor wir eben aus Málaga losgefahren sind, hab ich noch einen Funkspruch mitbekommen. Die Kollegen aus einer Polizeiwache hier auf dem Land sind auch schon unterwegs. Ich bin sicher, dass sich die Sanitäter mittlerweile vor Ort befinden und ihre Arbeit tun.“
Sandra nickte halbherzig und überlegte, ob sie Javier und seinen Sprüchen widersprechen sollte. Welche Arbeit sollten die Sanitäter denn seiner Meinung nach noch tun, wenn eine mausetote Leiche vor ihnen lag? Doch bevor sie ihren giftigen Kommentar loswerden konnte, sah sie das Zeichen. Wild gestikulierend deutete sie nach links.
„Schau mal, da ist ein Pfeil nach El Silencio. Wir müssen links abbiegen.“ Sie bremste scharf und nahm dann rasant die Kurve. Javier hielt sich am Türgriff fest.
„Puh, das war knapp“, sagte Sandra, als das Auto wieder ruhig und gleichmäßig fuhr. „Warum sind die Schilder hier nur alle so halb versteckt angebracht? Das hier hätte ich auch fast übersehen.“
„Ich glaube, das liegt daran, dass El Silencio eins dieser halb verlassenen Dörfer ist, um die sich niemand kümmert. Die Jungen finden keine Arbeit und wollen weg, den Alten ist das Leben auf dem Land zu mühselig. Von diesen ganz oder halb verlassenen Dörfern gibt’s leider jede Menge in Andalusien. Viel zu viele, wenn du mich fragst. Neuerdings gilt es aber als angesagt, solche Gemeinden wieder zu beleben … Oh, schau mal: das Ortsschild. Wir sind da.“
Sobald sie in El Silencio angekommen waren, fanden sie das Haus von Mateo Vega, von dem aus Frau Jäger den Notruf abgesetzt hatte, ohne weitere Probleme. Zwei Polizeiautos und das Absperrband ließen keinen Zweifel aufkommen, wo der Tote gewohnt hatte.
„Sandra?“
Javier berührte sie an dem Arm, mit dem sie gerade die Autotür zugeschlagen hatte.
„Ja? Was gibt’s?“ Sie waren spät dran. Sie wollte endlich los. Mit Frau Jäger reden und Kontakt mit der Lokalpolizei aufnehmen.
„Hör mal, es ist schon spät. Lass uns das Ganze hier so schnell wie möglich hinter uns bringen. Ich habe heute Abend noch was vor.“
Irritiert sah sie Javier an. Das war untypisch. Ihr Kollege war sonst immer eher noch pflichtbewusster als sie.
„Ein romantisches Rendezvous mit Inma?“
Er schüttelte den Kopf, sagte aber nichts weiter.
Sandra zuckte mit den Schultern. Irgendetwas war seltsam mit Javier. Seit ein paar Wochen hing eine Wolke miserabler Stimmung über seinem Kopf. Sie hatte seine Partnerin Inmaculada vor Kurzem einmal darauf angesprochen, und die hatte genickt und etwas von Midlife-Crisis gemurmelt. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, dem auf den Grund zu gehen.
„Wir werden sehen. Vamos a ver.“
„Vergiss nicht, dass bereits Kollegen vor Ort sind.“
„Okay“, sagte Sandra leichthin und lief schnell die Treppe hinauf, um mit Frau Jäger zu sprechen. Sandra wusste, wie einsam man sich in der Fremde fühlen konnte. Insbesondere wenn man sich in einem Ausnahmezustand befand. Und einen Toten zu entdecken war so eine Extremsituation. Sie bemerkte, dass Javier ihr nicht folgte. Er war unten auf dem Treppenabsatz stehen geblieben, um sich mit den anderen Kolleginnen und Kollegen zu unterhalten.
Als Sandra das Arbeitszimmer des Professors betrat, saß eine gut fünfzigjährige Frau stocksteif auf einem Holzstuhl in der Ecke, während die Spurensicherung alles in dem Raum genau untersuchte. Die Leiche lag anscheinend immer noch so da, wie Frau Jäger sie gefunden hatte. Sandra erschien das seltsam, sie dachte jedoch nicht weiter darüber nach. Darum konnte sie sich später kümmern. Die Lokalpolizei hatte das sicherlich schon alles dokumentiert. Jetzt wollte Sandra sich erst einmal mit der Deutschen befassen. Merkwürdig, dass man sie einfach am Tatort sitzen gelassen hatte.
„Frau Jäger?“
Die Frau drehte sich zu ihr um. Sie war braun gebrannt, ihr Gesicht angespannt.
„J-ja?“
Sandras erster Eindruck wurde bestätigt. Die Frau schien von den Ereignissen überwältigt zu sein. Sandra nahm einen Stuhl, setzte sich schräg neben sie und redete ihr sanft zu.
„Danke, dass Sie auf uns gewartet haben. Wir hatten Probleme, das Dorf zu finden. Aber jetzt sind wir hier. Darf ich vorstellen? Der Mann, den sie dort unten sprechen hören, ist mein spanischer Kollege Comisario Principal Sánchez und ich bin Hauptkommissarin Sandra König. Ich komme ursprünglich aus Köln.“
„Hallo. Mein Name ist Uta Jäger.“ Die Frau klang wie ein Roboter. „Ich bin aus Berlin.“ Sandra hatte das Gefühl, dass sie sich gedanklich vom Tatort zurückgezogen hatte. Doch dann schaute Frau Jäger ihr hellwach in die Augen und überraschte sie mit einer Frage.
„Wie kommt es, dass eine deutsche Polizistin in Spanien ermittelt?“
„Ich habe an einem Erasmus-Programm für Polizistinnen und Polizisten teilgenommen. Auch die Polizei sieht es als hilfreich an, wenn wir auf europäischer Ebene zusammenarbeiten.“ Sandra merkte, dass Frau Jäger das Interesse an ihr bereits wieder verloren hatte, und so kam sie schnell zum Schluss. „Seit längerer Zeit schon unterstütze ich die andalusische Polizei bei Mordfällen, in denen deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger involviert sind.“
Auf der anderen Seite des Zimmers rumpelte es. Die Spurensicherung nahm sich die Schreibtischschubladen vor. Laut und geschäftig.
„Sollen wir draußen vors Haus gehen und uns dort unterhalten?“
Kurze Zeit später saßen sie auf dem Patio unter einem violett blühenden Strauch Bougainvilleen. Frau Jäger schien sich zu entspannen. „Ich kann es nicht fassen. Alles sieht so friedlich und schön aus.“
Sandra nickte. „Da haben Sie recht. Das Haus ist sehr ansprechend instand gesetzt worden. Hat Herr Vega gern gegärtnert?
„Ich weiß nicht. So gut kenne ich ihn auch nicht.“
„Aber Sie leben in dem Dorf?“
„Nein. Mein Sohn Max und ich sind nur zu Besuch.“
„Wie kommt eine Berlinerin auf die Idee, in einem abgelegenen Dorf wie El Silencio Urlaub zu machen?“
„Ich liebe die malerischen Dörfer hier. In meinem letzten Urlaub habe ich jede Menge weißer Dörfer besichtigt. Sie sehen so hübsch aus mit den weiß gekalkten Wänden und den bunten Blumentöpfen. Am besten hat mir Ronda gefallen. Es liegt auf einem Felsplateau. Das entbehrt nicht einer gewissen Dramatik.“
„Klar, die pueblos blancos sind sehr sehenswert, aber El Silencio ist kaum zu erreichen und ist …“ Sandra hielt inne. Ursprünglich hatte sie sagen wollen, dass das Dorf verwahrlost und heruntergekommen sei, doch sie überlegte es sich anders. „El Silencio scheint mir bisher touristisch nur wenig erschlossen zu sein. Wo wohnen Sie denn? Ich habe bislang kein Hotel gesehen.“
Und auch kaum einen Menschen, fügte sie in Gedanken hinzu. Sandra hatte den Eindruck, dass sie in einem Geisterdorf gelandet war.
„Ich verstehe, dass Ihnen das komisch vorkommt, Frau Hauptkommissarin, aber mein Aufenthalt hier ist leicht zu erklären.“ Frau Jäger machte eine Pause und sagte dann stolz: „Ich bin Reisebloggerin. Und letztes Jahr im Winter hat Valeria mir angeboten, mich kostenlos auf ihrem alternativen, organischen Bauernhof wohnen zu lassen, wenn ich im Gegenzug eine Weihnachtsstory über El Silencio poste.“
„Hört sich nach einer Marketingaktion an.“
„Aber nein, das ist viel mehr. Valeria ist eine echte Powerfrau. Sie tut alles für das Dorf, für die Gemeinschaft. Sie hat auch die Noche de Fiesta organisiert, die morgen Abend stattfindet. Alle kommen oben auf dem Vorplatz der Kirche zusammen. Für Essen und Trinken ist gesorgt. Es wird gesungen und …“
In Sandras Kopf schrillten die Alarmglocken. Frau Jägers Schwärmerei für die Dorfidylle klang in ihren Ohren kitschig und naiv. Genau so, wie eine Berlinerin sich Spanien vorstellt. Mit Lagerfeuer, Flamencogitarre und weißen Häusern. Aber was wusste sie schon? Vielleicht brauchte Frau Jäger nach der Konfrontation mit einer Leiche diese rosarote Wolke.
„Hat Valeria auch einen Nachnamen?“
„Valeria Santos, glaube ich.“
Sandra machte sich eine Notiz auf ihrem Handy.
„Können Sie mir ein bisschen mehr über das Dorf und seine Bewohnerinnen und Bewohner erzählen?“ Vor allen Dingen wollte sie mehr über Mateo Vega erfahren und wie Frau Jäger ihn aufgefunden hatte. Sandra vermutete jedoch, dass ihre indirekte Aufforderung sie weiterbrächte als eine direkte Befragung. Sie wartete einen Moment. Und tatsächlich. Frau Jäger hatte sich gesammelt, holte Luft und begann, ihr die Situation zu erläutern.
„El Silencio wird seit ein paar Jahren revitalisiert. So nennen sie das hier immer. Es gibt ein paar Einwohner, die schon immer hier gelebt haben, aber auch viele neu Zugezogene. Der Professor ist wohl schon immer am Wochenende hier gewesen, seit einem halben Jahr lebte er aber ständig vor Ort, arbeitete von zu Hause aus.“
„Was für ein Professor war er denn?“
„Sprachen und Computer waren sein Schwerpunkt … glaube ich. Man sagt, er sei ziemlich berühmt gewesen. Arbeitete an der Universität in Málaga.“
Sandra ließ sich berichten, wieso Frau Jäger zum Professor gegangen war und wie sie ihn vorgefunden hatte. Als der Zeugin keine weiteren Details mehr einfielen, fragte sie, ob Herr Vega Feinde gehabt hätte.
„Aber nein. Hier hat niemand Feinde. Es geht ja gerade darum, friedlich zusammenzuleben.“
Oha, dachte sich Sandra. Rosarote Brille, wie es im Buche steht. Da würde sie nicht viel weiterkommen.
„Und Sie wohnen bei Valeria Santos.“
„Ja, wir sind Freundinnen. Warum gucken Sie denn so komisch?“
„Und wer gehört noch zur Dorfgemeinschaft?“
Frau Jäger nannte einige Namen, die Sandra sich notierte. Doch die Hauptkommissarin war skeptisch, was die Belastbarkeit von Frau Jägers Einschätzungen anging. Sicherheitshalber las sie ihre Liste noch einmal laut vor.
„Eine Kräuterkundige, Bauern, eine Künstlerin, ein pensionierter Ingenieur, eine Erzieherin. Das reicht mir erst einmal für den Anfang. Danke schön.“ Sie steckte ihr Handy wieder ein. „In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit den Leuten im Dorf?“
„Auf Englisch. Aber wenn es zu schwierig wird, hole ich meinen Sohn Max. Der hat Spanisch im Abi gehabt.“
„Aha, okay, danke. Wie lange bleiben Sie noch?“
„Wir wollten noch zwei Wochen bleiben.“
„Prima. Und ich kann Sie dann so lange auf dem Biobauernhof von Frau Santos erreichen?“
„Ganz genau.“
In diesem Moment kam Javier auf sie zu. „Sandra, komm bitte mal. Bevor wir gehen, sollten wir uns auch die Leiche noch einmal ansehen.“
Gehen? Wieso gehen? Sie waren doch gerade erst angekommen.
Kapitel 2
Freitag, den 7. August
16 Uhr
Javier
Javier wartete auf Sandra, die für seinen Geschmack auffallend lange brauchte, um sich von der Touristin zu verabschieden. Die Deutsche, die den Toten entdeckt hatte, gehörte offensichtlich zu der redseligen Art Mensch.
Er wurde ungeduldig. Das war mal wieder einer der Momente, in denen es ihm in den Fingern juckte. Ein Himmelreich für eine Zigarette! Jetzt war er schon so lange weg vom Nikotin, und dennoch überkam ihn unter Druck noch immer das Verlangen nach einer Kippe. Würde das denn nie enden? Javier schaute auf die Uhr. In ein paar Stunden stand die telefonische Verabredung mit seiner Tochter Ana an. Keine Ahnung, was sie von ihm wollte. Normalerweise ging sie ihm aus dem Weg. Seit sie im letzten Jahr Abdel geheiratet hatte, konnte er die wenigen Male, die sie sich gesprochen hatten, an den Fingern von nur einer Hand abzählen. Jedenfalls wollte er pünktlich zu Hause sein. Er hasste es, wichtige Gespräche unterwegs auf dem Handy zu führen.
Um nicht länger an Ana zu denken, konzentrierte Javier sich auf die deutsche Urlauberin. Vielleicht war es gar nicht schlecht, ausgerechnet so eine Plaudertasche als Zeugin vor Ort zu haben. Auch wenn er es mehr als merkwürdig fand, dass jemand ausgerechnet hier in diesem baufälligen, halb verlassenen Dorf Urlaub machte …
Der Comisario Principal beobachtete, wie eine spanisch aussehende Frau auf Sandra und Frau Jäger zuging. Sie nahm die deutsche Zeugin lange in den Arm, wobei die beiden Frauen auffallend vertrauensvoll miteinander redeten.
Javier lächelte.
Geht doch! Frau Jäger war anscheinend tatsächlich ein Glücksgriff. Normalerweise war die Landbevölkerung staatlichen Autoritäten gegenüber zurückhaltend und verschlossen, ganz besonders, wenn sie aus Málaga Stadt kamen. Vermutlich ein Relikt aus der Franco-Zeit. Gerade auf den Dörfern hielten sich die alten Geschichten von früher noch lange. Wenn Sandra und er es geschickt anstellten, konnten sie jedoch die Kontakte von Frau Jäger für ihre Befragung der Dorfbewohner nutzen.
„Hallo, Javier, hier bin ich.“ Sandra stand mit einem Mal neben ihm und riss ihn aus seinen Gedanken. „Was ist denn los mit der Leiche?“, fragte sie neugierig. Zusammen stiegen sie die Treppe hinauf. Im Arbeitszimmer tastete eine Gerichtsmedizinerin den Körper des Toten ab.
„Und, können Sie schon etwas sagen?“, fragte Javier.
Die Gerichtsmedizinerin nickte. „Ja, dasselbe, was ich schon Ihren Kollegen mitgeteilt habe. Es sieht so aus, als wäre der Mann gestern Nachmittag eines natürlichen Todes gestorben. So ganz jung war er auch nicht mehr …“
„Zweiundsechzig“, fiel ihr jemand ins Wort.
Javier drehte sich um und erkannte die Frau, die eben die Deutsche so innig umarmt hatte.
„Das mag für Sie alt sein, aber Mateo war ausgesprochen sportlich und körperlich topfit“, griff sie die Gerichtsmedizinerin an.
Die ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. „Den Gesundheitszustand eines Menschen sieht man ihm nicht unbedingt an.“
„Und Sie sind wer?“, sprach Javier die aufgebrachte Frau betont ruhig an.
„Valeria.“
„Alles klar“, schaltete sich Sandra ein, „Ihnen gehört der Hof, auf dem Frau Jäger mit ihrem Sohn wohnt.“
„Ja. Ich bin die Besitzerin des Biobauernhofs.“
Javier sah zu Sandra hinüber. Sie hatte schon immer eine schnelle Auffassungsgabe besessen, doch jetzt überschlug sie sich vor Eifer. Ob das daran lag, dass sie nun mit ihrem Freund Diego zusammenwohnte und nur noch auf Stippvisite in Köln war und sich darum plötzlich zu hundertfünfzig Prozent mit der spanischen Polizei identifizierte? Irritiert beobachtete er, wie Sandra die Gerichtsmedizinerin in die Zange nahm.
„Mateo Vega ist gestern Nachmittag gestorben, sagen Sie. Sind Sie sich sicher? Ich meine, was den Todeszeitpunkt angeht?“
„Unsere Spezialisten müssen da noch einmal ran, aber für mich sieht es so aus. Ihre Kollegen haben auch schon herausgefunden, dass es weder Hinweise auf einen Einbruch noch Kampfspuren gibt. Wissen Sie, was den Todeszeitpunkt angeht … Da ist die Bestimmung nicht ganz einfach.“
„Ist mir klar. Normalerweise nicht, aber hat die Anruferin nicht gesagt, dass der Körper der Leiche bereits bei ihrer Ankunft kalt war?“
„Das mag sich so angefühlt haben, doch das muss nicht viel heißen. Subjektiv hat man schnell das Gefühl von Kälte, da man den Unterschied zur eigenen Hauttemperatur spürt. Objektiv gesehen bleibt die Temperatur jedoch in der Regel noch ein, zwei Stunden nach Eintritt des Todes halbwegs konstant. Wir sagen, dass die Temperatur eines toten Menschen im Schnitt um etwa 0,8 Grad pro Stunde fällt. Sie erreicht die Umgebungstemperatur erst nach etwa sechs bis zwölf Stunden und fühlt sich dann kalt an. Aber das alles hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab.“
„Nämlich?“, beharrte Sandra.
Javier fragte sich erneut, was mit seiner Kollegin los war. Sandra war doch sonst nicht so pingelig.
Die Gerichtsmedizinerin trat einen Schritt zurück und betrachtete die Leiche mit gerunzelter Stirn. „Wenn ich mir hier das Zusammenspiel von Temperatur, Kleidung, Körperbau und Lagerung anschaue, würde ich sagen, dass der Tod vor mindestens neunzehn bis zwanzig Stunden eingetreten ist.“
Sandra nickte, doch ihr Gesicht drückte noch immer Skepsis aus.
Javier wandte sich an die Besitzerin des Bauernhofs. „Hat Herr Vega Angehörige, die informiert werden müssen?“
„Nein, hat er nicht“, antwortete sie aggressiv. „Müssen Sie sonst noch was wissen? Ich kann hier nicht untätig rumsitzen. Ich muss los. Es gibt so viel zu erledigen. Und Sie sollten auch mit der Untersuchung beginnen. Hier wird doch etwas vertuscht.“ Sie holte dramatisch Luft, baute sich vor dem Comisario Principal auf und schaute ihm direkt in die Augen. „Wer weiß, vielleicht ist sogar die Polizei involviert.“ Und schon war sie aufgesprungen. Doch je eiliger es Frau Santos hatte, umso mehr Zeit ließ sich Javier.
„Ganz ruhig. Lassen Sie uns sachlich bleiben. Frau Jäger sagte, sie habe dem Professor Gebäck von Ihnen gebracht?“
„Ja, Bananenbrot. Uta hat mir das Rezept gegeben. Man macht diesen Kuchen in Deutschland, um überreife Bananen zu verwerten.“
„Noch nie gehört. Du etwa?“, fragte Javier seine deutsche Kollegin.
„Na klar“, antwortete Sandra. „Ist lecker.“
Frau Santos stand kurz davor zu explodieren. „Ich weiß nicht, was das zur Sache tut. Kann ich endlich gehen?“
Javier ließ sich die Kontaktdaten der Besitzerin des Biobauernhofs geben.
„Einen Moment noch.“ Sandra war aufgestanden und ging auf Frau Santos zu. „Jetzt wissen wir, wie wir Sie erreichen können. Das ist hilfreich, vielen Dank. Aber vielleicht möchten Sie sich auch mit uns in Verbindung setzen.“
Frau Santos zischte etwas, das sich für Javier anhörte wie: „Ganz bestimmt nicht.“ Seine Kollegin ließ sich davon jedoch nicht abschrecken und reichte ihr eine Visitenkarte.
„Sie können uns jederzeit kontaktieren, wenn Sie mit uns sprechen wollen. Per Telefon, Mail oder …“ Ohne darauf zu warten, dass Sandra ihren Satz beendet hatte, stürmte Frau Santos aus dem Arbeitszimmer.
Javier nahm Sandra zur Seite. „Wenn du mich fragst, haben wir hier nicht viel zu tun. Ist doch alles unauffällig. Der Professor sieht so friedlich aus, als würde er sich nur eben eine Siesta genehmigen. Kein Zufall, dass man den Tod auch den großen Schlaf nennt.“
„Das ist nicht wirklich deine Meinung, oder?“ Sandra kräuselte die Stirn. Offensichtlich überzeugte sie sein Gedankengang nicht.
Er legte nach. „Zur natürlichen Todesursache passt auch, dass es keine Anzeichen von Einbruch gibt. Die Haustür unten war abgeschlossen. Nicht ein geöffnetes Fenster. Hast du ja gerade selbst gehört.“
„Das hätte ein Täter aber auch noch im Nachhinein machen können. Oder der Professor hat den Mörder selbst hereingelassen. Ich glaube nicht an einen natürlichen Tod. Schau ihn dir doch mal an. Der Mann war gesund und kräftig.“
„Apropos fit sein. Ich muss mich mal setzen.“
Javier führte Sandra in ein Nebenzimmer und nahm auf einem Sessel Platz. Das lange Stehen ermüdete ihn. Ja, Ana, dachte er selbstmitleidig. Dein Vater wird immer älter und gebrechlicher.
„Wenn du mich fragst“, riss Sandra ihn aus den Gedanken, „beunruhigt mich gerade die Tatsache, dass wir keine Spuren finden.“
„Entweder ist der Professor eines natürlichen Todes gestorben …“
„… oder wir haben es mit einem erschreckend gewieften Täter zu tun. Was meinst du?“ Sandra sah ihn herausfordernd an.
„Sagen wir mal so“, begann Javier versöhnlich, „es ist noch zu früh für ein abschließendes Urteil. Wir brauchen noch mehr Informationen.“
„Ich meine, was sagt dein Bauchgefühl?“, insistierte Sandra.
Javier zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. Bauchgefühl? Dafür konnte er sich nichts kaufen.
„Also ich glaube, dass er Feinde hatte“, sagte Sandra. „Auch wenn Frau Jäger das verneint. Ich finde, wir sollten uns mal umhören. Schließlich ist es doch seltsam, dass der Professor vor ein paar Wochen plötzlich als einer der wenigen angefangen hat, seine Haustür abzuschließen.“
„Einverstanden“, sagte Javier entgegenkommend. Es war viel zu heiß für eine anstrengende Diskussion. „Es ist sicherlich nicht falsch, wenn wir hier noch ein bisschen mehr nachfragen.“
Er bemühte sich, möglichst locker und beiläufig zu klingen. Doch Sandra lief schon wieder zur Hochform auf.
„Ich werde mir die Finanzen vom Professor vorknöpfen.“
Javier sah genervt zu ihr hinüber.
„Ich will auch genauer herausbekommen, an was er gearbeitet hat. Außerdem nehme ich mir noch diese Valeria Santos zur Brust. Du weißt schon, die unverschämte Frau von eben, bei der Frau Jäger mit ihrem Sohn untergekommen ist.“
Seine Kollegin war kaum zu bremsen. Das konnte nicht nur an Diego und ihrer gemeinsamen Wohnung liegen. Ob es vielleicht viel mehr damit zu tun hatte, dass Sandra letztes Jahr endlich befördert worden war? Seine Kollegin hatte so lange darauf hingearbeitet. Er gönnte ihr den wohlverdienten Karrieresprung, gleichzeitig wusste Javier aus Erfahrung, dass Sandra in ihrem Enthusiasmus zu blindem Aktionismus neigte und dabei mitunter viel Porzellan zerschlug. Kühl überlegte er, wie er ihren drohenden impulsiven Ausbrüchen vorbauen konnte.
„Gut, dann rede ich jetzt noch einmal mit den Kollegen, die vor uns hier waren. Sie werden nicht sonderlich erpicht darauf sein, mit einer deutschen Hauptkommissarin und einem Polizisten aus Málaga zusammenzuarbeiten.“
Daran, dass seine Kollegin nicht reagierte, merkte er, dass Sandra ihm nicht mehr zuhörte. Voller Schwung hatte sie sich schon wieder auf den Weg zu Frau Jäger gemacht. Sie ist bereits im Tennisball-Modus, dachte er besorgt. Hüpft unentwegt durch den Raum: von rechts nach links. Vom Sitzen zum Stehen.
„Hey, Sandra!“ Javier schaute demonstrativ auf seine Armbanduhr. Sandra sah kurz zu ihm hin und wechselte dann ein paar Worte mit der Reisebloggerin. Kurz darauf stand sie wieder vor ihm. Javier wusste bereits, dass sie ihn um mehr Zeit bitten würde.
„Javier, sag mal, wäre es sehr schlimm, wenn wir noch so ungefähr eine gute Stunde bleiben würden?“
Er zögerte.
„Du weißt schon, die besten Ermittlungsergebnisse erzielt man immer unmittelbar nach der Tat, wenn noch keiner Zeit gehabt hat, irgendwelche Alibis abzusprechen.“
Was sollte er dazu sagen? Sie hatte recht. Schnell überschlug er, wie viel Zeit ihm noch blieb.
„Okay, Sandra. Lass uns um Punkt sechs starten. Keine Minute später.“
Ana wollte um 9 Uhr anrufen. Das dürfte immer noch locker zu schaffen sein.
„In Ordnung. Danke schön.“ Sie warf ihm eine Kusshand zu und hüpfte zu Frau Jäger zurück.