1. Kapitel
GRACE
Ein Ziel ist ein Zustand in der Zukunft, der mit allen Mitteln, die du zur Verfügung hast, angestrebt werden sollte. Fokussiere dich ganz darauf, damit du dein Ziel nicht aus den Augen verlierst.
Endlich war der Auftrag abgeschlossen. Grace spürte die Erschöpfung bis in die linke Zehenspitze. Dort, wo die schwarzen Pumps den halben Tag gedrückt hatten. Warum musste sie auch zwei unterschiedlich große Füße haben! Jeder Schuhkauf war ein mittleres Desaster und endete stets in einem faulen Kompromiss. Darum war sie froh, die Riemchen lockern und aus den hochhackigen Schuhen schlüpfen zu können. Den grau karierten Midirock ließ sie einfach auf den Boden fallen, dann schwang sie sich mit einem tiefen Seufzer rücklings auf das weiche Bett des Hotelzimmers. Sofort stieg ihr der intensive Waschmittelgeruch in die Nase. Die alte Heizung gab irgendwelche seltsamen Geräusche von sich und brachte kaum die gewünschte Wärme, die sich Grace bei zehn Grad Außentemperatur erhoffte. An der Decke hing ein Ventilator, der allerdings eher nach einer Attrappe aussah. Sie stellte sich vor, um wie viel angenehmer es hätte sein können, wenn der Auftrag ihrer Firma sie im Sommer anstatt mitten in der Vorweihnachtszeit nach Florenz geführt hätte. Laue Abende in den Straßencafés, ein verführerisches Eis auf dem Platz vor dem Dom, luftige Sommerkleider, dazu die unbändige Lust am Erkunden der Stadt. Grace seufzte. So könnte sich Florenz auch anfühlen. Alt und irgendwie romantisch. Doch in der Realität nistete sich die unerwartete Kälte wie ein treues Haustier in Graces Körper ein, und hatte dazu geführt, dass sie sogar einen wärmeren Mantel vor Ort kaufen musste, um gegen Regen und nächtlichen Temperaturwerten in Richtung Gefrierpunkt gewappnet zu sein. Sofort kuschelte sie sich ein bisschen mehr unter die dünne Decke. Es gab kaum einen Tag, an dem sie Miami nicht vermisste, seit sie in Italien angekommen war. Miami im Winter, das bedeutete konstante fünfundzwanzig Grad, Sonne pur und natürlich Beachtime. Bis sie das Dauerfrösteln gegen die Wärme ihres Zuhauses eintauschen konnte, würde es allerdings noch dauern. Sie konnte unter den Auftrag in Florenz zwar einen Haken setzen, doch jetzt wartete ein anderer, weitaus unvorhersehbarerer Termin auf sie: Weihnachten bei ihrem Vater.
Mit einer Mischung aus Freude über den Jobabschluss für die bekannte Hotelkette Wilton und der inneren Anspannung angesichts ihrer bevorstehenden Reise, die sich nicht auf Knopfdruck abstellen lassen wollte, ließ Grace die Augen ein letztes Mal durch das Zimmer schweifen. Sie und ihr Kollege Peter waren in einer alten florentinischen Villa aus dem 18. Jahrhundert abgestiegen. Italienischer Charme einer vergangenen Zeit. Dünne Wände, sanftes Licht, das wie echte Kerzen flackerte. Die Farbausstattung lag zwischen kitschig und bereits wieder im Trend. Wann hatte sie das letzte Mal in einem Hotelzimmer mit Blümchentapete geschlafen? Zum Glück knarzte das Bett nicht, dabei hätte es zum Ambiente gepasst.
Das Klopfen an der Tür ließ sie nur wenige Augenblicke später aufblicken.
»Bist du soweit, Grace? Ich möchte den Flieger ungern verpassen.«
»Komme gleich«, rief sie in Richtung der geschlossenen Zimmertür und sah sich dabei hektisch um. Nein, sie war kein bisschen abfahrbereit. Wie auch, wenn sie sich, anstatt direkt zu packen, in die angenehme Wärme des Hotelrestaurants verdrückt und ewig mit ihrer Freundin telefoniert hatte. Nicoletta zu erwischen, glich seit deren steilem Karriereaufstieg zum Model einem Lotteriegewinn, da diese rund um die Welt von einem Fototermin zum nächsten hetzte. Aus diesem Grund hatten sie und ihre Freundin sich angewöhnt, immer an einem festen Tag in der Woche zu chatten oder – wenn es klappte – zu telefonieren.
Grace sprang jetzt regelrecht auf und schmiss einen der Koffer auf das Bett. Während sie ihre Sachen zusammensuchte, hatte sie Nicolettas Stimme noch genau im Ohr.
»Sis, ich freue mich riesig für dich, du hast den Erfolg verdient«, hatte diese gejubelt, als Grace ihr vom Abschluss des Auftrags berichtet hatte. »Hoffentlich konntest du Italien trotz des Jobs ein bisschen genießen.«
»Es ist ziemlich kalt, aber ja, ansonsten traumhaft.« Grace war in ihrer Begeisterung kaum zu bremsen gewesen. »Florenz, die Menschen hier, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie hinreißend es ist, wenn sie alle wild gestikulierend durcheinander reden.«
»Und ob.« Nicoletta war ihr ins Wort gefallen, wie sie es oft tat, wenn sie sich nach einer Woche so viel zu erzählen hatten. »Ich war doch erst im Herbst zu einem Shooting in Rom, erinnerst du dich nicht? Ich liebe diese temperamentvollen Menschen, sie sind so herzlich. Und erst das Essen.«
Eine Weile hatten sie sich gegenseitig von Italien vorgeschwärmt, vom Geruch der Pizzen aus den Öfen, dem Lärm auf den Straßen, der irgendwie dazu gehörte, aber auch von der Architektur, dem Gegensatz zwischen Altem und Neuem. Erst danach hatte Grace von ihrem Plan erzählt, nach Davison zu ihrem Vater zu fliegen.
»Warum ausgerechnet jetzt? Du hättest ihn zigmal besuchen können, immerhin wohnt er nur fünf Flugstunden von Miami entfernt.«
»Hätte ich, habe ich aber nicht.«
Grace dachte jetzt daran, wie patzig ihre Antwort rübergekommen war. Vielleicht, weil ihre Freundin so überrascht geklungen hatte. Was sie ja schließlich auch selbst war. Wegen dieser plötzlichen Idee, ihren Vater nach all den Jahren zu besuchen, in denen er ihr im Prinzip egal gewesen war.
»Weil es vielleicht ein Wink des Schicksals ist, dass mich mein nächster Auftrag in seine Nähe führt«, hatte sie so lässig wie möglich behauptet.
»Aber ausgerechnet zu Weihnachten? Du könntest stattdessen Party machen oder am Strand chillen. Warum fliegst du nicht erst mal nach Hause?«
Grace bückte sich grunzend und fischte unter dem Sessel einen Schuh hervor. Mit ihrer Beute in der Hand blieb sie stehen und starrte einen Moment vor sich hin. Natürlich hatte Nicolettas Einwand seine Berechtigung, das musste sie jetzt im Nachhinein zugeben. Doch vorhin war sie wie ein trotziges Kind ins Jammern verfallen. »Weil du nicht da bist«, hatte sie geantwortet. »Was soll ich ohne dich in Miami? Wir haben bisher immer zusammen Weihnachten gefeiert.«
Oh ja, ihre beste Freundin fehlte ihr! Vor allem gerade jetzt in der Weihnachtszeit. Einer Zeit, in der man sich mit ein bisschen Glitzer, Weihnachtsmusik und Geschenken für kurze Zeit vom Job und dem ganzen Stress ablenken konnte. In der die Familien zusammenkamen und feierten. Grace schluckte schwer, wenn sie daran dachte. Für sie gab es keine echte Familie. Schon lange nicht mehr. Es gab nur sie und ihre Mum.
Zum Trost hatte ihr die Freundin jede Menge Luftküsse geschickt, als wüsste sie, wie sich Grace in dem Moment fühlte, und versprochen, das Feiern nachzuholen.
»Meinst du, es ist ein Fehler, Letti?«
»Das musst du selbst wissen.« Wie sehr hatte ihr diese Frage auf der Seele gebrannt. Umso härter war das Zögern der Freundin gewesen.
Grace schüttelte über sich selbst den Kopf, während sie ihre Kleider von den Bügeln nahm und neben dem Koffer ausbreitete. Was hatte sie auch erhofft? Dass Nicoletta ihr die Idee ausredete? Dass sie alles stehen und liegen ließ und zu ihr käme? Trotzig hatte Grace davon gesprochen, dass jetzt einfach der richtige Zeitpunkt wäre, weil ihr nächster Auftrag für Wilton keine vierzig Autominuten von Davison entfernt wäre.
»Du sagst es selbst, es passt alles zusammen.« Nicolettas Stimme hatte besänftigend geklungen, als hätte sie ihr Zögern wieder gut machen wollen.
»Ich wünschte, du könntest mitkommen.«
»Ach, Sis, so schlimm wird es schon nicht werden.«
Grace verzog das Gesicht bei der Erinnerung an diesen Satz. Was könnte schlimmstenfalls passieren? Sie hatte keine Antwort darauf. Normalerweise scheute sie vor nichts und niemandem zurück. Dank ihrer Mutter war sie früh zur Selbstständigkeit erzogen, besser gesagt, ins kalte Wasser geschmissen worden. Als alleinerziehende Mutter mit einem verantwortungsvollen Job hieß es schnell, Kind, sieh zu, wie du durch das Haifischbecken namens Leben schwimmst. Was Grace auch irgendwie gelungen war. Jetzt, mit achtundzwanzig, hatte sie beruflich bereits mehr erreicht, als sie sich jemals erhofft hatte, und darauf war sie stolz. Was ihren Vater anging, da lagen die Dinge allerdings anders. Der tiefe Groll der Mutter, nachdem Luigi sie verlassen hatte, färbte mit den Jahren auch auf sie ab. Grace glaubte schon lange nicht mehr an dessen angebliche väterliche Liebe, zumal sich seine Besuche seit der Trennung an einer Hand abzählen ließen und jedes ihrer Telefonate mittlerweile in einem peinlichen Schweigen endete. Ihre Vorstellung vom Leben, ihr Streben nach einer Karriere, ihre Beziehungen, kurz und ohne jegliche Verpflichtungen … alles war ihrem Vater fremd. Miami war ihm fremd. Er lebte in einem Tausend-Seelen-Dorf mit seiner neuen Familie und für die hatte sich Grace, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, nie wirklich interessiert. Warum auch? Ein Schlussstrich war nun mal ein Schlussstrich.
Was bedeutete sie ihrem Vater überhaupt?
Luigi hatte Grace und ihre Mutter im Stich gelassen, da war sie zwölf gewesen.
So einfach war das.
Und diesen stummen Vorwurf schaffte ihre Mutter niemals aus dem Weg. Bis heute nicht. In Jills Augen hatte Luigi sie beide fallen gelassen wie reifes Obst, das danach auf der Wiese vor sich hingammelte. Was ihm schlicht egal gewesen war. Natürlich war ihre Mutter gekränkt gewesen. Wütend. Außer sich. Erst als klar wurde, dass sie sich in Miami sehr wohl ein Leben als Alleinerziehende aufbauen konnte … dass ihre Tochter keine Babysitterin mehr brauchte, und sie beide – Mutter und Tochter – nun tun und lassen konnten, was sie wollten, fiel der Name Luigi immer seltener … bis er beinahe in Vergessenheit geriet.
Ausgerechnet zwei Tage zuvor musste er aus der Versenkung auftauchen, weil Grace zufällig in die Auslage eines Antiquariats sah und dort ein Buch von ihrem Vater entdeckte. Eines über die Nuraghengräber auf Sardinien und deren historische Bedeutung. Warum musste sie genau dort landen?
Grace grummelte vor sich hin, während sie ins Bad ging und die Schminksachen und all den anderen Kram in die Kosmetiktasche packte. Ja, warum hatte sie nicht eine andere Buchhandlung gesucht? Eigentlich hatte sie lediglich überlegt, einen hübschen Bildband über die florentinische Architektur für ihre Mutter zu kaufen. Regelrecht fluchtartig hatte sie das Geschäft verlassen, die Kapuze tief über die Stirn gezogen, als hätte sie etwas Verbotenes gesehen. Das Buch ihres Vaters war ihr jedoch nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wieder so ein Schicksalsding?
Achtlos sammelte Grace heruntergeschmissene Socken und Unterwäsche vom Boden auf. Es bot sich doch an, wenn sie schon mal ganz in der Nähe für Wilton arbeiten würde, so hatte ihr Argument gelautet, als sie ihren Flug in einer mehr als spontanen Laune umgebucht hatte. Jetzt war sie sich längst nicht mehr so sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ja, die Vorstellung stieß ihr sogar heftig auf.
»Ich werde nur ein paar Tage bleiben«, hatte sie Nicoletta während des Telefonats erklärt. »Und mich danach voll und ganz auf den nächsten Auftrag konzentrieren. Anfang des neuen Jahres soll der Spatenstich für das Resort stattfinden.«
»Du musst dir das nicht geben, Grace. Was, wenn er dich gar nicht sehen will?«
Doch da wusste ihr Vater längst Bescheid. Grace kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie keinen Rückzieher machen würde, wenn sie ihren Besuch erst einmal angekündigt hatte. Auch Peter, ihr älterer Kollege, wusste Bescheid, dass er allein im Flieger nach Miami sitzen würde.
Nicoletta hatte ihr noch ein paar Minuten Mut zugesprochen und darauf bestanden, dass Grace sich melden musste, sobald sie angekommen war.
Wie so oft war es Grace schwergefallen, das Gespräch zu beenden. Sie und ihre Freundin waren seit dem Kindergarten ein unzertrennliches Team. Oder sollte sie besser ihr Freund sagen? Denn damals war es noch Nico gewesen, mit dem sie Tür an Tür aufgewachsen war. Nur zu gut erinnerte sich Grace an die Zeit, als Nico mit Vierzehn begann, sich mit ihr zu schminken und ihre Klamotten anziehen zu wollen. Als er plötzlich darauf beharrte, nicht mehr Nicolas, sondern Nicoletta genannt zu werden. Seine, besser gesagt ihre Eltern hatten damit lange zu kämpfen gehabt. Es war für Nicoletta nicht einfach gewesen, ihr Leben komplett auf den Kopf zu stellen. Genauso wenig wie für Grace, plötzlich ohne Vater und mit einer enttäuschten, später vor allem erfolgsorientierten Mutter unter einem Dach zu leben. Wie gut, dass die Haustür der Freundin immer für sie offen gestanden hatte.
Apropos Tür, jetzt hämmerte Peter regelrecht dagegen. »Grace! Ich kenne dich! Du hast bestimmt noch nicht mal fertig gepackt!«
Ups, das stimmte! Peter kannte sie einfach zu gut. »Gib mir noch zwei Minuten! Bitte!«
Hastig schlüpfte sie in ihre bequeme Jeggings, zog den hellgrauen Hoodie mit dem genialen Text von Florence and the machine über das schlichte Langarmshirt und holte Zahnbürste und Schminksachen aus dem Bad. Sie schmiss alles zusammen mit den herum liegenden Klamotten in den Koffer. Beim Schließen fluchte sie nicht sehr damenhaft, weil der Reißverschluss klemmte. Warum nur hatte sie Peter versprochen, ihn mit dem Mietwagen zum Flughafen zu bringen? Ihr eigener Flug ging erst am frühen Abend. Das schlechte Gewissen war schuld. Das ihr manche Kollegen und Kolleginnen in der Branche allerdings glatt absprachen, weil sie sich nach ihrem Abschluss am College so schnell hochgearbeitet hatte. So jung und bereits als leitende Yield Managerin Großprojekte für die weltweit agierende Hotelkette Wilton übernehmen zu dürfen, konnte in deren Augen nur bedeuten, dass sie sich entweder hochgeschlafen hatte oder gewissenlos über Leichen ging. Was in der Hotelbranche leider durchaus notwendig sein konnte.
Mit Schwung und jeder Menge Adrenalin im Blut riss Grace die Zimmertür auf.
»Hilfst du mir mal, Peter?« Entschuldigend zeigte sie auf ihr Gepäck. Zwei bis zum Anschlag gefüllte Koffer, dazu ihre Arbeitsunterlagen samt Laptop, die allerdings noch verstreut auf dem Tisch lagen. Sie zahlte lieber den Übergewichtspreis, als dass sie nicht genügend Auswahl zum Anziehen dabei hatte. Diese Philosophie stammte von ihrer Mutter und hatte sich das eine oder andere Mal durchaus schon als hilfreich erwiesen.
»Du schaffst es einfach nicht, oder?«
»Was?«, fragte Grace scheinheilig, obgleich sie sehr wohl wusste, dass sie Peter nicht zum ersten Mal an den Rand seiner Geduld brachte. Ihr Timing war generell nicht besonders gut, selbst, wenn sie das Handy stellte, um sich ein Zeitlimit zu setzen. Der italienische Hotelmanager hatte ihr die zwölf Minuten Verspätung gleich beim ersten Termin mit einem lässigen Abwinken verziehen. Schließlich wäre man hier in Italien. Als ob damit alles gesagt war. Zum Dank hatte Grace ihm ihr schönstes Verhandlungslächeln geschenkt.
Peter lächelte hingegen eher gequält. Sein Blick blieb kurz an ihrem unordentlichen Haarknoten hängen, aus dem wirr einige schwarze Strähnen heraushingen. Vielleicht auch an dem grau-blauen Lidschatten mit Schimmereffekt, der ihre hellgrauen Augen nicht so farblos wirken ließ, aber womöglich verschmiert war. Beides sah ihr nicht ähnlich, aber die Zeit war ihr sprichwörtlich zwischen den Fingern zerronnen. Entschuldigend deutete sie in Richtung Bad und verschwand, um für ein würdigeres Erscheinungsbild zu sorgen. Als sie zurückkam, sah sie gerade, wie Peter seine Nickelbrille zurechtrückte, ehe er ihre Unterlagen zusammenschob und sie in die dazu gehörenden Mappen steckte. Vorne drauf prangte das Logo der Wilton Kette.
»Wir haben gute Arbeit geleistet, Grace.« Sein Lob kam aus heiterem Himmel, während er den ersten Koffer zur Tür schob.
Sie schnürte gerade ihre bequemen Sneakers zu – die Pumps hatte sie mit einem passenden Seufzer in den Koffer verbannt – und hob überrascht den Kopf. Natürlich hegte Grace einen gewissen Stolz auf ihr erstes großes Projekt. Sie und Peter waren vor Ort dafür zuständig gewesen, ein komplett neues Konzept samt Kalkulation für das alteingesessene Hotel in Florenz auf die Beine zu stellen. Ihr Arbeitgeber erhoffte sich in den kommenden Jahren höhere Buchungszahlen, und die würden sie ihm geben.
»Danke, aus deinem Mund zählt das gleich doppelt.«
»Du machst das auch nicht schlecht mit den Komplimenten«, rief ihr Peter vom Flur aus zu. Dem Geräusch nach zu urteilen, fiel ihm der Koffer allerdings gerade um, denn seinem Lachen folgte ein kurzer Fluch.
»Hast du auch wirklich alles?«, fragte er, als er den zweiten Koffer holte.
Klar, dass Peter das Foppen nicht sein lassen konnte, dachte Grace schmunzelnd. Dazu lieferte sie nun mal die perfekten Steilvorlagen. Bei den letzten Verhandlungen in Vancouver hatte sie nämlich eine kleine Sammlung an Victorias´s Secret Höschen im Bad hängen lassen. Natürlich hatte sie davon abgesehen, dass man sie ihr nachschickte.
Die Zimmertür fiel hinter ihr ins Schloss. »Ja, alles bestens.«
Ein Blick auf ihr Handy zeigte Grace, dass sie lediglich zwanzig Minuten später als geplant aufbrachen. Im Gegensatz zu ihrem Zeitfenster schrumpfte Peters allerdings damit gewaltig, denn sein Flieger ging in etwas mehr als einer Stunde. Bei einem kurzen Seitenblick bemerkte sie einen leichten Schweißfilm auf dessen Stirn, die den zurückweichenden Haaransatz deutlich erkennen ließ.
»Bleib locker, das schaffen wir problemlos.«
»Sagst du, obwohl du keine Ahnung hast, was auf den Straßen von Florenz los ist.«
»Hey, die sind alle noch arbeiten. Und wer nicht arbeitet, der hockt sicher in einem Café oder macht Weihnachtseinkäufe.«
Um Peters Mundwinkel zuckte es. »Ich liebe deinen Optimismus, Grace.«
Wenn sich der nur bei dem Gedanken an ihren Vater auch einstellen würde!
Problemlos fädelte sie sich mit dem schnittigen Alfa Romeo in den Verkehr ein. Viereinhalb Kilometer zeigte der Navi an, das sollte zu schaffen sein. Die Nähe des Hotels zum Flughafen kam ihr jetzt zugute.
Währenddessen wühlte Peter in seinem Rucksack herum. Neugierig warf sie ihm einen Seitenblick zu. »Was vergessen?«, feixte sie schließlich.
»Nein, ich möchte nur alles griffbereit haben. Ich mag es nicht besonders, wenn ich deswegen in Stress gerate.«
»Schon verstanden.« Sie trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, während sie an einer roten Ampel wartete. »Nächstes Mal bin ich pünktlich.«
Natürlich wettete Grace darauf, dass ihr Kollege die Augen verdrehte. Sie an seiner Stelle würde ihr das auch nicht abnehmen. Dementsprechend überraschte sie sein Themenwechsel, als sie gerade von der Autostrada abfuhr.
»Wie lange wirst du bei deinem Vater bleiben?«
»Nur über Weihnachten, wenn überhaupt. Danach warte ich auf dich in Frankenmuth.«
»Du kannst es wohl kaum erwarten, wieder mit mir zusammenzuarbeiten, was?« Peter lachte auf. »Aber jetzt mal im Ernst, wann hast du deinen Vater das letzte Mal besucht?«
»Ähm … vor gefühlt hundert Jahren? Das war nach meinem Highschool-Abschluss.«
»Okay.« Sie spürte Peters Blick auf sich ruhen. »Ich verstehe immer noch nicht, warum du dir nicht ein paar Tage mehr Urlaub gönnen willst. Der Chef hätte dir nach diesem fetten Abschluss sicher länger freigegeben.«
»Er wird froh sein, wenn seine Yield Managerin schnell wieder im Einsatz ist. Ich weiß zufällig, dass unser neues Projekt ebenfalls eine große Sache ist.« Grace gab ihrer Stimme einen bedeutungsvollen Ton, um Peter begreiflich zu machen, wie sehr sie nun mal für ihren Job brannte.
»Ach, um das Resort in dem nordamerikanischen Nest mach dir mal keine Sorgen. Den Job erledigen wir locker in zwei bis drei Wochen.«
»Wie kommst du darauf?«
»Na, weil das Wilton Plus Country Resort die Kassen in dem Ort klingeln lassen wird. Du weißt doch, wie das in der Branche läuft.«
Grace reckte den Kopf, da über ihnen gerade ein großer Flieger gestartet war.
»Mmh, Millionen Gäste besuchen die charmante Kleinstadt wegen ihres bayerischen Flairs. Frankenmuth wurde 1845 vornehmlich von deutschen Immigranten besiedelt. Sie stammten wohl aus einer Region, die sich Franken nannte, wovon sich der Name ableiten lässt.«
Peter gab ein Schnauben von sich. »Oha, da hat aber jemand seine Hausaufgaben gemacht.«
»Warum nicht?« Grace lächelte, während sie den Wegweisern zum Abflugterminal folgte.
»Wenn es dir hilft, bleib ruhig länger bei deinem Vater, Grace. Ich kann die ersten Absprachen mit dem Stadtrat allein führen, das dürfte kein Problem sein. Was verpasst du schon groß?«
»Meine Arbeit natürlich, was sonst?«
Ihre Antwort klang pampiger als beabsichtigt. Bereits Mitte Januar sollte eine erste Personalakquise abgehakt sein, schließlich stand die Bauphase unmittelbar bevor. Warum behauptete Peter also, er bräuchte sie nicht gleich vor Ort? Nur wenig später brachte sie den Wagen zum Stehen.
Für einen Moment ließ ihr Kollege die Hand auf dem Türgriff liegen und wandte den Kopf zu ihr. »Vergiss einfach, was ich gesagt habe, Grace. Wir sehen uns dann zum Meeting in Frankenmuth.«
Verwundert hob Grace eine Augenbraue. Doch Peter hatte es jetzt eilig, sein Gepäck aus dem Auto zu holen. Darum beugte sie sich lediglich auf die Beifahrerseite und winkte ihm kurz zu. Hinter ihr wurde bereits gehupt. Mit gemischten Gefühlen schlängelte sie sich zwischen Bussen, Taxis und wartenden Autos aus der Flughafenzufahrt und suchte nach der Mietwagenabgabe. Sie hatte keine Lust, über Peters Worte länger nachzudenken. Eben noch hatte er sie doch in den höchsten Tönen gelobt, sicher hatte er es nur gut gemeint. Sie drehte das Radio laut auf, weil gerade Easy on me von Adèle lief, und folgte der Beschilderung. Sie sang aus vollem Herzen mit. Singen war ihre große Leidenschaft, darum vermisste sie das Mitwirken in dem renommierten Unichor sehr. Had no time to choose … Grace verstummte. Sie hatte auch nie eine Chance gehabt zu wählen, wie ihre Kindheit aussah. Jetzt allerdings hatte sie die Wahl. Sie allein entschied über ihr Leben. Die Entscheidung, ihren Vater zu besuchen, lag auch in ihrer Hand. Trotzdem sollte sie vielleicht damit beginnen, sich einen Schlachtplan zurechtzulegen. Nur für den Fall, dass bei ihrem Vater alles schief gehen würde. Immerhin lagen fast zehn Jahre zwischen ihrem letzten Zusammentreffen und heute. Was versprach sie sich eigentlich von dem Besuch bei seiner neuen Familie? Würden sie sich überhaupt etwas zu sagen haben?
»Im schlimmsten Fall suche ich mir ein gemütliches Spahotel in Lansing und lasse mich verwöhnen«, murmelte sie vor sich hin und besiegelte ihren Entschluss mit einem Schluck Smoothie, der noch angebrochen in der Mittelkonsole stand. Davon konnte sie nie genug bekommen. Am liebsten mit Avocado und Roter Beete. Zu Hause experimentierte sie mit den verrücktesten Zutaten herum. Dass sie nicht nur lecker, sondern auch gesund waren, brachte den farbenfrohen Shakes einen weiteren Pluspunkt ein.
***
Eingewickelt in den knielangen Mantel und ihren beigen Designerschal von La Strada, einem Reiseandenken aus Italien, stand Grace draußen vor dem Flughafen und wartete darauf, dass man ihr den Mietwagen brachte. Eine klare, kalte Nacht hieß sie in Detroit willkommen, hier war es spürbar kälter als in Florenz. Sie rieb sich die Hände und trippelte hin und her, um die Füße in den dünnen Sneakers warm zu halten. Warum dauerte das nur so ewig? Sie wollte nur noch in ein warmes Bett. Der lange Flug steckte ihr in den Knochen. Dazu die beiden Zwischenstopps mit viel zu viel Wartezeit. Da sie so kurzfristig umgebucht hatte, war sie fast vierundzwanzig Stunden lang unterwegs gewesen. Zum Glück hatte sie wenigstens in Flughafennähe ein Zimmer für die Nacht gefunden. Ihr Blick richtete sich nach oben. Der Himmel trug sein nächtlich dunkles Kleid, hier und da blitzten vereinzelt Sterne auf. Der Nachthimmel faszinierte Grace bereits, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Die unermessliche Weite, in der sie sich so winzig und doch geschützt fühlte. Nichts tat sie bis heute lieber, als in der Nacht ins Meer zu laufen und sich vom Wasser tragen zu lassen … dann, wenn alle Konturen verschwanden … wenn Himmel und Meer ineinander übergingen, als gäbe es den Horizont nicht mehr. Auf einmal ploppte eine Kindheitserinnerung auf. Diese besonderen Abende, an denen sie länger als zu Hause hatte wach bleiben dürfen. Knoblauch und Fettgeruch verband sie damit und die betörende Süße der Blumenmeere. Blühender Oleander, Rhododendron. Dazu die Stimme ihres Vaters, der mit ihr am Strand lag und den Sternbildern einen Namen gab. Sie seufzte tief. Eine ferne Erinnerung. Eine, die sich erst hervorlocken ließ, als Grace unter dem sternklaren Winterhimmel stand. Weil es jetzt kein Entkommen mehr gab.
Es hatte auch gute Zeiten gegeben. Ferien, die sie mit ihren Eltern vor allem auf Sardinien, der Heimat ihres Vaters, verbracht hatte. Da gab es die Nonna, die Grace nur damit verband, dass diese sie zur Begrüßung jedes Mal an ihre umfangreiche Brust gedrückt hatte, ansonsten Strenge ausstrahlte und den ganzen Tag in der Küche stand. Außerdem gab es zahlreiche Cousinen und Cousins, die sie, die Amerikanerin, immer seltsam beäugt hatten. Deren Spiele waren Grace fremd gewesen, selbst deren Lachen hatte sich anders angehört. Zumindest verstand sie dank ihres Vaters recht passabel Italienisch. Ihm hatte sie auch die schwarzen glatten Haare zu verdanken, die ihr leicht gewellt über die Schulter fielen, und die schnell bräunende Haut, dank der sie in Florenz sogar ein paar Mal für eine Italienerin gehalten worden war. Lediglich ihre überraschend hellen Augen verrieten sie, denn diese hatte sie eindeutig von ihrer Mutter. Hellgrau. Allerweltsaugen. Grace dachte daran, dass ihr Vater sie oft in düstere Kirchen mitgenommen hatte. Eine willkommene Abkühlung an heißen Sommertagen. Er hatte sie auf die höchsten Burgen getragen, um ihr sein Sardinien zu zeigen. Als Kind war es Grace nicht seltsam vorgekommen, dass ihre Mutter bei den Ausflügen selten dabei gewesen war. Sie hatte die meiste Zeit über im abgedunkelten Schlafzimmer gelegen und angeblich die Hitze nicht vertragen. Ihre Mutter und Sardinien waren nie wirklich Freunde geworden. Seltsam, dachte Grace, dass ihr Vater letztlich in Michigan gelandet war, wo er die Insel so sehr liebte. Sie hatte ihn nie danach gefragt. Nicht einmal, als er heiratete und eine neue Familie gründete.
Sie seufzte. Wann hatte es begonnen, dass sie all die schönen Erinnerungen vergaß? Wie unliebsame Abziehbilder, die nicht mehr im Album klebten, hatte sie diese aus ihrem Kopf verdrängt. Verdrängt von der grellen Sonne Floridas, der Multikultur, die stets bunt und laut war. Überschattet von den boshaften Tiraden über den Vater.
Sie liebte ihren Vater.
Wie ein kleines Kind seinen Vater eben liebte.
Und sie tat es noch heute, achtundzwanzig Jahre später.
Nur darum würde sie sich am nächsten Morgen auf den Weg nach Davison zum Haus ihres Vaters machen.
2. Kapitel
NOAH
Wenn du etwas in der Welt verändern willst, dann beginne im Kleinen und nähere dich Schritt für Schritt deinem größten Gegner.
»Das wars dann wohl.« Noah schmiss seine Jutetasche in die Ecke und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
Sein WG-Mitbewohner sah nur kurz von seinen Ordnern auf, die sich vor ihm auf dem Küchentisch stapelten. »Ist es so mies gelaufen?«
»Schlimmer als mies!« Am liebsten hätte er seinen Frust jetzt bei Frank abgeladen, doch der steckte mitten in irgendwelchen Prozessvorbereitungen und war deshalb gerade kein guter Zuhörer. Also musste das Bier herhalten. Er trank es in schnellen Schlucken und nahm sich gleich darauf ein zweites.
»Ich würde zu gern mal in der obersten Etage bei Wilton sitzen und den feinen Herren und Damen was von Nachhaltigkeit erzählen.«
Frank prustete los, als hätte er einen guten Witz vom Stapel gelassen. »Wetten, du kämst nicht weiter als bis zum Empfang?«
»Danke aber auch, das ist sehr motivierend.«
»Schon kapiert.« Er blätterte in einem dicken Gesetzbuch. »Aber wenn es dir hilft, ich vertrete dich und deine Interessen auch gegen die von ganz da oben.«
Damit schaffte er es, Noah das erste Lächeln an diesem Tag zu entlocken. »Dann musst du aber erst mal raus aus deiner kleinen Kanzlei. Mit Familienrecht kommst du in dem Fall nicht weit.«
»Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert.« Mit diesen Worten versank der Kopf mit den kurzen roten Haaren wieder in den Ordnern.
Wie recht sein Mitbewohner hatte. Im Grunde tat Noah alles in seiner Macht Stehende, das wusste er. Er wusste auch, dass er jetzt abwarten musste. Wenn er heute auch nur den einen oder anderen Besucher der Bürgerversammlung dazu bewegen konnte, über umweltverträgliches Bauen, über Müllberge, die die Hotels Tag für Tag produzierten, oder über sein eigenes ressourcenschonendes Projekt nachzudenken, war das nicht so etwas wie ein Sieg im Kleinen? Die USA waren weltweit führend im Verbrauch von Plastik, und dazu trug auch die Hotelbranche bei. Wegwerfgeschirr beim Frühstück in den Motels, Plastikflaschen auf den Tischen der Konferenzräume, der selbstverständliche Coffee-to-go Becher … er hätte endlos Beispiele aufführen können. Als er während seiner Rede in Muriels Gesicht und dem ihrer Eltern Zustimmung erkannt hatte, da sie ganz in der Nähe der Bühne gestanden hatten, war er einfach nur dankbar gewesen. Aber reichte das? Im Moment fühlte es sich eher wie ein Kampf à la David gegen Goliath an.
Im Grunde brachte Noah nichts so schnell aus der Fassung. Als er jedoch vor ein paar Wochen – in seinen Augen viel zu spät - von den Plänen der Wilton Hotelkette erfuhr, war die Standortprüfung längst abgeschlossen und das maßgeschneiderte Konzept lag auf dem Tisch der Bürgermeisterin. Es war der Moment, als ihm endgültig der Geduldsfaden riss. Die Stadt hatte ihm das Gebiet für sein Projekt zugesichert. Auf einmal hieß es von Bürgermeisterin Ickerman, man wäre mit ihm lediglich im Gespräch gewesen. Eine schriftliche Zusage gäbe es schließlich noch nicht. Und außerdem wäre er noch nicht einmal mit seinem Architekturstudium fertig. Wie naiv er gewesen war. Da dachte er, dass er als Bürger der Stadt sozusagen die erste Wahl sein müsste, wenn es um neue touristische Bauvorhaben ginge und dazu noch ressourcenschonende, doch heute war er eines Besseren belehrt worden. Geld regierte nun mal die Stadt, besser gesagt die ganze Welt. Und davon hatte er die Nase gestrichen voll. Keinesfalls hatte er den Hintern hochbekommen und neben seiner Arbeit als Holzfäller noch ein Fernstudium in Architektur draufgelegt, um später einen Hotelklotz nach dem anderen zu entwerfen. Der Öko-Ferienpark im naturnahen Blockhausambiente war sein Abschlussprojekt und zählte zum Herzstück seines gesamten Studiums. In seiner Vision ging es darum, ökologische Nachhaltigkeit auch in der Bauwirtschaft umzusetzen, Bauwerke in die Landschaft einzupassen und sie nicht herausstechen zu lassen, und an vorderster Stelle natürlich die Natur zu schonen.
Wollt ihr wirklich, dass sich immer mehr große Hotelketten in unserem Ort breit machen? Wisst ihr überhaupt, wie viel natürliche Grünfläche für das neue Resort versiegelt werden wird? Und erst die Berge an Müll? Kümmert das die Gäste oder gar die Hotelbesitzer? Mit Engelszungen redete er auf die Einwohner ein. Die Jungen lachten, sie warfen ihre Kippen vor seinen Augen auf den Boden, traten sie mit dem Schuh aus und tauschten sich in aller Seelenruhe über die neueste Staffel von Jack Reacher aus. Bei der heutigen Bürgerversammlung in der Stadthalle hatte Noah dann seine große Chance gesehen. Er war einer der letzten Redner gewesen. Nachdem die Bürgermeisterin sowie etliche angesehene Gemeindemitglieder von den Vorzügen sprachen, die ein Wilton Hotel mit sich brachte – nämlich noch mehr und vor allem noch mehr betuchte Gäste – war Noahs Stand kein einfacher. Hinzu kam seine Nervosität, die er nicht immer im Griff hatte, wenn er vor einer größeren Gruppe sprechen musste. Das kannte er seit dem ersten Referat in der Schule und es begleitete ihn bis heute. Schwitzige Hände, ein nervöser Magen, noch viel schlimmer waren das Verhaspeln oder komplette Aussetzer im Text. Er war als Junge schnell in die Höhe geschossen und hatte immer versucht, sich kleiner zu machen als er war. Das hatte eine Unsicherheit nach sich gezogen, die ihn einige Schuljahre einsam hatte sein lassen. Die Einsamkeit war längst Vergangenheit und mit seinen Einsachtundachtzig kam er bestens klar, nur die leichte Panik vor Publikum war ihm geblieben. Alles in allem hatte er sich heute dennoch tapfer geschlagen. Die Resonanz hingegen war ernüchternd.
Was kümmert es mich, ob die beim Frühstück ihre Erdnussbutter in Plastikschälchen bekommen oder nicht, hatte der alte Palmer eingeworfen, nachdem Noah anhand einer Statistik den Anstieg des Plastikmülls aufgezeigt hatte. Seine Argumente für nachhaltige Konzepte stießen auf taube Ohren. Frankenmuth lebte vom Tourismus. Es war die Haupteinnahmequelle und viele Arbeitsplätze hingen daran. Trotzdem forderte Noah am Ende dazu auf, sich gemeinsam den ersten Baggern in den Weg zu stellen. Allein das Wort ‚Demonstration‘ rief heftige Gegenwehr hervor. Du hast nur Schiss vor der Konkurrenz, rief irgendwer. Er konnte den Rufenden nicht sofort ausmachen, war sich jedoch sicher, dass es einer seiner früheren Holzfällerkumpels gewesen war. Manch einer aus der Truppe hielt ihn für einen Snob, weil er ein Studierter werden wollte. Sollen wir dich dann etwa mit Herr Doktor anreden, oder was?, hatten sie anfangs gefeixt. Leider verbrachte er immer weniger Zeit mit ihnen und dafür mehr an seinem Schreibtisch, hatte die Motorsäge gegen den Bleistift eingetauscht. Und leider hatte der anonyme Rufer durchaus recht. Natürlich sah Noah sein Projekt den Bach runter gehen. Eine Ferienanlage, die aus unterschiedlich großen Blockhäusern bestehen würde, eingebettet in die vorhandene Natur, machte keinen großen Staat, wenn es darum ging, schnelles Geld in die Kassen zu bekommen. Er dachte weiter … zukunftsorientierter. Nur wollte ihm keiner zuhören. Nicht seine Mitbürger, denen es gut ging, weil ihre Stadt mitten in Michigan nun mal ein Touristenmagnet war. Little Bavaria, nannte sie sich, und die Besucher fielen in Scharen ein. An jeder Ecke blieben sie stehen und schossen Millionen von Fotos von den Häusern, die Ähnlichkeit mit bayerischen Städten hatten und deutsche Namen trugen.
Frustriert zog er sich den Strickpullover über den Kopf und schob sich eine hellblonde Strähne, die sich aus dem geflochtenen Zopf gelöst hatte, hinter das Ohr. Wenn nur sein Großvater noch leben würde. Er hatte stets große Stücke auf seinen Enkel gesetzt, und dessen Stimme hatte besonders bei den Alten Einfluss gehabt. Sein eigener Vater hingegen hielt Noahs Ideen für unrealistisch. Ein Holzfäller bleibt ein Holzfäller, behauptete er. Und dass er sich mit den kleinen Hütten, die ihre Familie vermietete, zufrieden geben sollte. Er hielt mit seinen Zweifeln nie hinter dem Berg, was Noah im Normalfall nur noch mehr anspornte.
Zwei Tage nach Christmas Day war ein Treffen vom Stadtrat mit den zuständigen Managern von Wilton vorgesehen. Schon im Januar war der Spatenstich geplant. So viel hatte Noah in Erfahrung bringen können. In seinem Kopf arbeitete es. Wenn er eine Demonstration auf die Beine stellen wollte, brauchte er unbedingt die Leute von Go for Earth. Diejenigen, die bereit waren, auf die Straße zu gehen und für die Zukunft des Planeten laut zu werden. Darum machte er seit über zwei Jahren in der Gruppe mit. Die regelmäßigen Treffen der Naturschutzgruppe in Saginaw waren für ihn zu so etwas wie einem Rettungsanker geworden. Ein Austausch auf Augenhöhe. Seit Kurzem gehörte auch Muriel dazu. Entschlossen fischte Noah sein Handy aus der Hosentasche und schrieb seiner Freundin aus Kindertagen eine Nachricht. Muriel war eine der wenigen, die sein Blockhausprojekt von Anfang an unterstützt hatten. Er brauchte jetzt dringend ein paar motivierende Worte.
Noah: Habe ich schon verloren, bevor es anfängt?
Muriel: Verdammt, nein, du warst brillant. Lass dich nicht von der Ickerman und all den Ignoranten klein kriegen. Ich glaube an dich!!!!
Noah: Danke, du bist die Beste.
Muriel: Wenn du magst, komme ich noch vorbei.
Noah: Hab schon zu viel getrunken, das wäre nicht gut.
Muriel: Warum????
Noah: Du weißt, warum.
Muriel: Und wenn es mir gefällt, so, wie es läuft?
Noah: Das wäre nicht fair. Ich möchte unsere Freundschaft nicht kaputt machen. Ich brauchte nur ein paar Streicheleinheiten *grins*
Muriel: Die kannst du auch in echt haben!
Noah: Lass das! Wir hatten das doch geklärt!
Muriel: Du hast das geklärt.
Noah: … ich war einfach nur ehrlich.
Muriel: Ja, und dafür liebe ich dich unter anderem.
Frustriert ließ Noah das Handy aufs Bett fallen. Eines der bunten Kissen vom letzten Flohmarktbesuch rutschte dabei aus dem Kissenberg auf den Boden. Wenn Muriel doch endlich begreifen würde, dass er nicht auf sie stand. Nicht so, wie sie es sich erhoffte. Keine Frage, sie war aufgeweckt, kannte ihn besser als irgendwer sonst und sie brachte ihn oft zum Lachen. Aber wenn das Liebe sein sollte, dann war ihm das zu wenig. Die innere Unruhe trieb ihn wieder vom Bett weg. Er hob das Kissen auf und drückte es an sich. Die Hälfte seiner Wohnungseinrichtung stammte von Flohmärkten und aus Second Hand Läden. Er mochte es, auf Entdeckungstour zu gehen und ungeahnte Schätze von dort mit nach Hause zu bringen. Es fühlte sich jedes Mal nach kleinen Siegen an, denn er schonte damit immerhin die Ressourcen.
Mit wenigen Schritten erreichte er die Balkontür, zog sie auf und stellte sich nach draußen. Es war eisig heute Nacht. Sein Atem hinterließ kleine Wölkchen. Nur noch wenige Autos waren unterwegs, die Touristen saßen jetzt in den bayerischen Gasthäusern oder in ihren Hotels. Ihre Rufe und ihr Lachen drangen kaum durch die geschlossenen Fenster nach draußen. Der Wind strich durch die Bäume. Irgendwo in der Nähe klapperte ein Schild. Noah reckte den Kopf in Richtung Himmel. Normalerweise konnte er ewig die Sterne betrachten und sich dabei vorstellen, wie der Himmel wohl aussah, wenn er wieder woanders wäre. Zum Beispiel in Neuseeland oder am Strand von Gibraltar. An beiden Orten war er bereits gewesen. Ein Jahr nach seinem Schulabschluss hatte er erst Europa, dann Neuseeland als Backpacker bereist. Heute fand er allerdings nicht die nötige Ruhe. Nur noch wenige Tage blieben ihm, um eine Strategie zu entwickeln, wie er den Bau des Resorts noch verhindern konnte. Dabei hörte er die Stimme seines Vaters in seinem Ohr. Du bist und bleibst ein Träumer, würde er sagen, und ihm damit leider keine große Hilfe sein.
3. Kapitel
GRACE
Familie kann so vielseitig sein und bedeutet in erster Linie, dass dort Menschen zusammenkommen und den Alltag gemeinsam gestalten.
»Mamma mia, du bist ja erwachsen geworden!«
Ihr Vater stand in der geöffneten Tür. Die vollgestopften Taschen seiner olivgrünen Weste ließen ihn dicker aussehen, als Grace ihn in Erinnerung hatte. Er lachte und zeigte dabei seine Zähne. Sie waren gelb vom Rauchen. Daran änderte sich wohl nichts mehr. Allerhöchstens die Nuance von Gelb. Möglicherweise hatte sie an Intensität zugenommen.
»Na hör mal, meinst du, die Zeit bleibt einfach stehen?«
»Warum nicht, dann könnte ich dich immer noch wie mein kleines Mädchen in die Luft werfen.«
Grace fiel automatisch in das Lachen mit ein, obwohl sich die Vorstellung vollkommen falsch anfühlte. »Dafür sind jetzt wohl meine Stiefgeschwister da.«
Er stöhnte. »Auch sie werden viel zu schnell groß.«
»Ach, Dad, jetzt übertreibst du aber.«
Es war seltsam, dieses Wort nicht nur zu denken, sondern auch auszusprechen.
Seltsam wie so vieles.
Zum Beispiel, dass sie immer noch an der Tür standen und sich beäugten. Eine eher unscheinbare Tür, die zu einem dieser weißen, in die Breite gezogenen Bungalows gehörte, die sie reihum entdeckt hatte. Die Grundstücke waren meistens sehr groß, auch das ihres Vaters, umgeben von gepflegtem Rasen und ein paar Bäumen.
Ihr Herz schlug schnell, legte Zeugnis ab von ihrer Nervosität. Deswegen deutete sie ins Innere des Hauses. »Möchtest du mich nicht hereinbitten?«
Er nickte, machte allerdings keine Anstalten, den Weg frei zu geben. Langsam zog die Kälte an ihren Beinen hoch. Eine Kälte, auf die sie hätte vorbereitet sein sollen. Sie hatte sich heute früh für den gerippten Maxi-Strickrock in Anthrazit entschieden und bedauerte dies bereits. In Michigan herrschte nämlich längst Winter.
»Ich habe mir einen Moment allein mit dir gewünscht, ehe sich alle auf dich stürzen.«
Grace zog die Brauen hoch. »Oha, das klingt gefährlich.«
»Oh ja, und wie.« Er zwinkerte ihr zu. Dann griff er hinter sich und hielt kurz darauf eine dunkelbraune, leicht abgewetzte Winterjacke in der Hand. »Komm, lass uns noch ein paar Schritte gehen.«
Im ersten Moment wollte Grace einfach nur ins Warme und sich am liebsten an ihm vorbeidrängen. Als sie jedoch den bittenden Ausdruck in seinem Gesicht sah, nickte sie. »In Ordnung.«
»Du und ich«, begann ihr Vater. »Nach so langer Zeit, es ist egoistisch, ich weiß, aber Lucia versteht es. Lass dich mal ansehen.« Er lief in einem großen Bogen um sie herum. »Du bist so …«
»Erwachsen, Dad?«, half sie ihm auf die Sprünge, als er nichts sagte und die Auffahrt in Richtung Straße lief.
»Das auch, aber irgendwie ähnelst du deiner Mutter immer mehr.«
»Das kann gar nicht sein. Jeder sagt, ich komme nach dir. Sieh mich bloß an, schwarze Haare, dazu mein Hautton …«
»Das meine ich gar nicht«, sagte ihr Vater. »Es ist mehr deine Haltung, die Mimik. Ich sehe dir die Wut an, die du versuchst zu unterdrücken. So hat es Jill auch immer gemacht. Sie hat nie laut ausgesprochen, was ihr nicht gefiel, sondern es mich anders spüren lassen.«
»Wow.« Grace blieb abrupt stehen und starrte Luigi finster an. »Willst du mir damit sagen, dass ich besser nicht hätte kommen sollen? Ich denke doch, ich habe jedes Recht dazu, sauer auf dich zu sein.«
»So war das nicht gemeint, Grace. Es ist mir einfach so herausgerutscht. Weil du und ich … ich fürchte, deine Mutter hat viel dafür getan, damit du wütend auf mich bist. Darum war ich auch so überrascht, als du deinen Besuch angekündigt hast.«
Die Kälte von außen war eine andere als diejenige, die sie jetzt im Inneren verspürte. War es ein Fehler gewesen hierherzukommen? Sollte sie besser gleich wieder in den Wagen steigen und diese ganze Familiensache auf sich beruhen lassen? Es abhaken und das wars dann? Ein für alle Mal?
Unverhofft griff Luigi nach ihren Händen. »Du bist hier jederzeit willkommen, du bist schließlich meine Tochter. Lass uns einfach einen Cut machen und von vorn anfangen.« Seine Stimme klang ein wenig kratzig. Womöglich schwang eine Spur Verzweiflung darin mit.
»Das sagt sich so leicht«, erwiderte Grace. »Setze einen Punkt hinter die Vergangenheit und alles wird gut. Das ist ein typischer Therapeutenspruch. Die Vergangenheit ist ein Teil von mir, Dad. Die vaterlose Zeit, die Sehnsucht, ja, genauso wie die Wut auf dich. Da brauchte Mum nicht viel zu tun, ich war oft wütend und traurig und verzweifelt. Warum hast du dich so selten gemeldet? War ich dir so egal?«
Sie standen neben einer Einfahrt, in die gerade ein schwarzer Van einlenkte. Der Fahrer hupte. Das Seitenfenster wurde heruntergekurbelt. Eine junge Frau, die sichtlich schwanger war, winkte.
»Huhu, Luigi, willst du zu uns? Wir waren gerade im Baumarkt. Dave baut heute das Kinderbettchen auf. Ist das nicht aufregend? Wen hast du denn da bei dir? Hi, ich kenne dich gar nicht, ich bin Nancy, die Nachbarin.«
Die Frau hatte ohne Atem zu holen geredet und dabei auch noch gelächelt. Ihre gute Laune war geradezu ansteckend.
»Ähm ich … das ist …«, stammelte ihr Vater, als müsste er nach ihrer Anklage erst wieder seine Gedanken sortieren.
»Hi, ich bin Grace, seine Tochter aus erster Ehe«, fiel sie ihm darum ins Wort. Sie konnte nicht anders, als froh über diese Ablenkung zu sein.
Geradezu erfrischend fröhlich stieg die Frau aus dem Wagen und blieb bei ihnen stehen. »Willkommen, Grace. Die beiden haben gar nicht erzählt, dass du kommst.« Sie deutete mit dem Kopf zum Bungalow ihres Vaters.
»Ach, das war recht kurzfristig, ich habe geschäftlich in der Nähe zu tun.«
Nancy riss die Augen überrascht auf. »Noch so kurz vor Weihnachten? Also Dave, mein Mann, hat zum Glück schon frei. Wir erwarten in den nächsten zwei Wochen unser Baby.« Wie aufs Stichwort strich sie zärtlich über ihren gerundeten Bauch.
Grace lächelte. »Das sieht man, Gratulation.«
»Wie lange bleibst du? Ihr müsst unbedingt vorbei schauen. Hast du gehört, Luigi, das ist eine offizielle Einladung. Ich habe gerade eine neue Chai-Tee-Mischung gefunden, die müsst ihr probieren.«
Ihr Vater sah hilfesuchend von Nancy zu ihr.
»Wir kommen gern, danke. Aber jetzt drehen wir unsere kleine Runde weiter.« Sie hakte sich bei Luigi unter und zog ihn mit sich. »Bis die Tage, Nancy.«
»Ich freue mich, ich bin ja so gespannt, dich kennenzulernen.«
»Tut mir leid, dass Nancy dich so überfahren hat, sie kann ein wenig anstrengend sein«, sagte ihr Vater, nachdem sie außer Hörweite waren.
»Ach, ich finde sie nett.«
»Das schon, aber du warst noch nicht bei ihr zu Hause. Alles ist nach Feng-Shui-Art eingerichtet, überall riecht es aus Duftlampen. Und die Musik, die die beiden hören, ist so gar nicht meine.«
Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn.
»Also jetzt hast du mich erst recht neugierig gemacht. Lass uns unbedingt dort vorbeischauen.«
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Mülltonnen reihten sich wie Perlen an einer Schnur auf dem Gehweg aneinander. Grace nahm die Häuser rechts und links wahr. Vor den Garagen standen vor allem Pick-ups und große Vans für Familien. Bunte Lichterketten hingen in den Bäumen, fast jeden Rasen schmückten eine oder mehrere weihnachtliche Figuren, die darauf warteten, dass es Abend wurde. Rentiere … der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten … eine Gruppe Rehe. Sogar ein paar Engel entdeckte sie. Wie überall war sich niemand an Weihnachten zu schade, sein Haus möglichst auffällig zu schmücken. Je kitschiger und bunter, desto besser. Sie merkte, dass ihre Wut inzwischen verflogen war. Sie hatte Platz für ein wehmütiges Gefühl gemacht. Hier lebten sicher viele Familien. Familien wie die von Luigi.
»Ich bin übrigens nicht der Einzige, der aufgeregt ist.« Ihr Vater brach das Schweigen. »Alle sind ganz aus dem Häuschen wegen deines Besuchs. Lucia backt seit heute früh Brote und die Kleinen helfen dabei, so gut es geht, mit. Was allerdings meistens damit endet, dass die Spuren ihrer mehligen Hände überall zu finden sind.«
»Ach ja, die Kleinen«, sagte Grace leichthin, verspürte aber dennoch einen Stich in ihrem Herzen. Nach der Trennung von Mum hatte sich Luigi lange nicht mehr auf eine Frau eingelassen. Zu viel Arbeit, hatte er bei den seltenen Telefonaten behauptet. Dann war Lucia aufgetaucht. Eine Frau aus dem Nachbardorf auf Sardinien, die lange in Spanien gelebt hatte und nach einer gescheiterten Ehe wieder zurück in die Heimat gekommen war. Er hatte sie bei einem seiner Besuche kennengelernt und sie war ihm glatt nach Amerika gefolgt. Die fünfjährigen Zwillinge waren das Ergebnis einer neu entfachten Liebe. Grace kannte ihre Halbgeschwister bisher nicht. Sie hatte sie nicht einmal auf dem Schirm gehabt, als sie überlegt hatte, hierher zu fahren. Jetzt würde sie also vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
»Wie sind sie sonst so, die beiden, wenn sie nicht gerade Küchengehilfen sein wollen?« Interessierte es sie wirklich oder wollte sie nur höflich sein? Graces Blick fiel auf Luigis Profil. Entspannte Gesichtszüge. Ein erster grauer Haaransatz. Noch kaum Falten, lediglich rund um die Augen. Ihr Vater sah glücklich aus, das musste sie sich wohl oder übel eingestehen. Allein schon deswegen beschloss sie, der neuen Familie ihres Vaters auf jeden Fall eine Chance zu geben.
»Manolo hat es faustdick hinter den Ohren, der kann jeden mit seinem Blick um den Finger wickeln. Also pass gut auf! Und Senta? La mia piccola carina, sie ist eher schüchtern, aber dafür sehr schlau. Sie kann schon lesen, stell dir das mal vor. Noch nicht mal in der Schule und schon so eifrig am Lernen.«
Ein Laster ratterte lautstark an ihnen vorbei und ließ Grace zusammenzucken.
»Wie war ich mit fünf?«
»Du?« Ihr Vater wirkte überrascht und blickte sie aus seinen großen, braunen Augen an. An die Augen erinnerte sich Grace am meisten. Es lag ein warmes Lächeln in ihnen, das die Lachfältchen an den Seiten noch unterstrich. Wenn sie tief in den Erinnerungen grub, dann gab es eine Zeit, in der sie sich gern in die Arme ihres Dads geflüchtet hatte.
»Du hattest immer Sorge, dich schmutzig zu machen.«
»Ja«, Grace lachte auf, »Mum hat mich in die entsetzlichsten Kleider gesteckt, das weiß ich noch. Und wehe, ich hätte die dreckig gemacht.«
»Dabei bin ich mir sicher, du wolltest lieber auf Bäume klettern oder Sandburgen bauen.« Luigis Stimme klang auf einmal ernster. »Wenn wir in meiner Heimat Urlaub machten, hast du jedenfalls jede Minute im Freien verbracht.«
Sie kniff die Augen zusammen. Diese Information befremdete Grace. Sie sah sich nur in diesen Rüschenkleidern, in teurer Designermode, aber das kleine Mädchen, das die Natur liebte, es war ihr wohl entglitten. Irgendwo verloren gegangen in den ewigen Streitereien der Eltern. Weil sie unterschiedliche Vorstellungen vom Leben … von einem gemeinsamen Leben hatten. Am Ende war Grace froh gewesen, als die Trennung gekommen war. Daran erinnerte sie sich noch genau. Für sie als Teenager gab es damals schließlich nichts Besseres, als hip zu sein, stylishe Klamotten zu tragen und sich wie ein Filmstar zu schminken.
»Ich freue mich auf Senta und Manolo«, sagte sie und meinte es in dem Moment genauso. »Aber ich wollte nicht, dass ihr wegen mir Stress bekommt.«
»No, no!«, Ihr Vater wirkte überrascht. »Das ist Ausdruck unserer Freude. Wenn es einen Grund zum Feiern gibt, dann kommen alle zusammen. Immer! Das ist Tradition bei uns. Und dein Besuch ist noch ein Grund mehr zum Feiern!«
Die bewegte Stimme ihres Vaters, seine Unsicherheit, die er mit Gesten und Reden zu überspielen versuchte, lösten in ihr unerwartete Schuldgefühle aus. Konnte man binnen weniger als einer Viertelstunde – mehr Zeit war noch nicht vergangen, seit sie vor der Tür gestanden und geklingelt hatte – unzählige Emotionen durchlaufen? Freude, Wut, Traurigkeit und jetzt auch noch Scham? Luigi war ihr Vater, den sie einfach aus ihrem Leben gestrichen hatte. Aus Loyalität zu ihrer Mutter. Oder aus Feigheit. Oder aus beiden Gründen zusammen.
»Na dann, danke«, sagte sie knapp. Die unerwartete Herzlichkeit schnürte Grace fast die Luft ab. In unzähligen Varianten hatte sie sich das Wiedersehen mit ihrem Vater in den vergangenen Tagen ausgemalt, seit sie beschlossen hatte, ihn zu kontaktieren. Von der Sorge, sie hätten sich nichts zu sagen, über ein verkrampftes Zusammensitzen und gute Miene machen, bis hin zu der leisen Hoffnung, Luigi auf Augenhöhe und ohne Vorbehalte begegnen zu können. Eine derart herzliche Aufnahme hätte sie sich niemals vorstellen können.
»Du bist genau im richtigen Moment gekommen, Grace. Weihnachten feiern unsere Familien immer gemeinsam. Isabella und ihre Kinder sind extra einen Tag früher angereist. Außerdem hast du großes Glück, denn dieses Jahr konnte Rosalia den guten Antonio sogar dazu überreden, zu uns zu kommen. Vielleicht weißt du noch, dass er es hasst, in ein Flugzeug zu steigen. Darum sind wir über die Weihnachtstage meistens in Italien.«
»Das wusste ich nicht«, sagte Grace.
An ihre Tante, die ältere Schwester ihres Vaters, hatte sie nur eine vage Erinnerung. Rosalia hatte aus beruflichen Gründen eine Weile in Mailand gelebt, einen Banker geheiratet und entsprach dem Bild einer Bankersgattin, die viel auf Etikette gab. Die wenigen Male, die Grace sie in den Ferien erlebt hatte, hatten sie damals das Fürchten gelernt. Sich schmutzig an den Tisch zu setzen, war ein No Go gewesen. Genauso wie Dreck unter den Nägeln oder ein Riss in der Hose, weil man beim Klettern nicht aufgepasst hatte. Zum Glück gab es da noch Tante Isabella, Luigis jüngere Schwester. Isabella war in ihrer Mutterrolle mit fünf Kindern vollkommen aufgegangen und hatte selten geschimpft. Auch daran erinnerte sich Grace noch, wenn sie sich in der Rückschau nicht täuschte.
»Sicher freuen sich die Kinder schon auf Weihnachten, oder?«
Im Gesicht ihres Vaters ging förmlich die Sonne auf. »Ah, du wirst es bestimmt lieben!« Er drehte den Kopf in ihre Richtung. »Du bleibst doch so lange, oder? Die presepe, die Weihnachtskrippe, nimmt das halbe Wohnzimmer ein. Lucia und ich übertreffen uns jedes Jahr immer wieder selbst. Jeder Besuch bestaunt sie. Dafür müssen wir den Baum in den Garten verbannen. Aber du wirst es gleich mit eigenen Augen sehen.«
»Eine Krippe, also.« Grace pulte Dreck unter dem Fingernagel weg.
Weihnachten.
Das Fest der Liebe.
Das Fest für die Familie.
Wenn sie die Augen schloss, dann dachte sie dabei an ein Haus, das gerade mit dem Nötigsten geschmückt war, um nicht ganz aus dem Rahmen zu fallen. Einen Weihnachtsbaum hatten sie und ihre Mutter schon lange nicht mehr aufgestellt. Wozu auch, wenn ihre Mum meistens verreiste, und sie mit Nicoletta und ihrer Clique abends in die Klubs zog. Miami selbst war wie ein großes Weihnachtspaket, verpackt in Plüsch und Kitsch, dazu Weihnachtsmusik an jeder Straßenecke.
»Und wer bringt bei euch die Geschenke? Auch Santa Claus oder der italienische Weihnachtsmann?«
»Dieser heißt babbo natale und er kommt in Italien zu den Kindern. Hier dürfen die Kinder ganz mit der amerikanischen Weihnachtstradition leben. Aber ein bisschen Heimat bewahren wir uns trotzdem. Am Abend kommen wir alle im Garten zusammen, es gibt Wein und frische Panettone, für die Kinder jede Menge Plätzchen. Wir singen Lieder und gehen natürlich in die Kirche.«
»Das klingt … interessant«, behauptete Grace, während sie versuchte, sich ihre große, italienische Familie vorzustellen. Auf was würde sie sich da nur einlassen? »Ich bin wirklich sehr gespannt.«
»Perfetto.«
Kurze Zeit später kehrten sie zurück, und Luigi führte sie zur Haustür.
»Komm, zieh den Mantel aus. Hänge ihn einfach irgendwohin, wo Platz ist«, sagte er, nachdem er aufgeschlossen hatte. In den Raum hinein rief er: »Grace ist da!«
Mit einem schnellen Blick erfasste Grace das Chaos an der überfüllten Garderobe. Kinderanoraks, Jacken, Mäntel, sogar Taschen hingen auf den wenigen Haken. Darunter haufenweise Schuhe. Puppengroße Stiefel, Männerboots, schicke Damenhalbschuhe. Hier schien sich niemand wirklich die Mühe zu machen aufzuräumen. Ähnlich ging es weiter. Auf einem weißen, halbhohen Schrank lagen Schlüssel, Papiere, eine geöffnete Handtasche, bunte Kinderhandschuhe. Ein Blick in das offenstehende Zimmer vor ihnen ließ Grace vermuten, dass dieses zwar aufgrund des Schreibtischs und unzähliger Bücher als Arbeitszimmer genutzt wurde, es beherbergte allerdings gleichzeitig große Reisekoffer, etliche Kisten und ein Fitnessgerät. Puh, wie man in so einem Durcheinander leben konnte? Grace dachte an ihre Wohnung. Je weniger bei ihr herumlag, desto wohler fühlte sie sich. Nur ein Buch auf dem Tisch, dazu eine Vase mit Blumen, sollte sie welche von einem Verehrer, einer ihrer kurzen Beziehungen geschenkt bekommen.
»Na los.« Übertrieben fröhlich legte ihr Vater den Arm über ihre Schulter. »Ich zeige dir das Haus.«
Sie waren noch nicht weit gekommen, da kamen zwei kreischende Wirbelwinde auf sie zugerannt.
»Grace ist da! Grace ist da!«, rief ein kleiner Junge mit schwarzen Locken und dunklen Augen, die vor Freude regelrecht leuchteten.
Das Mädchen starrte sie musternd an, während der Junge an ihrem Rock herumzupfte. »Komm, ich will dir mein Kinderzimmer zeigen.«
Grace kniete sich vor die Kinder. »Hallo Manolo, hallo Senta, ich freue mich, euch kennenzulernen.«
Allein wegen des bezaubernden Kinderlächelns schloss sie die beiden sofort in ihr Herz.
»Spielst du mit uns?« Das Mädchen legte ihre kleine Hand in die von Grace und sah sie mit ihren auffallend großen, ernst dreinblickenden Augen an.
Es blieb ihr jedoch keine Zeit für mehr als das kurze Hallo, denn eine Schar Erwachsener trat jetzt hinter ihnen in den engen Flur. Alle redeten durcheinander, ein Mischmasch aus Italienisch und Amerikanisch.
»Lasst Grace doch erst mal ankommen«, hörte sie plötzlich eine warme Stimme zu ihr durchdringen. Trotz Schürze und gerötetem Gesicht erkannte sie Lucia sofort, als diese zu ihnen trat. »Tut mir leid, sie freuen sich einfach so …«
»Ist auch lange her«, sagte Grace lächelnd. Wie lange, das wurde ihr erst jetzt richtig bewusst.
»Benvenuto, herzlich willkommen in Davison und unserem Heim, cara Grace.« Lucia nahm sie ganz selbstverständlich in ihre Arme und drückte sie einen innigen Moment lang an sich.
»Danke, ich freue mich, hier zu sein.« Es war eher ein Hauchen, das Grace von sich gab, als sie von ihr abließ. So eine Art Luftholen, ehe sie von anderen Familienmitgliedern in Beschlag genommen werden konnte.
Sie mochte Lucia auf Anhieb. Sie mochte deren Lücke zwischen den Schneidezähnen, die sie beim Lächeln offenbarte. Das dunkle, wild hoch gesteckte Haar rahmte ein zartes Gesicht ein, das dem von Senta ähnelte. Lucia war kleiner, als sich Grace anhand der wenigen Fotos, die sie besaß, vorgestellt hatte. Kleiner und dabei zerbrechlich wirkend. Kaum zu glauben, dass sie zwei Kinder geboren hatte.
»Lasst uns ins Wohnzimmer gehen, hier ist es viel zu eng«, schlug Lucia vor. Manolo hatte sich zwischen Grace und seine Mutter gedrängt und zupfte an Graces Pullover.
»Das ist gemein, ich will Grace meinen Sternenhimmel zeigen«, beschwerte er sich prompt ziemlich lautstark, um neben all den Erwachsenen Gehör zu finden.
»Das kannst du gleich, wenn ich alle begrüßt habe«, sagte Grace. Sie strubbelte dem Kleinen durch die Locken.
Die Vorstellung, was alle bedeutete, bereitete ihr allerdings augenblicklich Sorge. Zu viele Unbekannte, zu viele Menschen, die ihre Mutter immer nur die Italiener genannt hatte, und das auf eine Art und Weise, die stets abwertend klang. Als Grace im Wohnzimmer stand, die liebevoll gestaltete Krippenlandschaft in all ihren Ausmaßen lautstark bewundert hatte, knetete sie darum nervös ihre Hände. Sie zählte elf Erwachsene, davon drei, die in etwa in ihrem Alter sein mussten. Ganz schön viel Verwandtschaft.
»Wie schön, dich wiederzusehen.« Isabella nahm sie ebenfalls herzlich in den Arm, so als hätte es die fehlenden Jahre nie gegeben. »Wie erwachsen du geworden bist.«
Grace lachte. »Deine Kinder aber auch. Ich hätte euch im Leben nicht wiedererkannt«, sagte sie in Richtung ihrer Cousins und Cousinen, die sie neugierig musterten. Ein fünfstimmiges Hi Grace, wie gehts? löste ein allgemeines Kichern aus. Manolo schlängelte sich derweil laut brummend zwischen allen durch, da er Auto spielte. Niemand störte sich daran. Dafür stürmten eine Menge Fragen auf sie ein.
Vielleicht hätte sie sich besser wappnen müssen. So mit Schutzschild und Schwert. Um die tausend Küsse abzuwehren, die sie jetzt über sich ergehen lassen durfte. Oder die freudigen Umarmungen, die ihr teils die Luft abschnürten. Alle, auch Lucias Eltern und Geschwister, wollten wissen, wie es ihr ging, wie sie lebte, wo sie wohnte. Ihre Cousine Clara wollte wissen, ob sie ein Haustier hätte, weil sie Hunde liebte. Irgendwann gelang es Lucia, Ordnung in das Chaos zu bringen, und sie samt ihren Koffern in das Gästezimmer zu bugsieren.
»Es ist nichts Besonderes, aber fühle dich bitte wie zu Hause«, sagte sie und schenkte ihr ein herzliches Lächeln. »Es ist schön, dass du da bist.«
Erschlagen von der wilden Begrüßung ließ sich Grace samt Schuhen auf das Bett fallen. In dem schmalen Zimmer standen ein schiefer Holzschrank, eine alte Kommode und das Bett vor dem Fenster. Zwei Gitarren lehnten an der Wand, eine Schallplattensammlung, die vom Boden bis fast zur Decke ging, ein Paar riesige Gummistiefel und ein Tennisschläger vervollständigten das Sammelsurium. Die grauen Vorhänge fand sie genau wie die graue Bettwäsche ziemlich trist. Es roch nach frischer Farbe, vielleicht war dies der Grund, warum nichts an den Wänden hing. Ein paar bunte Kissen und große Pflanzen könnte der Raum gut vertragen, dachte sie bei sich, vielleicht würde sie sich im Ort oder der nächstgrößeren Stadt danach umsehen. Grace nahm einen tiefen Atemzug. Ihr erster Eindruck vom Zuhause ihres Vaters wollte so gar nicht zu dem Bild passen, das sie sich in ihrer Vorstellung ausgemalt hatte. Es war ein Haus voller Leben. Ein Haus erfüllt von Kinderlachen. Eines, das so ganz anders war als ihr Zuhause, in dem sie aufgewachsen war und das aussah, als wäre es geradezu aus einem Designerkatalog. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Stein war im Wasser gelandet und zog dort seine Kreise. Sie hoffte lediglich, sie würde ihre Entscheidung nicht bereuen.
Kurze Zeit später klopfte es leise an die Tür.
»Einen Moment, ich komme gleich«, rief sie in der Annahme, eines der Kinder stünde vor der Tür. Das Gästezimmer lag am Ende des langen Flures unweit des Kinderzimmers. Und so viel wusste selbst sie, die Geduld von Kindern sollte man nicht überstrapazieren. Schnell schlüpfte sie aus den schwarzen Stiefeletten, denen sie in Florenz bei einem der viel zu seltenen Blicke in die Schaufenster nicht hatte widerstehen können, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, um sie zu einem Dutt zusammenzubinden, und öffnete die Tür.
Senta trippelte verlegen mit den Füßen. »Kommst du jetzt spielen?«
Dieses Mal griff sie nach der Hand der Kleinen und ließ sich mitziehen. Die Wände des Flures waren vollgestellt mit Regalen voller Bücher, auf einer Kommode lag allerhand Tand, auf einem klapprig aussehenden Stuhl hatte jemand ein paar Zeitschriften abgelegt. Über einen Ball wäre sie beinahe gestolpert. Das Kinderzimmer teilte sich in zwei Hälften, eine in hellblau mit Raketen und Sternen an den Wänden, die andere rosa, allerdings fehlten Puppen und anderes Spielzeug. Stattdessen stapelten sich Bücher auf dem kleinen Tisch und an den Wänden hingen jede Menge Kindergemälde.
»Bist du ein Engel?«, wollte Senta ernsthaft von ihr wissen, während sie Grace die Haare frisieren durfte.
»Kennst du einen Engel mit schwarzen Haaren?« Ein Dauerlächeln lag in Graces Gesicht und ließ es irgendwie weicher wirken. Das machte der kleine Engel Senta mit ihr.
Später stieß Manolo zu ihnen. Er hatte Luigi geholfen, den Grill anzufeuern. Sie malten zu dritt. Bilder vom Strand. Von der Familie. Von Santa Claus auf seinem Schlitten. Sie zeigte ihnen, wie man Papierflieger baute, etwas, das man wohl niemals verlernte. Manolos Mund stand dabei keine Minute still. Er war derart wissbegierig, dass Grace irgendwann die Puste wegblieb, oder besser gesagt die Antworten auf seine ununterbrochene Fragerei. Darum war sie regelrecht erleichtert, als Lucia zum Essen rief. So gern sie den Kinderfragen lauschte und die große Schwester gab, Grace war den Umgang mit kleinen Kindern nicht gewohnt.
»Es sind echte Herzensbrecher«, sagte sie zu Luigi, als sie mit den Kindern im Schlepptau in den Garten kam und sich zu ihm an den voll beladenen Grill stellte.
Ihr Vater strahlte über das ganze Gesicht, während er die Steaks wendete. »Ja, das sind sie wirklich. Aber sie können auch ziemlich anstrengend sein. Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste.«
»Auch wieder wahr.« Grace nickte zustimmend, was er mit einem kurzen Ausruf der Empörung aufnahm. Wer wollte schon gern hören, dass er alt wurde. »Du bist sicher stolz auf die beiden.«
»Genauso stolz wie auf dich, meine große Tochter.« Eine gewisse Rührung konnte ihr Vater nicht verbergen. Grace schmunzelte, als sie seine feuchten Augen sah. Und das quasi unter dem üppig geschmückten Weihnachtsbaum, dessen Lichterketten bunt leuchteten.