Leseprobe Midnight of Ashes – Flammenherz | Spicy Urban Romantasy / Reverse Harem / Drachenwandler / Academy Romance

Kapitel eins

Hayden

Schmerz. Er war das Einzige, was existierte. Ein feuriges Inferno, das mich von innen heraus verbrannte.

Ein Teil von mir spürte, dass ich auf dem Boden aufschlug, doch der Aufprall auf dem harten Zement war nichts im Vergleich zu den Qualen in meiner Brust.

Ich wand mich und richtete den Blick gen Himmel. Er war so schön. Völlig klar. Sterne leuchteten. Sie schwankten ein wenig, schienen mal heller, mal dunkler zu werden.

Mit einem Rauschen kam mein Gehör zurück. Da waren Rufe. Schritte trommelten über das Pflaster.

Und dann tauchte Eastons Gesicht in meinem Blickfeld auf. Gott, war er schön. Obwohl ich wusste, wie sehr er mich hasste, konnte ich nicht anders, als mich zu ihm hingezogen zu fühlen. Ich konnte nicht anders, als diese Schönheit in mich aufzunehmen.

Sein Dutt hing jetzt leicht schief. Strähnen dieses hellbraunen, in Gold getauchten Haars fielen ihm ins Gesicht. Ein Gesicht, das kreidebleich geworden war. Seine normalerweise gebräunte Haut schimmerte in einem unnatürlichen Weißton.

„Hayden“, krächzte Easton.

Ich wollte etwas erwidern. Ihm sagen, dass alles gut werden würde. Aber mein Mund konnte die Worte nicht formen. Meine Zunge fühlte sich dick und träge an, es war mir unmöglich, sie zu bewegen.

Eastons Hände schwebten über mir, als wüssten sie nicht, was sie tun sollten. Und dann drückte er sie schließlich auf meine Brust.

Erst als seine Handflächen meinen Oberkörper berührten, merkte ich, dass der Schmerz zuvor schwächer geworden war. Oder hatte ich vielleicht unter Schock gestanden? Jetzt jedoch nahm ich alles wieder wahr.

Eine neue Welle der Agonie überrollte mich. Das Feuer kam zurück und fraß mich von innen heraus auf. Ich konnte nicht anders. Ich schrie.

Easton stieß eine Reihe von Flüchen aus. „Es tut mir leid. Es tut mir so verdammt leid. Ich muss es tun. Ich muss dir wehtun.“

Der Schock übernahm wieder, betäubte den schlimmsten Schmerz. Die Sterne über mir flackerten, und meine Augenlider flatterten mit ihnen.

Easton drückte fester auf meine Brust. „Nein. Halte deine Augen offen, Hayden. Bleib bei mir.“

Wieso kümmerte es Easton? Er wollte mich nicht hier haben. Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich mich auf diese Weise davonstahl.

„Bitte!“, flehte er.

Ich öffnete die Augen wieder und versuchte, das Flehen in seiner Stimme zu verstehen.

Eastons Augen schimmerten im Mondlicht. „Warum?“, keuchte er. „Warum zum Teufel hast du das getan?“

Ich wollte ihm sagen, dass er mir etwas bedeutete. Auch wenn er ein Arschloch war. Aber ich brachte die Worte nicht heraus.

Eine einzelne Träne löste sich aus seinem Auge, fiel und landete auf meiner Wange.

Rufe ertönten. Ich konnte nicht sagen, wie weit sie entfernt waren, konnte die Stimmen wegen des Klingelns in meinen Ohren nicht erkennen. Easton schrie etwas zurück, aber es klang nicht wie eine Drohung. Das mussten die Jungs sein.

Neue Gesichter erschienen über mir, und ich versuchte, sie zu erkennen. Ich konnte nicht klar sehen, doch ich erkannte Knox. Er hockte sich neben mich und nahm meine Hand.

„Hayden“, flüsterte er. So viel Schmerz lag in diesem einen Wort.

Maddox bellte irgendetwas in Eastons Richtung, und er ließ sofort von mir ab. Er stand auf und starrte auf seine Hände hinunter. Sie waren blutverschmiert. Von meinem Blut.

Dann tauchte Maddox’ Gesicht in meinem Blickfeld auf. „Es tut mir so leid, Mo Ghràidh. Das wird höllisch wehtun.“

Er wartete nicht darauf, dass ich mich an einer Antwort versuchte; er drückte mir einfach etwas in die Brust. Wenn ich noch hätte schreien können, wäre mir der Laut aus der Kehle gerissen worden. Aber ich schrie nicht. Es war, als ob nur ein kleiner Teil von mir den Schmerz überhaupt spüren konnte.

Wäre ich komplett bei Sinnen gewesen, hätte ich erkannt, dass Maddox meine Wunde verband und versuchte, die Blutung zu stoppen, bis Hilfe kam.

Ich wollte die Stirn runzeln. Würde überhaupt Hilfe kommen? Ich war von einem Schwall Drachenfeuer getroffen worden. Ich wusste nicht, ob es davon ein Zurück gab.

„Drück hier drauf“, befahl Maddox Knox.

Knox erblasste, aber er nickte. Er drückte auf die Gaze. Ich spürte keinen Schmerz bei der Berührung. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Es sollte brennen wie das Feuer der Hölle.

„Cáel, die Infusion!“, bellte Maddox.

In diesem Moment sah ich meinen Wikingerkrieger. Er rang nach Luft, während er in einer Arzttasche wühlte und Maddox schließlich eine Art Schlauch und ein versiegeltes Päckchen reichte.

Er richtete seine Augen auf mich. Das blasse Blau war jetzt fast farblos. So viel Schmerz lag darin. Und mehr als das: Schrecken.

Der Drang, ihn zu trösten, übermannte mich. Ich dachte, er könnte mir die Kraft geben, vom Bürgersteig aufzustehen und einfach die Arme um ihn zu legen. Aber dem war nicht so.

„Kleiner Pieks“, flüsterte Maddox.

Die Zärtlichkeit in Mads Stimme tat weh. Die Art, wie er immer noch alles erklärte, was er tat, obwohl ich wusste, dass ich schon halb weggetreten war.

Ich spürte nicht, wie die Nadel in meine Haut drang, spürte nicht, wie er den dünnen Schlauch anschloss. Aber ich spürte den Schwall kühler Flüssigkeit in meinen Venen. Drogen. Etwas, um die Qualen zu lindern.

Maddox konnte nicht wissen, dass mein Körper bereits gefühllos wurde, und diese Infusion war das Einzige, was er hatte, um mir zu helfen. Die Welt verschwamm noch etwas mehr.

Cillians große Gestalt erschien hinter ihm. „Sie werden in weniger als fünf Minuten hier sein.“

Maddox sah zu ihm auf, seine Stimme klang völlig leer. „Ich weiß nicht, ob sie es so lange schafft.“

Kapitel zwei

Easton

Ich konnte nicht aufhören, auf meine Hände zu starren. Es war ja nicht so, als wären sie noch nie mit Blut bedeckt gewesen. Schon öfter, als ich zählen konnte, hatte ich diese rötlich–braunen Flecken auf mir gehabt. Aber jetzt war mir, als erlebte ich es zum ersten Mal. Weil es ihr Blut war.

Schuld überflutete mich. Aber es war kein passives, schleichendes Gefühl. Diese Schuld war brutal. Sie schoss durch meine Adern und verbrannte alles, was ihr im Weg stand. Sie verzehrte mich völlig.

Selbst nach allem, was ich getan hatte, besonders an diesem Abend, hatte sich Hayden vor mich geworfen, dem Drachenfeuer in den Weg.

Warum nur?

Diese Frage wirbelte in meinem Kopf herum.

„Du wirst sie dazu bringen, bei uns zu bleiben!“, knurrte Cillian.

Die Alphawellen in seiner Stimme rissen mich aus meiner Benommenheit. Cillian hielt den Blick auf Maddox gerichtet, der sich um Hayden kümmerte. Mad hatte ihren Brustkorb mit Gaze bedeckt und eine Infusion gelegt. Gott, ich hoffte, dass er ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben hatte.

Haydens Schrei, den sie ausgestoßen hatte, als ich versucht hatte, die Blutung zu stillen, würde mich für den Rest meines Lebens verfolgen.

„Ich tue, was ich kann“, sagte Maddox. Seine Stimme klang völlig leer und emotionslos, so als wäre er innerlich tot.

„Mad!“ rief Knox, wobei sich Panik in seinen Tonfall grub. „Ich glaube, sie atmet nicht mehr!“

Maddox fluchte und beugte sich über sie. „Wir müssen mit der Wiederbelebung beginnen.“

Aber Haydens Brustkorb war aufgerissen. Ich glaubte nicht, dass eine Reanimation auch nur das Geringste bewirken würde. Trotzdem begann Maddox mit der Herzdruckmassage, während Knox sie beatmete.

Cáels massige Gestalt füllte mein Blickfeld. „Du! Das ist deine Schuld!“ Er schubste mich heftig, und ich tat nichts, um ihn aufzuhalten. „Das ist es doch, was du von Anfang an wolltest. Bist du jetzt glücklich?“

Cillian packte ihn hinten von hinten und zerrte ihn zurück, bevor seine Faust mein Gesicht treffen konnte. Aber ich wünschte, unser Alpha hätte ihn nicht aufgehalten. Ich wünschte, Cáels Faust hätte meinen Kiefer zerschmettert. Dann hätte ich vielleicht eine kleine Ablenkung von den Qualen gehabt, die in meiner Brust tobten.

„Reiß dich zusammen“, knurrte Cillian. „Das ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können.“

Sirenen ertönten. In der Ferne sah ich das Aufblitzen von Lichtern. Ich wusste, dass Cillian den Krankenwagen unserer Horde gerufen hatte. Wir hatten ihn als Absicherung. Wenn ein Drachenwandler verletzt wurde, bestand immer die Möglichkeit, dass er sich verwandelte, ohne es zu wollen. Unser Krankenwagen hatte ein Medikament an Bord, das die Verwandlung verhinderte, sowie weitere medizinische Ausstattung, die speziell für Wandler geeignet war.

Etwa alle Minute befahl Maddox Knox zu atmen.

Mein Hirn war kaum in der Lage, die Bedeutung dieser Aufforderung zu erfassen. Eine neue Welle der Angst durchfuhr mich jedes Mal.

Mit quietschenden Reifen kam der Krankenwagen zum Stehen, und zwei Hordenmitglieder sprangen heraus. Selbst sie, die schon viele Verletzungen gesehen hatten, gerieten bei Haydens Anblick ins Stocken. Sie wussten, was sie für meine Gefährten war. Sie wussten, was das bedeuten könnte.

Dann eilten sie mit einer Art Maschine herbei und legten Pads auf Haydens Brust.

„Alle weg!“, befahl Gretchen.

Alle traten zurück.

Haydens Körper zuckte in einer unnatürlichen Bewegung. Ich wollte mich wegdrehen, konnte aber nicht.

Gretchen drückte ihre Finger an Haydens Hals und biss die Zähne zusammen. „Weg!“

Haydens Körper zuckte erneut.

Noch einmal beugte sich Gretchen über Hayden und drückte zwei Finger an deren Hals. „Ich habe einen Puls. Los geht’s!“

Innerhalb von Sekunden wurde Hayden auf eine Trage gelegt.

Meine Brüder drängten sich im hinteren Teil des Krankenwagens um sie, aber ich krabbelte auf den Beifahrersitz. In dem Wissen, dass ich diese Situation verursacht hatte, konnte ich ihr nicht derart nah sein.

Gene sprang hinter das Steuer und schaltete die Sirenen wieder ein.

„Wo ist der Druide?“, brüllte Cillian aus dem hinteren Teil des Wagens.

„Er wartet im Behandlungsraum und bereitet alles vor, was er benötigt“, rief Gene.

Ich empfand einen Anflug von Mitleid mit dem Druiden. Ihm wurde eine kaum zu lösende Aufgabe gestellt. Wenn er versagte, wäre es ihm unmöglich, bei unserem Clan zu bleiben. Cillian wäre nicht in der Lage, seinen Anblick zu ertragen.

Gene drückte aufs Gaspedal.

Die Fahrt zu unserem Anwesen dauerte nur halb so lange wie sonst. Die Tore standen bereits offen, und der Krankenwagen wurde nicht einmal langsamer, als wir uns näherten. Mit quietschenden Reifen kamen wir vor unserem Haus zum Stehen, wo Mitglieder der Horde warteten, bereit, alles zu tun, um zu helfen.

Knox und Cillian hoben die Trage an, während Gretchen obendrauf hockte und eine Art Beutel drückte, der Hayden beim Atmen half. Ich folgte ihnen, als wäre ich ein Roboter, dessen Steuerung jemand anders kontrollierte.

In gewisser Weise war das auch genau so. Ich hatte Hayden berührt. Haut an Haut. Ich spürte, wie die Gefährtenverbindung in meinem Körper zum Leben erwachte. Auch wenn das Band noch nicht gefestigt war, hatte sie die Kontrolle.

Cáel und Maddox klammerten sich geradezu an die Trage, die Knox und Cillian den Flur hinuntertrugen. In dem Moment, in dem wir den Behandlungsraum erreichten, war Marcus, unser neuer Druide, an Haydens Seite. Mir entging nicht, wie blass sein Gesicht wurde, als er sie sah.

„Was ist passiert?“, fragte Marcus.

Alle Augen im Raum richteten sich auf mich.

„Drachenfeuer. Sie wurde von Drachenfeuer getroffen.“ Die Stimme, die antwortete, ähnelte meiner eigenen nicht im Geringsten.

Marcus nickte und begann, Zutaten zusammenzutragen, die er dann in einer Schüssel vermischte. Während er arbeitete, sang er in dieser Sprache, die ich immer noch nicht verstand. Ein paar Augenblicke später sah er auf. „Ich brauche ihre Gefährten. Alle von ihnen.“

Panik stieg in mir auf, aber eine starke Hand packte mich am Arm. Ich sah nach unten und erkannte Cáels tätowierte Hand.

„Wenn du ihr nicht hilfst, werde ich dir das Herz bei lebendigem Leib aus dem Körper reißen.“

Ich bezweifelte nicht, dass er das tun würde. „Ich laufe nicht weg.“ Ich würde tun, was auch immer Marcus mir auftrug. Ich musste es tun.

„Ich möchte, dass ihr alle ihr die Hände auflegt, Haut auf Haut“, befahl der Druide. „Eure Energie ist das Einzige, was sie möglicherweise retten kann. Stellt euch vor, wie sie in sie hineinfließt.“

Ich trat vor und legte meine Handfläche auf Haydens Wade. Die Empfindungen durchzuckten mich und zwangen mich fast in die Knie. Meine Bestie drängte an die Oberfläche. Sie wollte frei sein, wollte Anspruch erheben und beschützen. Sie wusste, dass unsere Gefährtin in Lebensgefahr schwebte, und gab mir die Schuld daran.

Ich kämpfte sie nieder und konzentrierte mich darauf, Hayden zu spüren. Ihre Haut war viel zu kalt. Es war in jeder Hinsicht falsch.

Marcus tauchte etwas, das wie ein Bündel Salbei aussah, in das Gebräu, das er hergestellt hatte, und hielt es Cillian hin. „Entzünde es mit deinem Feuer.“

Cillian öffnete den Mund. Ein Flammenwirbel entwich ihm und entzündete das Bündel.

„Hände auf Hayden“, befahl Marcus. „Konzentriert eure Energie.“

Ich spürte die Verbindung zwischen mir und Hayden, die ich während der letzten Wochen so verzweifelt zu ignorieren versucht hatte. Dann legte ich alles, was ich hatte, hinein. Wenn es half, würde ich ihr meinen letzten Atemzug geben.

Marcus begann zu singen und streute Asche über Haydens Körper. Die Asche hatte jedoch nicht die typische graue Farbe. Sie schimmerte in einer Vielzahl von Farben, die sich im Fallen veränderten.

Plötzlich spürte ich ein Ziehen, etwas sog an meiner Energie. Ich ergab mich, ließ Hayden nehmen, was sie brauchte.

Die grünen Energieschwaden, für die Druiden bekannt waren, umwirbelten Marcus, während er immer lauter sang. Funken stoben um Hayden herum und ließen sich dann in ihrer Brust nieder.

Wie gebannt sah ich zu, wie das klaffende Loch in ihrer Brust zu heilen begann.

In dem Moment, in dem ihr Fleisch wieder zusammengewachsen war, sackte Marcus gegen die Trage. Er sah Hayden an, jedoch konnte ich in seinem Blick keine Erleichterung erkennen. „Alles, was wir jetzt tun können, ist warten. Es liegt an ihr, ob sie zurückkommt.“

Eine weitere Welle des Schmerzes durchfuhr mich. Ich hatte Hayden dazu gebracht, wegzulaufen. Ich hatte sie dazu gebracht, an den Gefühlen zu zweifeln, die meine Brüder für sie empfanden. Wenn sie jetzt starb, wäre es meine Schuld, und zwar doppelt.