KAPITEL 1
In der vergangenen Woche hingen jeden Morgen die Wolken tief am Himmel, aber an diesem Morgen lockte mich ein strahlend blauer Himmel aus dem Bett. Allerdings waren meine Glieder und mein Rücken nicht ganz so erpicht darauf, meinen flauschigen Deckenkokon zu verlassen. Ich war bis weit nach Einbruch der Dunkelheit im Laden geblieben, um die Blumenarrangements für die dritte jährliche Lebensmittelmesse fertigzustellen, die auf dem Stadtplatz von Port Danby stattfinden sollte. Es hatte eine endlos lange Dusche, eine Tasse Kaffee und einen von Elsies Blaubeermuffins gebraucht, um mich aus der Tür und auf mein Fahrrad zu bringen.
Als ich die Harbor Lane entlang radelte, fühlte es sich an, als hätte ich den Laden gerade erst verlassen. Meine zahme Krähe, Kingston, war mir voraus geflogen. Ich konnte seine glänzende schwarze Silhouette sehen, wie er auf der Kante des Ladendachs thronte. Die blühenden Pflaumenbäume entlang der Harbor Lane hatten fast kein Laub mehr, und so hatte Kingston keinen Platz, auf dem er sich niederlassen und Singvögel aufscheuchen oder so tun konnte, als wäre er eine echte Krähe.
Seltsamerweise erstreckte sich eine ungewöhnlich lange Schlange von Kunden auf dem Bürgersteig vor Elsies Sugar and Spice Bakery. Das Ende der Schlange befand sich vor meinem Laden. Ich stieg von meinem Fahrrad ab und manövrierte mich durch die Menge. Dass meine Freundin Lola zwischen den anderen Kunden stand, fiel mir erst auf, als sie meinen Namen rief.
»Pink, du bist früh dran. Stell dich zu mir.« Sie war fast am Ende der Schlange. Ich lehnte mein Fahrrad an die Tür des Blumenladens und ging zu ihr rüber.
»Was machst du da? Ist das alles wegen der Bäckerei?«
»Ich hätte gedacht, dass du es mit deiner Supernase schon erraten hättest.« Ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis die Leute von Port Danby aufhören würden, meine Nase als Supernase zu bezeichnen. Ich hatte einen ausgeprägten Geruchssinn, aber das war wohl kaum super. Nun, vielleicht ein bisschen super.
»Elsie hat einige ihrer berühmten Zimtschnecken gebacken. Sie macht sie nur ein paar Mal im Jahr, weil sie sagt, dass sie einfach zu viel Arbeit, Zeit und Platz in ihren Öfen in Anspruch nehmen. Und wenn man an einem ihrer Tische sitzt, um eine ihrer magischen Zimtschnecken zu essen, bekommt man sie gratis. Deshalb gibt es so eine lange Schlange. Alle warten darauf, dass die Tische leer werden, damit sie sich setzen und essen können.«
»Ich kann mich nicht entscheiden, ob das ein genialer oder ein lächerlicher Marketingtrick ist. Ich entscheide mich für Letzteres, denn nach all der Arbeit und den Kosten wird Elsie keinen Gewinn machen.« Ich blickte die Reihe der ungeduldig wartenden Zimtschnecken-Fans entlang. »Ich würde sogar sagen, dass sie in diesem Fall rote Zahlen schreiben wird.«
Ich warf einen Blick hinüber zum Coffee Hutch. Elsies Bruder Lester hatte fast keine Kunden und seine Tische waren leer. Leider war ich der Auslöser für den Großen Port Danby Tischkrieg gewesen. Mein Blumenladen, Pink’s Flowers, war früher Elsies Bäckerei gewesen. Sie war nebenan eingezogen, weil das Gebäude für ihre sehr erfolgreiche Bäckerei größer war. Jetzt befand sich mein Geschäft zwischen der Bäckerei und dem Coffee Shop, beide mit eigenen Tischen und Stühlen. Eine gesunde Portion Geschwisterrivalität, die anscheinend nie nachließ, auch nicht, als die Geschwister – in diesem Fall Zwillinge – schon weit über sechzig waren, ließ die beiden Ladenbesitzer darum wetteifern, die Tische vor ihren Läden zu füllen. Normalerweise war es ganz amüsant, aber heute hatte es Auswirkungen auf den gesamten Gehweg. Und die Laune des armen Lester. Lester starrte aus dem Frontfenster seines Ladens und sah etwas bedröppelt aus. Obwohl ich zu Hause bereits eine Tasse Kaffee getrunken hatte, beschloss ich, rüberzugehen und beim einsamen Lester eine Tasse zu kaufen.
Ich schloss die Tür meines Ladens auf, um mein Fahrrad hineinzuschieben. Hinter mir war ein kurzes Aufkeuchen von den Leuten in der Schlange zu hören. Ich duckte mich und spürte den Windzug von Kingstons Flügeln, als er zu seinem Sitzplatz am Fenster flog.
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich die farbenfrohen Blumenarrangements sah, die ich für die Stände der Lebensmittelmesse kreiert hatte. Wie könnte man den Herbst besser würdigen als mit einem kleinen Strauß roter, orangefarbener, gelber und lila Nelken. Ich hatte jedes bunte Bündel in eine elegante Vase mit schmalem Hals gestellt und um jedes ein dunkelviolettes Band und orangefarbenes Bastpapier gebunden. Ich hoffte, dass sich Yolanda Petri, die für die Messe zuständige Stadträtin, darüber freuen würde.
»Ich bin gleich wieder da, Kingston«, sagte ich und fragte mich dann im Stillen, warum ich immer das Bedürfnis hatte, meinem Vogel von meinen Plänen zu erzählen. Genauso wie meinem Kater Nevermore. Als ob es ihn kümmerte. Solange ich weder das Sofa noch seinen Futternapf mitnahm, zuckte er nicht einmal mit der Wimper, wenn ich aus der Tür ging.
Ich näherte mich dem Coffee Hutch mit seinen deprimierend leeren Tischen und Stühlen. Der Laden selbst konnte jedoch kaum als deprimierend bezeichnet werden. Das Coffee Hutch machte seinem Namen alle Ehre: ordentlich und auf den Punkt. Es war ein unauffälliges kleines Geschäft mit einem auffälligen Extra: einer langen Markise mit kaffeebraunen Streifen. Die braun-weiße Einfassung des Frontfensters passte zu den Farben der Markise. Die Eingangstür, die überwiegend aus gewelltem Glas bestand, war im gleichen Braun gehalten. Sogar das Schild über der Tür war in Braun und Weiß gestrichen. Da ständig der intensive Duft von frisch gebrühtem Kaffee durch die Fenster und die Tür strömte, war eine auffällige Dekoration vor dem Haus wirklich nicht nötig. Der ständige Duft war eine angenehme und beruhigende Form der Werbung.
Als ich hereinkam, stand Lester hinter der Theke und stapelte Pappbecher. Abgesehen von den drei Tischen draußen nahmen zwei lange Picknicktische, inklusive Bänken und zerfurchten Oberflächen, die Mitte des Raumes ein. Aber das Herz und die Seele des Ladens war ordentlich hinter dem glänzenden schwarzen Bestelltresen versteckt, geschichtet und ordentlich aufbewahrt. Über der Kaffeemaschine hingen zwei metallene Pendelleuchten, die dem Ort eine passende industrielle Atmosphäre verliehen.
»Morgen, Les.«
»Hey, Lacey. Wie war dein Morgen? Besser als meiner, hoffe ich.« Da er ein pensionierter Feuerwehrmann und Witwer war, hatte ich gehofft, dass Lester irgendwann zur Besinnung kommen und erkennen würde, dass es weitaus wichtigere Dinge im Leben gab, als mehr Kunden an seinen Tischen zu haben als seine Schwester. Doch diese Hoffnungen wurden zunichte gemacht, als der Mann, der ansonsten ein sehr vernünftiger Mensch war, in teure Polsterauflagen für seine Outdoorstühle investierte. Leider hatte er auf seiner Suche nach Eleganz und gemütlichem Komfort vergessen, wetterfeste Kissen zu kaufen. So mussten die bunten Blumenkissen (eine bewusste Entscheidung eines Mannes, der im Alltag und bei jedem Wetter ein Hawaiihemd trug) jeden Abend hereingebracht und am nächsten Tag wieder hinausgetragen werden.
»Ich nehme einen Mokka Latte mit extra viel Schlagsahne.« Ich beschloss, dass mir etwas Luxus dabei helfen würde, einen langen Vormittag mit der energiegeladenen, temperamentvollen Yolanda Petri zu überstehen.
»Ich kümmere mich gleich darum.« Lester wandte sich der Kaffeemaschine zu. »Wie kommt es, dass du nicht in der langen Schlange für die Zimtschnecken stehst? Ich habe gehört, sie sind kostenlos. Solange du an den Tischen sitzt«, fügte er mit einem Murren hinzu, das sicher nur für seine eigenen Ohren bestimmt war.
»So wie es aussieht, wird Elsie heute nicht viel Gewinn machen. Jeder wartet auf einen Tisch.«
Er drehte sich um und sah etwas fröhlicher aus als vorher, als ich hereingekommen war. »Das habe ich der dummen Frau auch gesagt, aber sie ist mehr daran interessiert, die Tische zu füllen. Es ist lächerlich.«
Ich räusperte mich. »Sagt der Mann, der die ersten fünfzehn Minuten seines Arbeitstages damit verbringt, teure Kissen an seine Stühle zu binden.«
Unter der Wolke aus schneeweißem Haar huschte ein verlegenes Grinsen über sein Gesicht. »Ich schätze, es gerät ein wenig außer Kontrolle.«
»Ein wenig.«
Lester reichte mir den Mokka Latte. Ich hatte gerade den ersten Schluck genommen, als Yolanda schwungvoll das Café betrat. »Da sind Sie ja, Lacey.« Sie rang nach Atem, als wäre sie auf der Suche nach mir auf den Gipfel des Everest und wieder zurück geklettert. »Sind die Arrangements fertig? Die Männer bauen die Stände auf.«
Yolanda Petri wohnte eine Straße weiter in der Shire Lane. Sie war etwa vierzig und hatte zwei Töchter, Olivia und Tricia, beide in der Middle School. Ihr Mann betrieb ein Reifengeschäft in Mayfield und Yolanda arbeitete nebenberuflich als Schulbegleiterin. Neben Arbeit und Familie war sie aktives Mitglied des Stadtrats von Port Danby. Und weil sie dieses Jahr noch nicht genug um die Ohren hatte, übernahm sie die Leitung der dritten jährlichen Lebensmittelmesse, einer bunt gemischten Zusammenkunft aller Top-Food-Blogger.
Yolanda war stolz darauf (und das zu Recht), dass sie die Koordinatoren der Lebensmittelmesse davon überzeugt hatte, Port Danby als Austragungsort der Veranstaltung zuzulassen. Natürlich wollte sie, dass alles perfekt war. Heute sah sie zwar ein wenig mitgenommen aus, war aber mit ihrem Blazer, schönen Jeans und einem bunten Schal dennoch gut gekleidet. Sie hatte einen süßen Bob-Haarschnitt und liebte es, leuchtend orangefarbenen Lippenstift zu tragen, eine Farbe, die nur wenigen Leuten gut stand. Yolanda war zufällig eine dieser Personen.
Ich bezahlte Lester den Kaffee und Yolanda und ich gingen zurück zum Blumenladen.
»Was ist bei Elsie los?«, fragte sie, als wir uns einen Weg durch die Schlange bahnten.
»Kostenlose Zimtschnecken.« Ich öffnete die Tür und winkte sie herein.
Yolanda blieb vor den mit Nelken gefüllten Vasen stehen. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.
Einen Moment lang machte ich mir Sorgen, sie sei enttäuscht. »Geht das?«, fragte ich zaghaft.
Mein Blumenladen und mein Status als Einwohnerin von Port Danby waren noch neu, und ich ertappte mich dabei, dass ich immer noch auf alle einen guten Eindruck machen wollte. Mit Ausnahme von Bürgermeister Price, der mich schon früh nicht leiden konnte. Ich hatte beschlossen, mir darüber keine Sorgen zu machen.
»Lacey ›Pink‹ Pinkerton«, sagte sie streng und drehte sich dann mit einem breiten Lächeln um. »Ich liebe sie!«
KAPITEL 2
Nachdem ich die Blumenvasen in den Kofferraum von Yolandas Auto geladen hatte, verbrachte ich den Rest des Morgens damit, an meinen Thanksgiving-Tischdekorationen zu arbeiten. Ich hatte beschlossen, den Kunden drei Beispiele zur Auswahl zu geben, und war mit deren Ergebnis sehr zufrieden. Ich hatte definitiv nicht bedacht, worauf ich mich einließ, als ich mich entschied, nur wenige Wochen vor der langen Ferienzeit einen Blumenladen zu eröffnen. Im Großen und Ganzen hatte es sich als Vorteil erwiesen. Blumen waren während der Feiertage eine große Sache und verschafften meinem Geschäft einen guten Start. So sehr, dass ich als alleiniger Geschäftsführer die Entscheidung getroffen hatte, vor Dezember eine Hilfskraft einzustellen.
Die Ziegenglocke an der Haustür weckte Kingston aus seinem Nickerchen. Er begann sofort mit einem Angebertanz auf seinem Sitzplatz, als er seinen zweitliebsten Menschen, Lola, hereinkommen sah. Lola besaß das Antiquitätengeschäft auf der anderen Straßenseite. Sie war meine engste Freundin in Port Danby.
»Ich brauche etwas zum Essen«, schnaubte sie, als sie auf den Hocker an meinem Arbeitstisch sprang. »Ich habe die Kisten ausgepackt, die mir meine Eltern aus der Türkei geschickt haben. Ein paar coole Sachen. Auch ein paar seltsame und muffig riechende Sachen. Jetzt sterbe ich vor Hunger.«
»Hast du nicht gerade eine von Elsies Zimtschnecken gegessen?«
»Vor ungefähr zwei Stunden, und als ich an die Theke kam, um eine zu bestellen, hatte sie nur noch die kleinen Endstücke da. Die arme Elsie, ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht hat, all die Schnecken umsonst herzugeben. Sie hat kein Geld verdient und die Kunden haben den ganzen Morgen in ihrem Laden gewartet, nur um an den Tischen zu sitzen. Elsie und Lester müssen diesen Tischkampf beenden.«
»Da stimme ich voll und ganz zu.« Ich räumte das getrocknete Moos und die Stängelsplitter auf, die auf meinem Arbeitstisch verstreut lagen. »Vielleicht sollten wir Elsie fragen, ob sie mit uns zu Franki‘s Diner kommen möchte. Sie könnte wahrscheinlich eine Pause gebrauchen.«
Lola ließ ihre Füße auf den Boden sinken. Sie hatte ein langärmliges T-Shirt mit einem Totenkopf und gekreuzten Knochen auf der Vorderseite an. Sie trug üblicherweise ausgefallene Shirts zu ihren verwaschenen Jeans, aber dieses war besonders einzigartig.
»Du siehst heute aus wie ein kleiner Pirat, Lola. Wenn du einen falschen Papagei für deine Schulter brauchst, habe ich zufällig einen Vogel, der mehr als glücklich wäre, den ganzen Tag auf deiner Schulter zu sitzen.«
»King-King, mein Liebling, der einzige Kerl, der mir Aufmerksamkeit schenkt«, säuselte Lola, als sie zur Vogelstange ging.
Kingston bewegte sich hin und her und wackelte mit seinem schwarzen Kopf auf und ab, bis Lola ihn streichelte. Ich ging zum Waschbecken, um mir die Hände zu waschen, während sie mit Kingston sprach.
Die Glocke läutete und Elsie schlurfte herein, als würde sie schwere Gewichte hinter sich herziehen. Elsie war der fitteste Mensch, den ich kannte, eine disziplinierte Läuferin, die nie zu viel von ihrem eigenen Gebäck verspeiste. »Was für ein Morgen. Meine Tische interessieren mich nicht mehr. Lester kann alle Kunden auf seiner Seite haben. Ich gebe auf.«
Lola und ich tauschten verstohlene Blicke, denn wir wussten beide, dass das alles nur Gerede war, vor allem, weil Elsie mindestens einmal pro Woche dieselbe Kapitulationserklärung abgab.
»Lola und ich waren gerade auf dem Weg zu Franki zum Mittagessen. Warum kommst du nicht mit? Ich muss mich stärken, bevor ich zum Stadtplatz gehe, um Yolanda beim Aufbau zu helfen.«
»Mittagessen klingt gut. Ich gehe nur schnell die Bäckerei abschließen.«
Lola gab Kingston etwas Vogelfutter und Erdnüsse und wir machten uns auf den Weg zur Bäckerei. Der Tischbereich sah aus, als hätte dort ein Hurrikan gewütet, der statt Regen Servietten und Pappteller heruntergeworfen hatte. Sogar das Innere der Bäckerei sah weniger makellos aus als sonst.
Mit Ausnahme der Serviettenspur und der klebrigen Krümel auf der Theke war es immer noch meine Lieblingsladeneinrichtung. Die wundervolle blaugrüne Farbe der Bäckereifront setzte sich nahtlos im Inneren fort und zierte die Holzverkleidung im Landhausstil entlang der massiven, geschwungenen Glastheke. Silberne Tabletts und perlweiße Etageren präsentierten stolz Elsies unglaubliche, mit Zucker glasierte Leckereien. In perfektem Kontrast zur glänzenden blaugrünen Farbe war die gesamte hintere Wand der Bäckerei mit verwitterten Ziegeln verkleidet. Entlang der Ziegelsteine stand ein langer Stahltisch, an dem Elsie in ihrer pfirsich-und-grün-karierten Schürze stehen und Bestellungen in toffee-und-rosa gestreifte Gebäckschachteln füllen konnte. Ganz zu schweigen von der Ansammlung köstlicher Aromen, die durch die Luft schwebten wie Fäden in einer Zuckerwattemaschine.
Elsie kam mit ihrer Handtasche aus dem Hinterzimmer und wir drei traten auf den Bürgersteig, um den kurzen Weg zu Franki’s Diner zurückzulegen. Währenddessen rollten mehrere Lastwagen die Harbour Lane entlang in Richtung Pickford Way und dem Stadtplatz.
»Das müssen einige der Blogger sein«, sagte ich. »Ich weiß, dass einige gefragt haben, ob sie früher kommen könnten, um alles aufzubauen.«
»Ich denke, das wird eine Menge Chaos in der Stadt verursachen«, sagte Elsie ungewohnt mürrisch.
»Ich glaube, du bist einfach nur müde von heute Morgen«, bemerkte Lola. »Wenn du dich erst einmal ausgeruht hast, wirst du es weniger als Chaos und stattdessen als gut fürs Geschäft empfinden.«
Elsie warf Lola einen missbilligenden Blick zu. »Vielleicht gut für dein Geschäft, aber andererseits ist die Messe auch nicht mit Antiquitätsständen gefüllt.«
»Elsie hat recht.« Ich sah zu Lola. »Natürlich werden die Leckereien der Messe sicher nicht mit den Schätzen deiner Bäckerei mithalten können.«
Elsie, die sich normalerweise leicht geschmeichelt fühlte, wollte davon heute nichts wissen. Sie war offensichtlich übermüdet und höchstwahrscheinlich enttäuscht, dass sie sich entschieden hatte, so viele Zimtschnecken zu verschenken. Vielleicht wäre das heutige Fiasko tatsächlich das Ende des Tischkriegs.
»Ich denke darüber nach, ein paar Heizlampen für meinen Außenbereich zu bestellen«, bemerkte Elsie, als wir das Lokal betraten.
Oder vielleicht auch nicht.
»Das war die kürzeste Kapitulation der Geschichte«, murmelte Lola mir ins Ohr, während wir nach einem Tisch suchten.
Franki hatte mehrere Kellner im Haus, aber sie ließ es sich trotzdem nicht nehmen, rüberzukommen und Hallo zu sagen. »Ihr drei seht erschöpft aus und die Messe hat noch nicht einmal angefangen. Ich weiß nicht, ob ich mit einem großen Ansturm oder einem wirklich ruhigen Wochenende rechnen muss, da es bei der Veranstaltung so viel Essen zum Probieren geben wird. Um ehrlich zu sein, hoffe ich auf das ruhige Wochenende. Ich könnte es gebrauchen.«
»Das ist eine gute Sichtweise«, sagte Elsie mit einem entschiedenen Nicken. Nach Frankis aufmunternder Ansprache hob sich ihre Stimmung. »Ich nehme das Roastbeef-Sandwich mit extra Zwiebeln.«
»Ooh, ich nehme dasselbe«, sagte Lola. »Aber lass die Zwiebeln weg.«
Ich überflog die Speisekarte noch einmal. »Ich brauche etwas, das mir die Energie gibt, mit Yolanda mitzuhalten, und bei dem ich nicht das Bedürfnis verspüre, mich für ein Nickerchen unter einem Baum zusammenzurollen.« Ich ließ meinen Finger über die Speisekarte gleiten. »Ich hab’s. Suppe und Salat, bitte.«
Franki sammelte die Speisekarten ein. »Kimi und Kylie sind aufgeregt, weil sie dieses Wochenende für die Arbeit im Hawksworth-Herrenhaus angeheuert wurden. Ihr wisst, wie es diese Auswärtigen lieben, in die düstere Vergangenheit von diesem alten Ort einzutauchen. Meine Mädchen werden dort sein und Fünf-Dollar-Tickets verkaufen, um die Sammlung im Gärtnerschuppen zu besichtigen.«
Hawksworth Manor, ein verfallenes gotisches Herrenhaus auf dem Maple Hill hinter meinem Haus, war kurz nach der Jahrhundertwende Schauplatz eines grausigen Mordes gewesen, bei dem die gesamte Familie Hawksworth ausgelöscht wurde. Die Polizei hatte den Fall damals als Mord-Selbstmord abgeschlossen und war zu dem Schluss gekommen, dass Bertram Hawksworth aus Eifersucht seine ganze Familie umgebracht hatte, bevor er sich das Leben nahm. Da mich Krimis schon immer fasziniert hatten, war ich fest entschlossen, mehr über diese jahrhundertealte Tragödie herauszufinden. Aber abgesehen von einem peinlichen und beängstigenden Missgeschick, bei dem ich mich im dunklen Eingang des Herrenhauses eingesperrt wiederfand, hatte ich bisher nicht viel recherchiert. Jetzt, wo die Gärtnerhütte mit all ihren düsteren Ausstellungsstücken und Bildern zur Besichtigung offen stand, hatte ich vielleicht meine Chance gefunden. Ich würde mir Zeit für einen Besuch nehmen müssen.
»Ich wette, die Mädchen sind aufgeregt, Franki«, sagte ich.
Franki war Geschäftsinhaberin und alleinerziehende Mutter von vier Teenagern.
Sie war großartig.
»O ja. Sie werden jeweils hundert Dollar verdienen. Ich kann euch sagen, dass die beiden das Internet bereits nach Dingen durchforstet haben, die sie mit dem Geld kaufen könnten. Ich habe etwas Praktisches vorgeschlagen, wie Schulsachen oder neue Wintermäntel, und ihr Lachen hätte mich fast aus dem Schlafzimmer katapultiert.« Sie ordnete die Speisekarten in ihrer Hand. »Ich werde die Bestellung aufgeben.«
Elsie schien wieder etwas zu sich gekommen zu sein. Sie lehnte sich mit ihrem Glas Eiswasser zurück. »Ich kenne einige der Food-Blogger, die zur Messe kommen. Ich bin mit ein paar von ihnen zur Konditoreischule gegangen. Eine von ihnen, Marian Fitch, ist mittlerweile ziemlich berühmt und reich.« Elsie rümpfte die Nase. »Eine Frau, die es absolut nicht verdient. Sie war furchtbar unsympathisch. Aber sie hat ein Bestseller-Kochbuch geschrieben. Obwohl, so wie ich Marian kenne, hat sie wahrscheinlich die meisten Rezepte gestohlen.«
Lola beugte sich vor. »Genug von Marian.« Ihre braunen Augen funkelten, als sie mich über den Tisch hinweg ansah. »Die große Frage ist: Mit wem wirst du morgen Abend zuerst tanzen, Pink? Dash oder Detective Briggs?« Yolanda hatte beschlossen, die Messe am Wochenende mit einem großen Tanz zu eröffnen.
Meine Wangen wurden heiß. Ich hatte weder mit dieser Frage gerechnet, noch hatte ich mir viele Gedanken über den Tanz oder meine möglichen Partner gemacht. »Erstens, wer hat gesagt, dass ich vorhabe zu tanzen? Und zweitens: Wenn Detective James Briggs zum Tanz auftaucht, fresse ich einen Besen.«
Lola strich über ihren Strohhut, einen der vielen Hüte, die sie trug, um ihr lockiges rotes Haar zu bändigen. »Du hast keinen Besen, also wirst du einen von meinen essen müssen.«
»Im Ernst, ich habe kaum noch mit Detective Briggs gesprochen, seit ich ihm geholfen habe, den Mord an Beverly Kent aufzuklären. Er ist ein vielbeschäftigter Mann und die Person, die ich beim Tanz am wenigsten erwarten würde. Ich bin sicher, dass Dash da sein wird, aber ich bin mir auch sicher, dass seine ›Tanzkarte‹ wahrscheinlich schon voll ist. Was absolut in Ordnung ist.«
Lola schüttelte den Kopf. »Das ist eine schreckliche Einstellung. Es ist ein Tanz, meine Liebe, und ich erwarte, dich auf der Tanzfläche zu sehen, wie du dein Können zur Schau stellst und peinliche Tanzschritte machst, genau wie wir alle.«
Ich lachte. »Mal sehen.«
KAPITEL 3
Die südwestliche Ecke von Port Danby, wo der Pickford-Leuchtturm über die steilen Klippen aus Granit und Schiefer wachte, war eine schöne Wahl für die Lebensmittelmesse. Vom Stadtplatz aus hatte man einen malerischen Ausblick auf die Wildnis, die direkt hinter dem Stadtgebäude lag. Hinter dem kleinen Backsteinhaus, in dem sich das Büro des Bürgermeisters befand, und den angrenzenden, wenig inspirierenden Gebäuden erhob sich eine atemberaubende Kulisse aus zahlreichen hohen Bäumen, die alle mit üppigem, frischem Herbstlaub bedeckt waren. Die Blätter der hoch aufragenden Eschen flatterten in der Küstenbrise wie ein Schwarm Schmetterlinge. Mehrere majestätische Rotahorne streckten ihre schütteren Äste und tauchten den Himmel in ein leuchtendes Purpurrot. Die zarten, gekräuselten Blätter der Katsura-Bäume umrahmten die grauen Dachschindeln mit einem Hauch von Honiggelb. Und weiter innen umgaben Eisenholzbäume den Stadtplatz wie gehorsame Wächter und prahlten mit breiten Blättern, die mich an einen leuchtend orangefarbenen Sonnenuntergang erinnerten.
»Ich liebe den Herbst, Sie nicht auch?«, fragte ich Yolanda, als ich ihr zwei weitere Nelkenvasen reichte. Sie nahm sich kaum die Zeit, um zu antworten.
Yolanda war gut zehn Jahre älter als ich, aber die rüstige Frau war mir in Sachen Energie meilenweit voraus, als wir halfen, Blumen und Ballons an die einzelnen Stände zu verteilen. Entlang des gesamten Stadtplatzes waren schlichte, zweckmäßig gestaltete Stände mit weißen Vordächern aufgebaut. Die Blumen und Luftballons würden für etwas Farbe sorgen, aber richtig bunt würde es erst, wenn die Blogger Banner aufhängen und köstliche Leckereien zum Ausstellen und Probieren aufstapeln würden. Einige Blogger waren schon früher angereist und waren bereits dabei, ihre Stände zu dekorieren.
Eine Frau, die ein paar Jahre älter aussah als ich, hängte ein langes Banner auf, auf dem in leuchtendem Blau der Blogname Down Home Comfy auf einem rosa karierten Hintergrund prangte. Sie wirkte ein wenig nervös oder aufgeregt oder vielleicht beides. Oder vielleicht war es einfach nur die extrem große Tasse Kaffee, die neben der riesigen Flasche Speiseöl auf der Ecke ihres Standes stand. Sie hatte dünnes rotes Haar, das dadurch, dass sie es lang und mit einem Mittelscheitel trug, noch dünner wirkte. Als ich ihr einen Strauß Luftballons reichte, fiel mir eine lange Reihe skurriler Schmetterlinge auf, die an der Innenseite ihres Arms tätowiert waren.
»Hallo, ich bin Ihre örtliche Ballon- und Blumenverteilerin, Lacey Pinkerton. Mir gehört der Blumenladen in der Stadt.« Ich schüttelte ihre Hand.
»Twyla Walton von Down Home Comfy. Was wohl aufgrund des Banners offensichtlich ist.« Ihre Finger zitterten ein wenig, als sie ihre Haare hinter ihre Ohren steckte. »Tut mir leid, ich bin etwas überwältigt. Das ist meine erste Messe.«
»Meine auch.« Ich zeigte auf die Luftballons. »Ich verteile natürlich nur Dekorationen. Ich bin sicher, Sie werden das gut hinbekommen.« Ich lehnte mich zurück und las das Kleingedruckte auf dem Banner. »Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich Ihr Logo liebe. Mit der skurrilen Zeichnung eines schielenden Schafs kann man nichts falsch machen. Ich werde Ihren Blog besuchen müssen. Wie ich sehe, sind Sie auf Südstaatenküche für die Seele spezialisiert. Ich bin ein großer Fan von Essen, das Trost spendet.«
Sie lächelte, aber es war schwach, ein wenig gezwungen. Sie fühlte sich wirklich unwohl. »Ich bin irgendwie neu in der Südstaatenküche. Früher war ich Konditorin, aber das ist vorbei.« Twyla wedelte mit der Hand und ließ ihre Tintenschmetterlinge kurz fliegen, bevor sie wieder an ihrem Haar herumspielte. »Wie auch immer, das ist nicht wichtig. Vielen Dank für die Ballons.«
»Ich lasse Sie jetzt mit dem Aufbau weitermachen. Wenn Sie etwas brauchen, schreien Sie einfach.« Als ich mich zum Gehen umdrehte, drang eine tiefe Stimme von oben zu mir herab.
»Okay, ich brauche Hilfe.«
Ich wirbelte herum und beschattete meine Augen, um das grelle Licht des blauen Himmels abzuschirmen. Aber selbst im blendenden Sonnenlicht konnte man Dashs breites Lächeln deutlich erkennen.
»Wie konnte ich nur meinen über 1,80 Meter großen Nachbar auf der Leiter übersehen?«
»Du hast ›unglaublich gutaussehend‹ vergessen.« Dash deutete auf den Werkzeugkasten auf dem Boden. Yolanda ließ ihn Lichterketten rund um und über den Stadtplatz aufhängen. »Könntest du mir den Drahtschneider aus dieser Kiste bringen? Er sieht aus wie eine scharfkantige Zange.«
Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Entschuldige mal, ich bin Floristin. Ich glaube, ich weiß, wie ein Drahtschneider aussieht.«
Dash lachte. »Was habe ich mir nur dabei gedacht?«
Ich durchsuchte die Werkzeuge und fand den Drahtschneider. Ich ging zum Fuß der drei bis dreieinhalb Meter hohen Leiter und starrte auf die Sohlen von Dashs Arbeitsstiefeln. »Ich habe die Zange.«
»Prima. Klettere einfach ein paar Sprossen hoch und ich sollte sie erreichen können. Wenn ich diesen Strang loslasse, fällt er herunter und verheddert sich. Und ich habe mehr als genug Zeit damit verbracht, diese Lichter zu entwirren.«
»Du hast nach dem Drahtschneider gefragt, aber nicht erwähnt, dass man dafür klettern muss.« Ich hielt den Drahtschneider so gut ich konnte, während ich die Leiter mit beiden Händen umfasste. »Hält sie uns beide?«
»Sicher. Klettere einfach gleichmäßig. Das Ganze lehnt an einem Laternenpfahl.«
Ich schaffte es drei Sprossen nach oben, ohne dass es zu einer Katastrophe kam. »Das war’s. Ich bin am Limit meines Kletterabenteuers.« Ich klammerte mich mit der freien Hand an die Leiter und streckte meinen Arm nach oben. Die Leiter wackelte ein wenig, als Dash sich hinunterbeugte und sie mir aus den Fingern riss.
Obwohl unser Balanceakt prekär schien, nahm er sich die Zeit, mir ein kokettes Lächeln zuzuwerfen. »Erster Tanz morgen Abend?«
»Ich? Ich schätze schon. Aber ich muss dich warnen, ich tanze nicht viel besser, als ich Leitern hochklettere.«
»Dann hast du Glück, denn ich bin ein guter Tänzer. Ich glaube, es liegt den Vanhoutens im Blut.«
Ich lachte und kletterte wieder hinunter. »Richtig, bei all den aufwendigen Bällen und glamourösen Partys, zu denen ihr Vanhoutens gehen müsst.« Dashs richtiger Name, Dashwood Vanhouten der Dritte, war von seinem Vater, einem Verkäufer, erfunden worden, der die Leute glauben machen wollte, er stamme aus einer reichen, einflussreichen Familie. Der Mann war eindeutig brillant.
»Juhuu, Lacey«, rief Yolanda über den Platz. Sie hielt ein weiteres Bündel Luftballons in der Hand. Ich ging zu ihr hinüber und ergriff die Luftballons.
Zwei sehr jung aussehende Blogger, ein Mann und eine Frau, hängten ein Banner auf, auf dem die Buchstaben DAB aufgedruckt waren. Im Kleingedruckten stand Vegane Rezepte für Menschen, die Abenteuer und unsere pelzigen Freunde lieben.
»Hier sind ein paar Luftballons, um euren Stand zu dekorieren. Ich bin Lacey, falls Sie etwas brauchen.«
»Hey, wie läuft’s? Byron, und das ist meine Freundin Daisy.« Byron war etwas kleiner als ich (und ich war nicht groß) mit einem langen roten Bart und trug eine lila Strickmütze und ein übergroßes Hemd. Daisy trug einen Bowler aus Filz auf ihrem kurzen dunklen Haar und an einem Ohrläppchen steckten mindestens ein Dutzend winziger goldener Creolen.
Byron befestigte einen Ballon an der Stange, die den Baldachin hielt. »Wissen Sie zufällig, wo wir Weizengras für unsere Power-Smoothies kaufen können? Daisy hat vergessen, es einzupacken.«
»Für das Weizengras warst du zuständig«, trällerte Daisy von hinten am Stand, wo sie damit beschäftigt war, Zutaten aus Jutebeuteln zu holen.
»Mir fällt kein Geschäft in Port Danby ein, das es führt, aber ich weiß, dass es in Mayfield, der Stadt östlich von hier, ein Biolebensmittelgeschäft gibt.«
»Oh, richtig. Da übernachten wir. Im Mayfield Hotel«, sagte Byron.
Ich war überrascht. Ich hatte sie eher für das Duo gehalten, das am Strand ein Zelt aufschlägt, aber was wusste ich schon. »Also bleiben einige der Blogger in Mayfield? Ich bin einfach davon ausgegangen, dass alle hier im Port Danby Motel übernachten. Aber wenn ich darüber nachdenke, ergibt das Sinn. Es gibt nicht so viele Zimmer im Motel.«
»Ja, wir haben ein paar der Messeteilnehmer auf den Hotelparkplatz fahren sehen, als wir gegangen sind. Daisy und ich wollten einen Vorsprung haben. Wir müssen jede Menge Obst und Gemüse schneiden.«
»Nun, ich werde Sie beide wieder an die Arbeit gehen lassen. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie irgendetwas brauchen.«
»Juhuu, Lacey!«, rief Yolanda noch einmal von der anderen Seite des Platzes. Wenn das so weiterging, war ich wahrscheinlich einfach zu müde zum Tanzen.
KAPITEL 4
Elsie, von der ich schnell merkte, dass sie nie lange mürrisch oder melancholisch blieb, hatte sich während ihres Laufs am Mittwochabend einen brillanten Plan ausgedacht. Sie hatte vermutet, dass die einzige Leckerei, die auf der Messe nicht serviert werden würde, die Kekse mit Port Danby-Wahrzeichen waren. Natürlich existierten diese nicht, bis ihr brillanter Verstand sie erfunden hatte. Jeder riesige Zuckerkeks sollte mit einem Fondant-Dekor eines der drei Wahrzeichen von Port Danby versehen sein: dem Pickford-Leuchtturm und der Graystone-Kirche. Außerdem hatte sie sogar ein kleines Hawksworth-Herrenhaus aus Fondant geschaffen (natürlich in seiner früheren Pracht).
Der einzige Haken an ihrem neuen Plan bestand darin, dass sie nur sehr wenig Zeit hatte, die Kekse zuzubereiten und sie zum Verkauf bereitzuhalten, wenn die Messebesucher in die Stadt strömten. Das bedeutete, dass um drei Uhr morgens Kekse am Fließband produziert wurden. Ich hatte mich freiwillig bereit erklärt, ihr zu helfen, und Lola stimmte widerwillig ebenfalls zu, obwohl sie behauptete, dass sie zu dieser Uhrzeit weder laufen noch sprechen oder sonst wie zurechtkommen könne.
Als Lola und ich uns um drei hineinschleppten, war die Bäckerei bereits vom buttrigen, süßen Duft der Kekse erfüllt. Lola setzte sich sofort auf einen von Elsies Hockern und hielt ihren Kaffee, als ob ihr Leben davon abhinge. In der Zwischenzeit organisierten Elsie und ich eine reibungslose Arbeitsabfolge. Die kleine, fitte Frau mit der grenzenlosen Energie war die ganze Nacht damit beschäftigt gewesen, kleine Zucker- und Fondant-Dekorationen für die Kekse auszustechen.
Der kleine weiß-schwarz-rote Leuchtturm gefiel mir am besten. Aber schließlich war ich ein großer Fan des Pickford-Leuchtturms. Er war einer der Gründe, warum ich nach Port Danby gekommen war.
Elsie hatte für die Silhouette des gotischen Herrenhauses einen grau-violetten Fondant verwendet. Ihr war es sogar gelungen, die Türmchen und die Giebelneigung auf dem Dach genau richtig hinzubekommen. Die Graystone-Kirche hatte in den Fenstern winzige gelbe und blaue Fondantquadrate als Buntglas.
»Mein Gott, Elsie, du bist ein Genie. Die sehen großartig aus. Ich denke, sie werden das perfekte Souvenir aus Port Danby sein, und ich bin mir sicher, dass sie viel besser schmecken werden als alles, was auf der Messe serviert wird. Und ja, diese extreme Schmeichelei ist meine subtile Art, um einen Keks zum Probieren zu bitten.«
Elsie nickte. »Ich habe alle zerbrochenen Stücke aufgehoben, weil ich mir dachte, du und Lola würdet nach Kostproben fragen.«
Bei der Erwähnung von Kostproben schien Lola wacher zu werden. Sie kletterte vom Hocker, hob ihre Tasse und trank die letzten Reste Kaffee aus. Sie stieß einen zufriedenen Seufzer aus und stellte die Tasse mit einem Stoß auf den Tresen, wie ein betrunkener Pirat in einer Taverne seinen leeren Krug auf den Tisch knallt. »Lasst uns loslegen, bevor mir wieder die Puste ausgeht.«
Elsie machte mit der Dekoration weiter, während ich die Mitte jedes Kekses mit Zuckerguss bestrich und dann den zarten Fondant-Ausschnitt draufdrückte. Lolas Aufgabe war es, jeden einzelnen Keks in eine Zellophan-Tüte zu legen und diese anschließend mit einem dünnen Band zuzubinden. Der erste Souvenir-Keks sah perfekt aus.
»Für die hier werde ich den doppelten Preis meines üblichen Kekspreises verlangen«, bemerkte Elsie, während sie einen Leuchtturm ausstach. »Touristen stören die höheren Preise in der Regel nicht, und ich muss dieses Unglück mit den Zimtschnecken ausgleichen.«
Ich tupfte etwas Glasur in die Mitte eines Kekses. »Das klingt nach einem guten Geschäftsplan, Elsie.«
Elsie hielt den Fondant-Leuchtturm hoch. »Die sind wirklich süß. Ich muss einen für Marty Tate aufheben.«
»Das ist der Mann, der sich um den Leuchtturm kümmert, oder?«, fragte ich.
Elsies große Augen wandten sich mir zu. »Du hast den alten Marty noch nicht getroffen? Er ist zum Schreien komisch.«
»Und so alt wie die großen Pyramiden«, fügte Lola hinzu. »Wie alt ist er überhaupt?« Sie warf Elsie einen Blick zu.
Elsie lachte. »Das ist so etwas wie ein andauerndes Mysterium in Port Danby. Niemand weiß es, denn Marty wohnt seit Menschengedenken in diesem kleinen Häuschen und leitet den Leuchtturm. Kelly Dixon von der Arztpraxis sagte, ihre Großmutter habe Marty als Kind gekannt und Kelly ist nicht mehr die Jüngste. Ich schätze, der alte Marty ist schon über hundert.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wow, ein Jahrhundert alt. Hey, ich frage mich, ob Marty zur Zeit der Hawksworth-Morde da war.« Meine Schultern sanken herab. »Nein, das würde ihn weit über die Hunderter bringen.«
»Ich schätze, du brennst immer noch darauf, diesen alten Mordfall zu untersuchen.« Elsie brachte ein Tablett mit Dekorationen herüber und stellte es neben meinen Arbeitsplatz. »Vielleicht solltest du Detective Briggs danach fragen.« Sie zwinkerte.
»Was ist los, Elsie? Hast du was im Auge?« Ich warf ihr ein sarkastisches Grinsen zu. »Außerdem habe ich Briggs danach gefragt und er hat mir vorgeschlagen, es in der Bibliothek zu versuchen. Was ich vorhabe, dann zu tun, wenn es in dieser geschäftigen Stadt ruhiger zugeht.«
Elsie reckte den Hals, um nach draußen zu schauen. Lichtstreifen in Rosa- und Orangetönen breiteten sich am Himmel aus, als die Morgendämmerung begann. »Sieht aus, als würde es für die Blogger ein schöner Vormittag zum Vorbereiten werden.«
»Ja, sieht so aus.« Ich reichte Lola einen Teller mit fertigen Keksen und trat zu ihr, um ihr beim Einpacken zu helfen. »Einige Blogger waren gestern schon mit dem Aufbau beschäftigt. Kennst du jemanden namens Twyla Walton?«
Elsie hielt inne, um sich ans Kinn zu tippen. »Der Name kommt mir so bekannt vor. Ich musste den Konditorkurs vorzeitig verlassen, da ich mir beim Marathonlaufen eine Sehne gezerrt hatte. Das verdammte Ding hat mich einen Monat lang außer Gefecht gesetzt. Ich hatte den Kurs nur besucht, um meine Techniken aufzufrischen, also war es keine große Sache, die letzten Wochen zu verpassen.« Sie räusperte sich. »Besonders, als ich herausfand, dass ich mehr wusste als der Lehrer.«
»Das glaube ich. Twyla hat erwähnt, dass sie Konditorin war. Ihr Blog heißt Down Home Comfy und ihre Spezialität scheint mittlerweile Südstaatenküche für die Seele zu sein.«
»Ja, Twyla!«, sagte Elsie so enthusiastisch, dass Lola den Keks, den sie gerade in die Zellophan-Tüte schob, zerbrach. Lola zuckte die Achseln und aß den Keks.
Elsie fuhr fort: »Ich weiß nicht, wie ich das vergessen konnte. Schließlich war es eine so große Sache in der Backblogosphäre. Ich meine, es war monatelang das einzige Gesprächsthema.«
Ich räusperte mich, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. »Möchtest du uns über die Details dieses Blogosphären-Wirbelwinds informieren?«
Elsie wischte sich die Hände an einem Handtuch sauber und kam zu uns herüber. »Twyla hat eine Konditorschule besucht. Eines der Projekte, das letzte, das ich vor meiner Verletzung gemacht habe, bestand darin, eine neue Art Donut zu erfinden. Twyla hat sich einen tollen kleinen Puff-Donut ausgedacht, der mit einer Schokoladen-Haselnuss-Füllung gefüllt und dann in Zimtzucker gewälzt wurde. Sie waren unglaublich lecker. Ein paar Jahre später verkaufte Marian Fitch, die denselben Kurs besucht hatte, ein Rezept an eine große Donut-Kette. Es wurde die Haselnussbombe genannt.«
»Oh, so eine habe ich schon gegessen«, murmelte Lola, während sie auf einem Keks kaute. »Die ist bombastisch. Versteht ihr?«
Ich sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. »Ich schätze, wir haben dich wirklich zu früh aus dem Bett geholt.« Ich drehte mich wieder zu Elsie um. »Hat Marian Fitch das Rezept gestohlen?«
»Es war so ziemlich eine exakte Kopie, aber zu diesem Zeitpunkt war Marian bereits ein großer Name mit einem Bestseller-Kochbuch und einem beliebten Blog. Ihre Anwälte ließen Twylas Fall vor Gericht scheitern und die arme Twyla blieb auch noch auf Fitchs Anwaltskosten sitzen. Ich glaube, das war der Zeitpunkt, an dem sie die Welt der Konditoren verließ und sich der Hausmannskost zuwandte. Die Arme war am Boden zerstört.«
»Wow«, sagte Lola kopfschüttelnd. »Ist es nicht ärgerlich, wenn der Große gewinnt und der Kleine niedergetrampelt wird?«
»Ja«, stimmte Elsie schnell zu, »und wenn es jemanden gibt, der eine ordentliche Lektion braucht, dann ist es Marian Fitch.« Elsie trug ein leeres Tablett herüber und füllte es mit den eingepackten Keksen. »Ich glaube, ich werde sie auf dem obersten Regal ausstellen und ein dekoratives Schild mit der Aufschrift ›Gehen Sie nicht ohne ein süßes Stück Port Danby‹ anbringen.«
KAPITEL 5
Nach unserem extrem frühen Morgen in der Bäckerei fühlte sich mein Kopf ein wenig schwer vor Müdigkeit an. Ich ging nach Hause, um ein kurzes Nickerchen zu machen, bevor ich wieder die Harbour Lane hinunterging, um Yolanda am Town Square zu helfen.
Fast alle Blogger waren mittlerweile eingetroffen und bemühten sich, ihre Stände für den Eröffnungstanz am Abend attraktiv zu gestalten. Mindestens zwanzig Stände waren entlang der gesamten Platzgrenze aufgebaut, und zur Auflockerung der Zementwege war Gras in großen Rechtecken gepflanzt worden. Die wenigen Picknicktische, die normalerweise in den Ecken und in der Mitte standen, waren alle zu einer Gruppe zusammengeschoben worden, damit die Messebesucher mit ihrem Essen und ihren Getränken sitzen konnten.
Einige Teilnehmer hatten das Glück, einen Stand im Schatten eines Baums zu bekommen. Da die Herbstblätter jedoch schneller fielen, als man sie aufheben konnte, war es jedoch vielleicht besser, keinen Schatten zu haben. Bunte, raffiniert gestaltete Banner mit Blognamen und Logos flatterten wie eine Ansammlung nicht zusammenpassender Röcke an den Fronten der Stände entlang. Sobald die Leckereien und Waren präsentiert wurden, erwachte die Messe mit der Aussicht auf köstliche Häppchen und Getränke zum Leben. Am French Confections-Tisch stand eine Etagere mit pastellfarbenen französischen Makronen neben einem Keramiktablett mit winzigen Petit Fours, die jeweils mit einer Fondantblume verziert waren. Einen krassen Gegensatz dazu bildeten direkt daneben die Barbecue Boyz, zwei Brüder, die einen ganzen Blog großartigen Burgern und Craft Beer gewidmet hatten. Sie stellten einen riesigen Grill auf und auf ihrem Tisch standen verschiedenste Barbecuesaucen.
Dash war von einer hartnäckigen Yolanda dazu überredet worden, Heizlampen für den heutigen Tanz aufzustellen. Während ich mein Fahrrad abstellte, rollte er den schweren Sockel einer Lampe über den Betonweg. Ich ging in seine Richtung.
»Wie ich sehe, kannst du zu Yolanda auch nicht nein sagen«, witzelte ich. »Hast du sie gesehen? Oder streicht sie gerade die ganze Stadt neu, bevor die Messegäste eintreffen?«
»Diese Frau scheint grenzenlose Energie zu haben. Nach all dem bin ich bereit, den Rest des Wochenendes damit zu verbringen, vor ein paar Videospielen zu sitzen.«
Ich musterte ihn über meine Sonnenbrille hinweg. »Mir war, als hätte ich aus deinem Haus eine besorgniserregende Anzahl von Schüssen gehört. Ganz zu schweigen von den lautstarken Diskussionen, bei denen nur eine Stimme zu hören war – deine.«
Es kam selten vor, dass Dash schüchtern wirkte, aber er hatte ein verlegenes Grinsen im Gesicht. »Ich schätze, ich muss aufhören, die Spiele anzuschreien. Entweder das oder die Wände besser isolieren.«
Yolanda huschte wie eine flinke Maus durch mein Blickfeld. »Hoppla, da ist der Boss. Ich schätze, ich werde herausfinden, wozu sie mich braucht. Wir sehen uns später. Es sei denn, du bist vielleicht zu müde für diesen Tanz.«
»Keine Chance, Pinkerton. So einfach kommst du da nicht raus.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Einen Versuch war es wert.« Ich überquerte den Weg. Nur ein Stand war noch frei. Er war doppelt so groß wie die anderen.
»Nein, Trixie, du böse Henne! Komm zurück!«, rief eine Frauenstimme, gefolgt von einem dicken, kastanienbraunen Huhn mit Federn, das über den Rasen und den Weg huschte.
Ich ging in die Hocke und stoppte seine Bewegung. Der rote, fleischige Kamm des Vogels wackelte hin und her, als er seinen Kopf von einer Seite zur anderen drehte, um einen Fluchtweg zu suchen. Glücklicherweise hatte ich etwas Geschick im Umgang mit einem eigensinnigen Vogel.
»Schau, was ich habe«, sagte ich und streckte meine leere Handfläche aus.
Der Vogel beäugte den unsichtbaren Leckerbissen und ging vorwärts, um nachzusehen, was seiner Besitzerin die Chance gab, herbeizueilen und sich die Henne zu schnappen.
»Danke. Trixie ist so eine Unruhestifterin.« Sie streckte ihre Hand aus. »Celeste Bower, ich betreibe einen Blog über das Landleben namens Sweet Cherry Pie.« Celeste sah aus, als wäre sie etwa dreißig, aber aufgrund ihrer makellosen rosigen Haut war ihr Alter schwer zu schätzen. Sie hatte große blaue Augen. Ihr lockiges blondes Haar war an den Seiten hochgesteckt und mit dekorativen Spangen befestigt. Sie trug ein Konzert-Shirt von Tom Petty, das nicht wirklich zum Rest ihrer Kleidung oder einem Country-Blog passte, aber ich fühlte mich sofort zu ihren lila Cowboystiefeln hingezogen.
»Ich bin Lacey und ich liebe Ihre Stiefel.«
Sie blickte hinunter und drehte ihren Knöchel hin und her. »Sind sie nicht großartig? Ich habe sie auf einem Flohmarkt gefunden.« Trixie wurde in ihrem Arm unruhig.
»Ich lasse Sie das Huhn wegbringen.« Ich reckte mich und schaute an ihr vorbei zum Stand mit dem Sweet Cherry Pie-Banner. »Was für ein süßer kleiner Hühnerstall.« Ein anderes Huhn scharrte im Gras unter dem Stall.
»Ja und er ist leicht zu transportieren. Sie haben natürlich einen viel größeren Stall zu Hause. Es ist wie ein Hühnerpalast.«
»Das ist wundervoll. Nun gut, ich lasse Sie wieder an Ihre Arbeit gehen. Ich bin sicher, Sie haben viel zu tun.«
»Kommt Marian Fitch?«, fragte Celeste. »Ich habe sie noch nicht gesehen. Sie ist der Star-Gast der Messe.« Es folgte ein leichtes Augenrollen.
»Ich bin mir nicht sicher. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie irgendetwas brauchen.«
Yolanda riss gerade einen Karton auf, als ich sie erreichte.
»Hat jemand abgesagt, Yolanda? Ich sehe einen leeren Stand. Und warum ist es ein doppelter?«
»Niemand hat abgesagt. Das ist Marian Fitchs Stand. Sie bat um einen doppelten.« Yolanda richtete sich auf, nahm die Kiste und reichte mir ausgerechnet einen nicht aufgepumpten Wasserball.
Ich starrte darauf. »Ich halte einen platten Wasserball.«
»Ja. Wären Sie so nett und würden ihn aufpumpen? Ich werde Dash einige an die Bäume hängen lassen. Ich dachte, sie würden allem eine festliche Note verleihen und alle daran erinnern, sich den wundervollen Strand von Port Danby anzusehen.«
»Wie viele sind es?« Mir war schon schwindlig, weil ich mitten in der Nacht aufgestanden war. Ich konnte mir nur vorstellen, wie benommen ich wäre, wenn ich Wasserbälle aufgeblasen hätte.
»Es sind nur zwanzig.« Sie gab mir keine Chance zu antworten, bevor etwas anderes ihre Aufmerksamkeit erregte. »Nein, nein, ich möchte die Lautsprecher nicht so nah an den Ständen haben«, rief sie den Arbeitern zu, die die Tonanlage aufbauten. Sie eilte davon und ließ mich mit einer Schachtel luftleerer Wasserbälle stehen.
Ich beschloss, die Bälle auszuschütten und die Schachtel auf die ungeöffnete Seite zu drehen. Vorsichtig setzte ich mich darauf. Mir schien, dass die Gefahr, wegen Sauerstoffmangel auf die Nase zu fallen, geringer war, wenn ich mich hinsetzte und die Bälle aufpustete.
Von meinem Aussichtspunkt aus hatte ich einen freien Blick auf die gesamte Messe. Es ging gut voran. Yolanda konnte stolz sein.
Nach einigem gut Zureden bekam ich die ersten Luftstöße in den Wasserball. Dash kam auf mich zu und ich machte mich darauf gefasst, dass er mich wegen meines wichtigen Jobs aufziehen würde. Ich würde ihn einfach daran erinnern, dass ich wenigstens nicht auf Bäume klettern und die Bälle aufhängen musste.
Als ich den ersten Wasserball fertig hatte, wurde mir schnell klar, dass ich ihn nirgendwo befestigen konnte, wenn eine Brise wehte. Ich hielt den ersten zwischen meinen Füßen und begann mit dem zweiten. Mit hamsterartig aufgeplusterten Wangen sah ich zu Dash, der mir zuzwinkerte und sich dann umwandte, um mit niemand anderem als der süßen Bloggerin vom Land in den lila Stiefeln zu sprechen. Und es machte mir ganz bestimmt nichts aus, denn Dash hatte das Recht, mit jedem zu reden, den er mochte. Das sagte ich mir zweimal, während ich den beiden dabei zusah, wie sie über etwas lachten.
Ich blies den zweiten Ball auf und sah mich um. Da der doppelte Stand noch leer war, beschloss ich, die Bälle hineinzuwerfen, um nicht einem Haufen herrenloser Wasserbälle hinterherjagen und sie zusammentreiben zu müssen.
Twylas Stand war auf der anderen Seite des Weges. Sie winkte, während sie ein paar Kartoffeln schnitt. »Ich beneide Sie nicht um diesen Job«, rief sie.
»Danke.« Ich warf die ersten beiden Wasserbälle in den Stand. Celestes Stand war gleich nebenan und Dash war immer noch der übermäßig freundliche Einheimische und unterhielt sich ein wenig mit ihr. Oh, wem wollte ich etwas vormachen? Es war keine kleine Unterhaltung. Es war Flirten, was Dash sehr gut beherrschte. Anscheinend erzählte Celeste ihm alles über das letzte Tom Petty-Konzert, auf dem sie war, und wie besessen sie und ihre Schwester von seiner Musik waren.
Nachdem ich die Wasserbälle in Sicherheit gebracht hatte, ging ich zurück zu meiner Kiste, um noch ein paar aufzublasen. Dieses Mal wandte ich mich von der Messe und meinem übermäßig freundlichen Nachbarn ab und bewunderte die Herbstbäume auf der anderen Straßenseite.
Ich blies sechs weitere Wasserbälle auf und beschloss, dass ich eine Pause brauchte. Ich stand zu schnell auf, und das Herbstlaub verschwamm zu einem flammenden Wirbel. Ich schwankte nach vorne und wäre beinahe mit dem Gesicht voran auf den Beton gestürzt, als eine große Hand meinen Arm packte, um mich zu stützen.
»Passen Sie auf. Diese Wasserbälle können gefährlich sein.« Ich hatte seine Stimme schon eine Weile nicht mehr gehört. Mir wurde klar, dass ich sie vermisst hatte. Seine dunklen Augen waren durch eine Sonnenbrille verborgen, aber sein vertrautes halbes Lächeln erschien wie aufs Stichwort. Und dann war da noch diese perfekte Locke hinten an seinem Hemdkragen.
»Detective Briggs? Ich hatte nicht erwartet, Sie hier zu sehen.«
»Ich bin nur hier, um Yolanda ein paar Einzelheiten zum Parken zu fragen.« Er musterte die Wasserbälle, die ich noch aufblasen musste. »Sieht aus, als würde sie Sie auch auf Trab halten.«
Während er sprach, hielt ein großer weißer Kastenwagen am Bordstein neben dem Park, dahinter eine marineblaue Limousine.
Yolanda eilte herbei. »Detective Briggs, Sie sind hier. Ich zeige Ihnen, wo wir die Parkverbotskegel brauchen.« Yolanda, die ohnehin schnell sprach, begann, wie eine Auktionatorin zu klingen. »O je, da ist Marian Fitch mit ihren Sachen.« Sie holte Luft. »Nach ein paar Telefonaten mit der Frau freue ich mich nicht mehr darauf, sie kennenzulernen.« Yolanda erschauerte sichtlich. »Sie ist ziemlich anspruchsvoll. Kommen Sie, Detective. Folgen Sie mir.«
Briggs grinste mich kurz an, bevor er Yolanda folgte. Die beiden Falten, die sich um seinen Mund bildeten, wenn er lächelte – die hatte ich ebenfalls vergessen.
Mein Kopf war wieder klar, als ich mich bückte, um den nächsten Wasserball aufzuheben. Hinter mir unterbrach eine wütende Stimme die sonst so gesellige Atmosphäre auf dem Stadtplatz.
»Wer hat diese lächerlichen Wasserbälle in meinen Stand gelegt?«
Es schien, dass alles, was ich bisher über Marian Fitch gehört hatte, absolut zutreffend war.
KAPITEL 6
Es war erstaunlich, wie die Ankunft einer einzigen kleinen Frau einen reibungslos laufenden Betrieb auf den Kopf stellen konnte. Marian Fitch, die etwa fünfzigjährige Besitzerin des Unternehmens und des Blogs Sugar Lips, hatte dichtes, welliges Haar, das sie tiefschwarz gefärbt hatte, um einen Kontrast zu ihrem bleichen, stark gepuderten Teint zu bilden. Ihr dunkelroter Lippenstift verlieh ihren Lippen eine dramatische Form, die über ihre natürlichen Konturen hinausging, und rundete das kräftige Farbschema der Frau ab. Ihre dunklen, tiefliegenden Augen wurden von einer Brille mit rechteckigem Rahmen umrahmt, die ihre Augen besonders groß erscheinen ließ und mich an die Zeile »Oma, was hast du für große Augen« in Rotkäppchen erinnerte. Sie trug eine etwas altmodische Satinbluse, die sie mit einer langen Perlenkette abgerundet hatte.
Nachdem ich meine äußerst lästigen Wasserbälle entfernt hatte, blickte sich Marian Fitch um und ihre herzförmigen Lippen verzogen sich wütend. »Das geht nicht«, war alles, was sie sagte, bevor sie nach ihrem Assistenten kreischte.
Fitchs Assistent stellte sich als ihr gehorsamer Neffe Parker Hermann heraus. Parker war ein ängstlicher, nervöser Mittzwanziger, der sein braunes Haar streng zur Seite gekämmt trug. Er steckte sein kurzärmeliges Button-Down-Hemd aus kamelhaarfarbener Baumwolle in die Hose und rundete den gesamten adretten Look erstaunlicherweise mit einem breiten Gürtel und einer großen silbernen Gürtelschnalle in Totenkopfform ab. Die Schnalle gefiel ihm offensichtlich, denn er legte Wert darauf, sie jedes Mal, wenn er sprach, zurechtzurücken. Nachdem ich ihn in Aktion gesehen hatte, während seine Tante ihn auf Schritt und Tritt beschimpfte, empfand ich bereits zehn Minuten nach ihrer Ankunft ziemlich Mitleid mit ihm.
Eine Stunde nach ihrer Ankunft war der doppelte Stand abgebaut und an einem geeigneteren Ort wieder aufgebaut worden, vor allem weg von diesen stinkenden Hühnern. (Marian Fitchs Worte, nicht meine.)
Ich hatte genug Vorbereitungen für den Tag getroffen und musste zurück in mein Geschäft. Ich hatte es den ganzen Morgen geschlossen, aber es gab viel zu tun. Ganz zu schweigen davon, dass Kingston sicher auf seiner Stange auf und ab gehen und sich fragen würde, wohin ich so lange verschwunden war.
Als ich in Richtung Pickford Way ging, sah ich Lester einen Wagen voller Kaffeebecher mit Deckel rollen. Die Räder blieben an der Betonkante hängen, also rannte ich hin, um ihm zu helfen.
»Lacey, du kommst gerade rechtzeitig. Ich habe beschlossen, etwas von meinem speziellen dunklen Röstkaffee aufzubrühen und den Messeteilnehmern anzubieten.«
»Das ist nett von dir, Lester. Ich helfe dir, ihn zu verteilen.«
»Das würdest du tun? Vielen Dank. Ich habe sogar ein paar Krüge Sahne und milchfreien Kaffeeweißer mitgebracht.«
Ich half Lester, seinen Wagen über den belebten Rasen zu navigieren. Der erste Halt war kein anderer als der Stand von Sugar Lips. Parker balancierte auf einem Stuhl und versuchte, ein Schild aufzuhängen, während Marian sich mit herzlich wenig beschäftigte und auf einem Stuhl saß, den sie mitgebracht hatte. Ich war überrascht, dass er nicht goldfarben bemalt war und die Form eines Throns hatte.
»Willkommen in Port Danby«, sagte Lester. Er stellte zwei Becher Kaffee auf das Holzregal des Standes. Lester schenkte Marian sein freundliches Lächeln. Meiner Meinung nach war sein Lächeln die Art, die sogar einen schlechten Tag aufheitern konnte, aber die Frau schaffte es nicht einmal, die Lippen zu verziehen. Vielleicht hatte sie Angst, dass sie die alberne Menge Lippenstift, die sie auf ihre dünnen Lippen geschmiert hatte, ruinieren würde.
Lester war ein wenig verblüfft, also sprang ich ein, um ihn aus den haiverseuchten Gewässern zu retten. Ich nahm den Kaffeeweißer. »Sahne oder milchfrei?«, fragte ich fröhlich.
Marian warf dem Kaffeeweißer einen flüchtigen Blick zu. »Weder noch. Ich habe meinen eigenen.« Sie griff in ihre Tasche und holte eine kleine weiße Flasche mit französischem Etikett heraus. »Ich verwende nur diesen Kaffeeweißer. Ich kaufe sie, wann immer ich in Frankreich bin. Es gibt nichts Vergleichbares.«
»Frankreich, wow. Das muss köstlich sein.« Lester war großartig darin, Charme vorzutäuschen, auch wenn er ihn nicht spürte.
Marian nahm die Tasse Kaffee und las das Label. »Coffee Hutch.«
»Ja, genau. Ich bin der Besitzer. Wir sind nur ein paar Blocks entfernt auf –«
»Wenn Sie ein Café von gewissem Wert besitzen, sollten Sie darüber nachdenken, diesen Kaffeeweißer in Ihr Sortiment aufzunehmen.«
Lesters improvisierter Werbespot wurde jäh gestoppt. Er warf mir einen verstohlenen Blick zu und ich zwinkerte ihm heimlich zu.
»Er wird ihn sich ansehen«, sagte ich. »Also, Lester, vielleicht sollten wir weiter, bevor der Kaffee kalt wird.«
»Ja«, sagte Lester. »Es ist ziemlich kühl hier draußen auf dem Stadtplatz.« Er zwinkerte zurück.
Plötzlich wurde mir mit langen weißen Fingern, deren Nägel mit rotem Nagellack bemalt worden waren, eine Visitenkarte unter die Nase gehalten. »Hier ist meine Visitenkarte. Dort sind mein Blog und meine Website aufgeführt. Ich habe mehrere Beiträge über den Kaffeeweißer und wo man ihn kaufen kann.«
»Klar.« Ich schob die Karte in meine Tasche. »Danke.«
»Guten Tag«, sagte Lester mit zusammengebissenen Zähnen. Wir rollten den Wagen zum Stand der Barbecue Boyz. Lester neigte den Kopf in meine Richtung. »Sugar Lips? Zuckerlippen? Eher eine saure Miene.«
Ich musste mein Lachen unterdrücken, weil ich Angst hatte, Fitch könnte denken, wir würden sie auslachen.
Ach, richtig. Das taten wir.
KAPITEL 7
Ein lautes Klingeln löste meinen seltsamen Traum von mit Kaffeeweißer gefüllten Wasserbällen auf. Ich brauchte mehr als ein paar Sekunden, um herauszufinden, wo ich war und warum mein Nacken und Rücken so steif waren. Ich hob meinen schweren Kopf von meinen Unterarmen. Mein Hintern wackelte auf dem Hocker unter mir. Und durch den Nebel meines tiefen Schlafes sah ich eine dunkle Gestalt auf mich zukommen. Die späte Nachmittagssonne, die durch die Fenster schien, warf Schatten auf sein Gesicht.
»Miss Pinkerton, geht es Ihnen gut?«
Ich holte tief Luft und rutschte vom Hocker, landete aber glücklicherweise auf meinen Füßen. »Detective Briggs.« Meine Stimme klang rau und verschlafen. Ich räusperte mich. »Ich muss wohl eingenickt sein.« Zwischen dem frühen Aufstehen, um Elsie mit ihren Souvenir-Keksen zu helfen, und dem Aufblasen von zwanzig Wasserbällen hatte der Tag endlich seinen Tribut gefordert.
Ich schaute zu Kingstons Stange hinüber. Sie war leer. Dann erinnerte ich mich, dass meine verärgerte Krähe in der Sekunde, in der ich die Tür öffnete, direkt über mich hinweg und aus dem Laden geflogen war.
»Was machen Sie hier?«, fragte ich. »Sind Sie gekommen, um eine meiner Thanksgiving-Tischdekorationen zu bestellen?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Eigentlich habe ich gehört, dass Elsie Zimtschnecken gemacht hat, also habe ich beschlossen, für eine vorbeizukommen. Aber ich bin einen Tag zu spät. Dann bin ich an Ihrem Laden vorbeigekommen, habe einen Blick ins Fenster geworfen und gesehen, dass Sie mit dem Kopf auf der Theke fest schliefen. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass etwas nicht stimmt, und jetzt bin ich hier.« Er deutete auf sein dichtes dunkles Haar. »Sie haben etwas –«
Ich streckte die Hand aus und meine Finger strichen über einen Stängel grünen Farns. Ich riss ihn heraus und warf ihn auf die Theke. »Muss bei der Arbeit eingeschlafen sein. Entschuldigen Sie, ich sehe eine mürrische Krähe im Baum vorn.«
Ich öffnete die Ladentür und genauso wütend, wie er aus dem Laden geflogen war, stürzte Kingston auch wieder herein. Er warf Detective Briggs nicht einmal einen flüchtigen Blick zu, bevor er direkt zu seinem Sitzplatz flog. Und Briggs, der immer die Ruhe selbst war, zuckte kaum zusammen, als die große schwarze Krähe an ihm vorbeifegte.
Ich streckte die Arme aus und versuchte, mit einem tiefen Atemzug die Benommenheit aus meinem Kopf zu vertreiben. »Ich glaube, ich brauche etwas frische Luft.«
»Ich werde mit Ihnen gehen. Ich wollte zum Strand gehen und mein Leuchtturm-Souvenir essen.« Er hob einen in Zellophan verpackten Keks hoch.
»Sie haben einen Souvenir-Keks gekauft. Sehr schön. Ein kurzer Ausflug zum Strand klingt gut.« Es kam selten vor, dass Detective Briggs so freundlich und ungezwungen war. Ich wollte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Ich schnappte mir meine Schlüssel und mein Sweatshirt und drehte mein »Geschlossen«-Schild um, nicht dass ich am Ende des Tages mit Kunden gerechnet hätte. Alle waren zu sehr damit beschäftigt, sich auf den Tanz vorzubereiten.
Wir traten hinaus auf den Bürgersteig. Yolandas Stimme schallte durch die Stadt, als sie immer wieder »Test eins, zwei, drei« sagte. Auf ihren Tontest folgte jedes Mal ein durchdringender, hoher Ton, der meine Schultern bis zu den Ohren hochziehen ließ.
Briggs lachte. »Ich schätze, das Soundsystem haben sie noch nicht ganz perfektioniert.«
»Offenbar nicht. Arme Yolanda. Bei diesen Soundtests klingt sie leicht hysterisch. Sie hat so hart gearbeitet. Ich hoffe, dass alles glattgeht.«
Wir gingen an Franki’s Diner vorbei und weiter zum Pickford Way, wo wir den Weg hinunter zum Strand nehmen konnten.
Briggs bot mir ein Stück Keks an, das ich ablehnte, bevor er einen großen Bissen nahm und damit die schwarze Spitze des Leuchtturms abriss. Seine üblichen Bartstoppeln waren nach einem langen Arbeitstag dicht. Da er bei der Arbeit ordentliche Anzüge und Schuhe tragen musste, hatte ich geschlussfolgert, dass der unrasierte Kiefer und die etwas längeren Haare seine kleinen Zugeständnisse an eine wildere Seite von James Briggs waren. Obwohl ich vielleicht völlig falschlag. Möglicherweise war er in seinem Privatleben ebenso nüchtern.
»Werden wir den berüchtigten Detective Briggs heute Abend beim Tanz sehen?«
»Das weiß ich nicht. Tänze und Messen sind nicht unbedingt mein Ding.«
»Wie enttäuschend. Ich hatte gehofft, ich könnte Ihnen zeigen, was für eine schreckliche Tänzerin ich bin.«
Er lachte. »Ich gebe zu, das würde es wert sein. Aber ich bezweifle, dass ich da sein werde.«
Ich war überrascht, wie enttäuscht ich darüber war, dass er nicht zum Tanz kam. Aber ich war albern. Ich hätte wissen müssen, dass James Briggs nicht der Typ für Stadttänze war.
»Es ist ein paar Wochen her, seit ich Sie gesehen habe«, sagte ich. »Gibt es irgendwelche großen, aufregenden Fälle, an denen Sie gearbeitet haben? Ich brenne darauf, ein neues Rätsel zu lösen.«
»Nichts allzu Spannendes. Meistens eindeutige Fälle. Ich dachte, Sie würden Nachforschungen zum Mord-Selbstmord von Hawksworth anstellen.«
»Ich hatte keine Zeit. Aber da Sie es gerade erwähnen, ich habe vor, dorthin zu fahren und das kleine provisorische Museum im Gärtnerschuppen zu besuchen. Es wird das ganze Wochenende für Besucher geöffnet sein.«
Wir erreichten den Strand. Port Danby war damals, als das Hawksworth Manor seine Blütezeit erlebte, ein geschäftiger Hafen gewesen. Doch größere und modernere Häfen im Süden hatten Port Danby überflüssig werden lassen. Die Docks wurden zu einer Marina für Fischer- und Freizeitboote verkleinert und die Küstenlinie in einen schönen Strand für Tagesausflüge verwandelt.
»Ja, ich habe gehört, dass sie ihn öffnen. Ich hoffe nur, dass Officer Chinmoor und ich keine neugierigen Eindringlinge aus dem kaputten Treppenhaus herausholen müssen. Das musste ich schon mehrmals machen.«
»Wirklich?«, fragte ich und legte eine Hand auf die Brust, um meinen Unglauben zu unterstreichen. »Wow, ich schätze, manche Leute ignorieren diese Warnschilder einfach und klettern direkt über den Maschendrahtzaun und gehen durch diese großen Vordertüren.«
Er sah mich einen Moment lang an und ein winziges Funkeln erhellte seine dunklen Augen. »Miss Pinkerton, Sie haben gerade diese Einzelheiten wegen Hausfriedensbruchs so perfekt aufgelistet, dass ich fast meinen könnte, Sie hätten es selbst getan.«
Noch eine Berührung meiner Brust. »Ich? Niemals.« Ich blinzelte ein paar Mal, nur um meine Unschuld zu betonen. »Und mit dem Abbrechen der Türklinke an der Innenseite hatte ich ganz sicher nichts zu tun. Ganz und gar nichts.«
»Das ist beruhigend zu hören.« Briggs warf einer einsamen Möwe ein paar Kekskrümel zu. Augenblicklich stürzten kreischend Möwen vom Himmel, um ein Stück des Kekses zu ergattern. »Übrigens hat die Chesterton Library bessere Informationen. Sie haben immer noch diese alten Mikrofiche-Geräte, ob Sie es glauben oder nicht.«
»Irgendwie glaube ich es.« Ich hob meinen Arm, um etwas von dem geflügelten Chaos abzuwehren, das auf uns herabregnete. »Elsie ist eine verdammt gute Bäckerin. Sogar die Möwen sind sich einig.«
Die salzige Seeluft hatte mich wiederbelebt und ich musste zurück zum Laden und für die Nacht abschließen. Jetzt verspürte ich einen größeren Drang, das Hawksworth Manor zu besuchen. Ich brauchte etwas Mysteriöses. »Dieser Spaziergang hat mich auf jeden Fall erfrischt. Aber ich sollte zurückgehen.«
»Ich ebenfalls.«
Briggs und ich gingen den Weg zurück in Richtung Harbor Lane. Wir blieben vor der Polizeistation Port Danby stehen. Der schwarz-weiße Streifenwagen war nicht davor geparkt.
»Wo ist Officer Chinmoor?«
»Er ist früh nach Hause gegangen, um sich für den Tanz fertig zu machen«, sagte Briggs mit einem Anflug von Belustigung.
»Schön für ihn. Wenigstens geht er zum Tanz.« Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
Briggs ignorierte ihn. »Ja, er hat sich darauf gefreut. Nun, ich werde Sie wissen lassen, wenn ich Ihre Millionen-Dollar-Nase für irgendwelche Fälle brauche, Miss Pinkerton. Danke für den Spaziergang.«
Ich tippte mir auf die Nase. »Mein treuer Partner und ich sind jederzeit für den Einsatz bereit. Guten Tag, Detective Briggs.«
»Guten Tag, Miss Pinkerton.«