Leseprobe Lady Phoebes stürmische Sehnsucht

So kann es nicht weitergehen

Phoebe

Juni 1820

»Wie schön, dass du hier bist!« Georgina breitete die Arme aus und zog Phoebe an sich, was wegen ihres angeschwollenen Leibes nicht ganz gelingen wollte.

Bis zur Geburt des dritten Kindes sollte es zwar noch fünf Monate dauern, doch man sah es ihr mit jeder neuen Schwangerschaft früher an. Diese Beobachtung verschwieg Phoebe und erwiderte stattdessen die Umarmung.

»Ich freue mich auch.« Das stimmte nur zum Teil. Sie war froh, ihre Schwester zu treffen und bei ihr wohnen zu können. Schließlich hatte sie keine eigene Bleibe und war darauf angewiesen, von Verwandten aufgenommen zu werden.

Deshalb pendelte sie seit zwei Jahren zwischen Sussex, wo ihre Zwillingsschwester Helen lebte, und ihrer älteren Schwester Georgina in Kent. Und ständig war eine schwanger. Fast als hätten sie sich abgesprochen. Wann immer eine der beiden entbunden hatte, traf auch schon die Nachricht der anderen ein, erneut guter Hoffnung zu sein.

Die Geburt von Helens Sohn, ihrem zweiten Kind, war erst neun Wochen her, dementsprechend war Georgina an der Reihe.

Phoebe freute sich ja für ihre Schwestern, aber langsam wurde es ihr zu viel. Für eine Frau, die sich nicht dafür interessierte, Hebamme zu werden, geschweige denn zu heiraten oder Kinder zu bekommen, hatte sie entschieden zu viele Geburten miterlebt.

Das Gefühl, in einer endlosen Schleife der ewig selben Ereignisse gefangen zu sein, verstärkte sich von Tag zu Tag.

»Möchtest du die Kleinen sehen? Henry ist richtig erwachsen geworden und Sophie lernt gerade laufen.«

Phoebe lag es auf der Zunge, zu sagen, dass ein kaum Dreijähriger sicher nicht erwachsen war, verkniff sich jedoch einen spitzzüngigen Kommentar. Mit jungen Eltern über ihre Kinder zu diskutieren war ein Fehler, den sie gelernt hatte, zu vermeiden. Wenn man sich einmal auf so ein Gespräch einließ, endete es erst nach Stunden. Deshalb antwortete sie diplomatisch: »Ich freue mich darauf, die beiden wiederzusehen.«

»Wunderbar.« Georgina hakte sich bei ihr ein. »Gehen wir gleich nach oben und du erzählst mir währenddessen alles über den kleinen Alexander.« Sie seufzte theatralisch. »Ich freue mich für Helen, doch es stimmt mich auch betrüblich, dass wir uns kaum mehr sehen.«

»Dann solltet ihr eure Schwangerschaften besser planen oder mal eine Pause einlegen«, rutschte es Phoebe heraus. Der Versuch, ihre Worte durch ein Lächeln abzumildern, misslang, was sie deutlich an Georginas Gesicht sehen konnte.

»Höre ich da einen gewissen Unmut?« Die Frage kam nicht verärgert, aber mit Erstaunen.

Phoebe war versucht, zu verneinen, entschied sich jedoch dagegen. Sie kannte sich und wusste, dass sie irgendwann sowieso mit der Wahrheit herausplatzen würde. Sie war an der Grenze dessen angekommen, was sie schweigend ertragen konnte. »Vielleicht ein winziges Bisschen«, sagte sie deshalb vorsichtig und wartet auf Georginas Reaktion.

Die blieb stehen und griff nach ihrer Hand. »Was ist denn los?«

»Puh, wo soll ich anfangen?« Sie atmete einmal tief ein und beschloss, aus dem Bauch heraus zu antworten. »Seit zwei Jahren reise ich von hier zu Helen und zurück und sehe euch dabei zu, wie ihr eigene Familien gründet und ein Kind nach dem anderen bekommt.«

»O je.« Georgina schlug die Hand vor den Mund und bekam diesen Ausdruck in den Augen, der Phoebe sagte, dass sie besser geschwiegen hätte.

»Wie unsensibel von uns. Wir haben dich davon abgehalten, dein eigenes Glück zu finden. Dir eine eigene Familie …«

»Nein, nein, nein, nein!« Phoebe wedelte abwehrend mit der Hand. »Ich will gewiss nicht heiraten oder gar eine eigene Familie gründen, nichts läge mir ferner.« Um ihren Standpunkt zu unterstreichen, schüttelte sie mehrfach den Kopf. »Ich vermisse, was wir früher gemacht haben: Das Untersuchen und Einordnen von Artefakten, das Lesen von Fachartikeln oder mit dir und Chadwick darüber zu fachsimpeln. All die Dinge, die wir in Ägypten getan haben. Und vorher.« Sie biss sich auf die Unterlippe und sah zu ihrer Schwester.

In deren Gesicht zeigte sich zuerst Überraschung und dann Reue. Nachdenklich strich sie sich über den Bauch. »Ich wusste nicht, dass …«

»Es ist halb so wild«, warf Phoebe ein, die wünschte, sie hätte nie etwas gesagt. »Die Reise war lang und ich hatte zu viel Zeit, auf dumme Gedanken zu kommen. Lass uns zu den Kindern gehen.« Diesmal gelang ihr ein Lächeln, aber sie erkannte an Georginas zusammengekniffenen Augen, dass diese ihr den Sinneswandel nicht abkaufte.

Allerdings sagte sie nichts weiter dazu und Phoebe war froh, fürs Erste davongekommen zu sein. Nur ließen sich ihre Worte nicht mehr zurücknehmen und würden sicher in den nächsten Tagen zu einem unangenehmen Gespräch führen. Zeit genug, um sich die richtigen Argumente sorgsam zurechtzulegen. Denn auch wenn sie sich eine Veränderung sehnlichst wünschte, war sie doch vollständig vom Wohlwollen ihres Vormunds abhängig, und das war niemand anderes als Lord Chadwick, der Ehemann ihrer älteren Schwester.

Eigentlich hatte sie keinen Grund, sich zu beschweren, ihre Schwestern waren stets hilfsbereit gewesen und würden ihr gewiss niemals einen Strick daraus drehen, wenn sie nicht ständig zur Verfügung stand. Dennoch hatte Phoebe das Gefühl, dass sie sich irgendwie revanchieren, sich nützlich machen musste, auch wenn es sie Stück für Stück in den Wahnsinn trieb. Es war eine verzwickte Lage, an der sie niemandem außer sich selbst die Schuld geben konnte und aus der sie trotzdem keinen Ausweg sah.

 

Curtis

»Clay ist wohlbehalten in New York angekommen und jetzt auf dem Weg nach Westen.« Curtis sah von seiner Mutter zu seinem Vater, der sich jedoch weiter hinter seiner Zeitung versteckte, anstatt zu antworten. Auch seine Mutter tat so, als habe sie ihn nicht gehört, und strich Butter auf ihren Toast.

»Wir ignorieren also weiter, dass er noch am Leben ist?« Diesmal richtete er die Frage an niemand Bestimmten, da er sowieso nicht mit einer Antwort rechnete.

Überraschenderweise reagierte diesmal sein Vater, indem er von seiner Zeitung aufsah. »Seit dem Tag, an dem dein Bruder dieses Schiff betreten hat, habe ich nur noch einen Sohn: dich. Und jetzt will ich nichts weiter hören.« Ein Blick aus stahlgrauen Augen, die so sehr seinen eigenen glichen, traf Curtis.

Seine Mutter blickte ebenfalls auf und ergriff die Chance, ihr Lieblingsthema anzusprechen: »Was uns zu der Frage bringt, wann du endlich gedenkst, deinen Pflichten nachzukommen? Du bist jetzt Lord Griffin und damit geht eine Verantwortung einher.«

Curtis presste die Zähne aufeinander und hieß den Schmerz willkommen, den ein Stück Wange erzeugte, das dazwischen geriet. Er gab ihm die Kraft, ruhig und beherrscht zu antworten. »Das ist mir bewusst, Mutter. Allerdings bin ich erst siebenundzwanzig. Da bleibt genug Zeit, um meine Pflicht zu erfüllen.« Er betonte das Wort absichtlich abfällig, weil er hoffte, die ewig gleiche Diskussion damit abkürzen zu können.

»Das kommt auf die Umstände an«, gab seine Mutter zu bedenken. »Und die haben sich grundlegend geändert. Du bist nicht nur der Erbe des Titels, sondern auch unser einziger verbleibender Sohn. Es ist deine Pflicht, schnellstmöglich für einen Erben zu sorgen.«

Pech gehabt. Sie waren mittendrin in dem leidigen Thema und ein Ende der Diskussion war nicht in Sicht. »Wie gesagt, ich bin noch jung und …«

»So selbstsüchtig haben wir dich nicht erzogen«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Was ist, wenn dir etwas zustößt? Dann geht der Titel an irgendeinen entfernten Verwandten und deine Schwestern stehen mit nichts da.«

»Na ja, nicht direkt, Vater ist ja auch noch da.« Hilfesuchend sah Curtis zu ihm. Der jedoch vermied den Blickkontakt und widmete sich noch intensiver seiner Zeitung. Aus dieser Richtung war offensichtlich keine Schützenhilfe zu erwarten.

»Vater war achtunddreißig, als ihr geheiratet habt«, verteidigte sich Curtis verzweifelt, was ihm einen bösen Seitenblick seines Erzeugers einbrachte, der nun doch seine Zeitung beiseitelegte.

»Glaub mir, mein Sohn, ich wünschte heute, ich hätte früher geheiratet. Dann hätte ich längst Enkel, die das alles hier …« Es folgte eine weitläufige Bewegung mit der Hand. »… eines Tages erben, und müsste mir nicht euer Gezanke anhören. Hör auf, herumzujammern, und werde deiner Verantwortung gerecht wie ein Mann.«

Curtis hätte einwerfen können, dass seine Eltern bereits drei Enkelkinder hatten, wusste jedoch, wie sinnlos das war. Am Ende waren das alles nur Kinder von Töchtern und damit für den Stammbaum irrelevant.

»Muss ich gleich neun Kinder in die Welt setzen, so wie ihr?«, fragte Curtis. Er hätte den Mund halten sollen, was er meistens tat, doch er war wütend auf seine Eltern wegen ihrer Haltung zu Clay. Sein Bruder war eine Mesalliance mit einem Dienstmädchen eingegangen, nach Amerika ausgewandert und deshalb enterbt worden. Das hatte dazu geführt, dass er, Curtis, der jüngere Sohn, den Titel und die Bürde des Erben übernommen hatte.

»Hüte deine Zunge«, zischte sein Vater. »Nur weil du jetzt den Titel erbst, kannst du dir nicht alles erlauben. Du lebst hier unter meinem Dach und vergiss nicht, dass ich derjenige bin, der dir bisher erlaubt hat, deinen Hirngespinsten nachzujagen. Wenn du dich weiterhin mit deinem Museumskram beschäftigen möchtest, tust du, was deine Mutter von dir verlangt. Wir sind eine angesehene Familie und haben den Sturm der letzten Wochen nur überstanden, weil jedes einzelne Mitglied seinen Beitrag geleistet hat. Deshalb nimmst du an allen Veranstaltungen teil, die deine Mutter für angemessen hält, um heiratswilligen jungen Damen zu begegnen, und bemühst dich, so schnell wie möglich eine passende Ehefrau zu finden. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Erneut biss Curtis die Zähne aufeinander, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Es brachte nichts, jetzt einen Streit mit seinen Eltern vom Zaun zu brechen. Sie würden nie verstehen, dass er das Museum jedem gesellschaftlichen Ereignis vorzog. Das Beste war es, freundlich zu nicken, bei ein paar Veranstaltungen aufzutauchen, um seine Mutter zu beruhigen, und ansonsten weiterzuleben wie bisher. Denn eins war sicher: Er hatte nicht vor, in absehbarer Zukunft zu heiraten.

»Wie Ihr wünscht, Vater«, sagte er höflich und erhob sich. »Ich verabschiede mich.« Ohne weitere Erklärung verbeugte er sich kurz in Richtung seiner Eltern und verließ den Raum, um den Tag im Museum zu verbringen.

 

Drei Monate später

Phoebe

»Lord Hallow hat geschrieben und mich dringend gebeten, nach London zu kommen.« Timothy, Lord Chadwick, schnitt ein Stück Braten ab und sah von Phoebe und zu seiner Frau. »Er hätte gern meine Expertise bei der Einordnung und Registrierung der Fundstücke aus dem Tal der Könige und Abu Simbel.«

Völlig ohne ihr Zutun beschleunigte sich Phoebes Herzschlag. Zum einen, weil sie mit Wehmut an ihre Zeit in Ägypten dachte. Nichts war mit dem Gefühl zu vergleichen, das einen überfiel, wenn man im unendlichen Wüstensand auf Überreste aus längst vergessenen Epochen traf.

Das war die Gelegenheit, auf die sie seit Wochen wartete. Jetzt musste sie alles richtig machen, um eine Chance zu bekommen, dabei sein zu dürfen. Fürs Erste war es jedoch besser, die Reaktion ihrer Schwester abzuwarten.

»Wie lange würde das dauern?« Georgina fuhr sich mit der Hand über den Bauch. Eine Geste, die Phoebe zeigte, wie wenig ihr die Vorstellung gefiel, ihr Mann könne kurz vor der Geburt nach London reisen.

»Ich könnte binnen einer Woche zurück sein, wenn ich mich auf das Wichtigste beschränke. Allerdings gibt es Probleme mit Belzoni. Er plant seine eigene Ausstellung in der Egyptian Hall und hat sich direkt mit den Herren von der Society angelegt. Du weißt ja, wie er ist. Es wäre wirklich besser, wenn jemand, der ihn kennt, vor Ort wäre, um zu vermitteln.«

»Ich helfe gern«, warf Phoebe ein, die den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt, sich in Erinnerung zu bringen. Sie hatte sich stets gut mit Chadwicks Ausgrabungspartner verstanden und wusste, wie mit dem temperamentvollen Italiener umzugehen war.

»Ich wüsste deine Hilfe zu schätzen«, sagte Chadwick langsam. »Und Belzoni würde sich bestimmt auch freuen, dich wiederzusehen. Ich weiß, dass er große Stücke auf dich hält. Allerdings bin ich nicht sicher, ob die Herren der Society davon begeistert wären.«

»Ich verspreche, mich von meiner allerbesten Seite zu zeigen.« Phoebe strahlte ihren Schwager hoffnungsvoll an. »Bei der Ausgrabung in Ägypten haben wir es auch geschafft, die Männer davon zu überzeugen, dass ich weiß, was ich tue. Im Vergleich dazu sind ein paar verstaubte Gelehrte doch ein Klacks.«

»Da wäre außerdem noch die Londoner Gesellschaft«, gab Georgina zu bedenken. »Du kannst dich als ledige Frau nicht mit einer Horde Männer treffen. In Ägypten war es egal, was die Leute hinter deinem Rücken gedacht oder gesagt haben, aber hier wäre es fatal. Nicht nur dein Ruf wäre völlig ruiniert. Es würde auch auf Timothy zurückfallen.«

»Ich nehme eine Anstandsdame mit. Eine, die über jeden Zweifel erhaben ist.« Zu ihrem Leidwesen erkannte Phoebe, dass sie bettelte, doch daran war nichts zu ändern. Sie wollte diesen Besuch in London.

»Das könnte gehen.« Chadwick sah zu Georgina. »Phoebe könnte bei eurer Tante Victoria leben, die mit Sicherheit auch für passende Begleitung sorgen kann.«

Lady Victoria, Viscountess Castleton, war ein an- und gerngesehenes Mitglied des Londoner ton und hatte sich gegenüber Phoebe und ihrer Familie in den vergangenen Jahren mehr als großzügig gezeigt. Seit Phoebes erster Saison 1817 war das Haus von Tante und Onkel ein sicherer Anlaufpunkt für sie und ihre Schwestern, wenn sie in London weilten. Wenn sie bei ihr leben konnte, war Georgina bestimmt einverstanden. Theoretisch brauchte sie die Erlaubnis ihrer Schwester nicht, doch in Wirklichkeit war deren Einverständnis das Einzige, was zählte. Denn Phoebe wusste genau, dass ihr Vormund, Lord Chadwick, seiner Ehefrau keinen Wunsch abschlagen konnte.

»Wenn Phoebe ohnehin im British Museum ist, könnte sie Lord Hallow bei der Zuordnung der Fundstücke helfen und ich wäre früher frei, um zurückzukommen«, fuhr Chadwick fort. »Sie kennt sich mit den Artefakten genauso gut aus wie ich. Und Belzoni frisst ihr aus der Hand.«

In diesem Moment erkannte Phoebe, dass sie gewonnen hatte. Georgina würde der Aussicht, dass ihr über alles geliebter Timothy früher nach Hause kam, niemals widerstehen können.

»Phoebe, bist du wirklich sicher, dass du das willst?« Fragend sah Georgina zu ihrer Schwester, die gar nicht schnell genug nicken konnte.

»Wenn ich euch damit helfen kann.«

»Und mit wem würde sie dort arbeiten?«

Phoebe fragte sich, warum ihre Schwester das unbedingt wissen wollte. Für sie spielte es eine untergeordnete Rolle. Sie würde mit Beelzebub persönlich zusammenarbeiten, um der Eintönigkeit ihres momentanen Daseins zu entfliehen. Sie wollte nicht länger die ewige Tante sein. Dass sie es nicht übers Herz brachte, es ihrer Schwester ins Gesicht zu sagen, machte es nicht weniger wahr.

Chadwick verzog kurz den Mund, bevor er antwortete: »Lord Hallow, du erinnerst dich an ihn?«

»Dieser unfreundliche Alte, der keine Zeit mit Höflichkeiten verschwendet?«

»Ich sehe, du weißt, wen ich meine.« Und an Phoebe gewandt fügte er hinzu: »Er mag ein wenig kauzig sein und nimmt kein Blatt vor den Mund, aber er ist äußerst zielorientiert und wird deine Expertise sicher zu schätzen wissen.«

»Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen.« Und das stimmte, denn das klang nach einem Mann, dem ihr Geschlecht egal war.

»Lord Hunting wird sicher auch mit von der Partie sein.«

Die Nennung dieses Namens entlockte beiden Frauen ein Stöhnen. Lord Hunting hatte Georgina vor ihrer Hochzeit mit Chadwick für kurze Zeit den Hof gemacht und Phoebe war ihm bei diesen Besuchen ebenfalls begegnet. Ein Witwer auf der Suche nach einer Ersatzmutter für seine Kinder.

»Ist er denn inzwischen wieder verheiratet?«, fragte sie.

»Soweit ich weiß nicht«, antwortete Chadwick.

Na toll, hoffentlich kam der Mann nicht auf die Idee, ihr den Hof zu machen.

»Nach den Ereignissen um Georginas und meine Eheschließung glaube ich allerdings nicht, dass du Avancen von ihm zu erwarten hast. Er hat sich ja auch vor drei Jahren nicht für dich interessiert, warum sollte sich das geändert haben?«

»Weil er noch verzweifelter ist?«, beantwortete Phoebe die Frage.

»Warum denn verzweifelt?« Chadwick schien ihre Befürchtungen nicht zu teilen. »Er hat einen Erben und seine Älteste feiert im Frühjahr ihr Debüt. Es gibt keinen Grund, warum er dringend heiraten müsste.«

Ein Räuspern von Georgina veranlasste Chadwick, zu seiner Frau zu sehen. »Es gibt da durchaus noch andere Dinge, für die eine Ehefrau gut ist«, bemerkte diese mit einem verschmitzten Lächeln, das in Phoebe ein Kichern aufsteigen ließ.

Das verging ihr allerdings, sobald sie daran dachte, wie unangenehm sie Hunting und sein Werben um Georgina empfunden hatte. Vor ihm musste sie sich in Acht nehmen. »Gibt es noch mehr Männer, die an den Fundstücken arbeiten?«, wechselte sie das Thema.

»Vermutlich noch der junge Lynch. Jüngerer Sohn eines Earls, der seine Zeit ganz den Studien der alten Ägypter widmet. Ich habe bisher nur selten mit ihm zu tun gehabt. Scheint ein anständiger Kerl zu sein und ein hervorragender Restaurator. Und das waren alle in der ägyptischen Abteilung.«

»Das klingt doch nicht schlecht.« Hunting bereitete ihr Sorgen, doch das wollte sie nicht zugeben. Sie wäre ja nicht mit ihm allein, sondern in Begleitung einer Anstandsdame und der beiden anderen Herren. Was konnte da schon schief gehen?

Neue Perspektiven

Fünf Wochen später

Phoebe

»Sind wir uns einig?« Tante Victoria bedachte Phoebe mit einem Lächeln, welches verdeutlichte, dass sie keinen Deut von ihren Forderungen abrücken würde.

Sie saßen in einem wundervoll eingerichteten Raum mit hohen Decken, weißen Wänden und großen Fenstern, dem oberen Salon des Londoner Stadthauses, in dem ihre Tante nebst Mann lebte. Phoebe hatte sich hier stets wohlgefühlt.

»Mrs Stroud wird als meine ständige Anstandsdame fungieren«, sagte Phoebe bestätigend. »Ich begleite dich zu jedem gesellschaftlichen Ereignis und zu jeder Veranstaltung, die du für wichtig erachtest, selbst wenn ich dafür der Arbeit fernbleiben muss.« Sie sah ihre Tante ebenfalls mit einem Lächeln an. »Aber ich kann mindestens an jedem zweiten Tag ins Museum.« Das war die einzige Forderung, die sie gestellt hatte, und sie war stolz darauf, sie durchgesetzt zu haben. Hin und wieder mal einen Tag den gesellschaftlichen Pflichten zu opfern, schien ein geringer Preis dafür, dass sie ihrer Passion nachgehen und mit den Fundstücken arbeiten konnte, die sie selbst vor drei Jahren geholfen hatte, dem Wüstensand zu entreißen.

Die Anstandsdame war ein kleiner Wermutstropfen. Nur zehn Jahre älter als Phoebe hätte Mrs Stroud nicht unterschiedlicher sein können. Zwar war sie, genau wie Phoebe, die Tochter eines Landadligen, damit endeten jedoch die Gemeinsamkeiten. Sie hatte in jungen Jahren einen Pfarrer geheiratet, der vor nicht einmal vierundzwanzig Monaten verstorben war. Seitdem verdingte sich Mrs Stroud als Gesellschafterin für junge Damen. Phoebe glaubte nicht, dass sie mit der ewig griesgrämig dreinblickenden Frau gut auskommen würde, doch ihre ständige Anwesenheit war eine von Tante Victorias Bedingungen.

Chadwick war der Unterhaltung bisher stumm gefolgt und rieb sich nun die Hände. »Dann wäre ja alles geklärt und wir können aufbrechen, sobald Mrs Stroud …« Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihn und kündigte das Eintreffen der Pfarrerswitwe an. »Wie schön, dass Sie sich zu uns gesellen, Mrs Stroud«, begrüßte er sie, was ihm ein mürrisches Kopfnicken einbrachte.

Einerseits empfand Phoebe eine gewisse Genugtuung darüber, dass diese Frau vollkommen immun gegen Chadwicks Charme zu sein schien. Warum sollte nur sie unter ihr leiden? Andererseits fragte sie sich, ob Mrs Stroud überhaupt dazu in der Lage war, zu lächeln.

Chadwick ignorierte die nach unten gezogenen Mundwinkel geflissentlich und erhob sich. »Brechen wir auf? Ich habe die Kutsche vorfahren lassen und angesichts der Temperaturen dafür gesorgt, dass für die Damen heiße Steine im Inneren bereitliegen.«

»Wie aufmerksam«, sagte Mrs Stroud, ohne dabei die geringste Emotion zu zeigen.

»Gut, ich hole nur noch meinen Mantel.« Fest entschlossen, sich die Laune nicht verderben zu lassen, erhob sich Phoebe und verließ den Salon gemessen, ganz so, wie man es von einer jungen Dame ihres Standes erwartete.

Sobald sie außer Sichtweite war, beschleunigte sie ihre Schritte undamenhaft und erlaubte einem Grinsen, sich auf ihrem Gesicht auszubreiten. Heute war der erste Tag ihres neuen Lebens und sie würde alles daransetzen, bei den Herren der Society einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die würden sehen, was sie an ihr hatten. Insgeheim malte sie sich aus, wie man sie am Ende auf Knien anflehte, zu bleiben und dauerhaft für das British Museum zu arbeiten. Ja, das würde ihr gefallen.

***

»Phoebe, halt dich zurück und lass mich reden, wenigstens heute. Ich ahne, wie sehr du dich eben bei deiner Tante gezügelt hast, und appelliere an dich, es auch den Rest des Tages zu tun.« Chadwick sah sie flehentlich an. »Bitte«, schob er hinterher.

Dank ihrer hervorragenden Laune senkte Phoebe huldvoll den Kopf. Es würde ihr schwerfallen, zu schweigen, doch sie war zuversichtlich, dass sie es schaffen würde.

Neben ihr räusperte sich Mrs Stroud, die damit ihr generelles Missfallen über die Gesamtsituation ausdrückte, es jedoch ironischerweise vorzog, nichts zu sagen.

»Ich benehme mich, versprochen. Die Herren von der Society werden mich lieben«, sagte Phoebe und schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, das ihn hoffentlich überzeugen würde. Das Schnauben von Mrs Stroud ignorierte sie.

Sie konzentrierte sich lieber auf das warme Kribbeln, welches ihren Körper bei der Vorstellung durchlief, endlich wieder Zeit mit Artefakten aus dem alten Ägypten verbringen zu dürfen.

»Gut.« Ihr Schwager lächelte. »Mein Einfluss reicht weit, aber wenn die Kuratoren sich weigern, mit dir zusammenzuarbeiten, bin selbst ich machtlos.«

»Ich werde mich vornehm zurückhalten«, versprach Phoebe sicher zum hundertsten Mal. »Mit abfälligen Blicken, dummen Witzen, Hohn und Spott komme ich zurecht, das bin ich aus Ägypten gewohnt. Die Herren werden früh genug erkennen, was meine Expertise wert ist.«

»Das sollten sie. Hoffentlich bevor ich nach Hause fahre.«

Das war dann doch recht ambitioniert, denn Chadwick wollte in drei Tagen zurückreisen.

»Ich werde mich gleich vom ersten Tag an unentbehrlich machen. Die werden schon sehen, was ich kann.«

Dieser Kommentar sorgte dafür, dass Chadwick die Brauen hob und Mrs Stroud sich erneut räusperte. Um seine Mundwinkel zuckte es allerdings.

»An deinen fachlichen Fähigkeiten zweifele ich keine Sekunde, meine Liebe. Die Frage ist eher, wie lange du es schaffst, keinen der Gentlemen vor den Kopf zu stoßen.«

Die Kutsche hielt im Hof des British Museums, Phoebe stieg mit einem Lächeln aus und folgte Chadwick hinein. Sie schenkte weder der Architektur des altehrwürdigen Hauses noch den ausgestellten Fundstücken große Beachtung, während sie hinter ihm herlief und sich innerlich für das Kommende wappnete.

In ihrem Rücken spürte sie den strengen Blick der Pfarrersfrau und ihr schauderte bei dem Gedanken, dass sie ab jetzt jeden ihrer Handgriffe beobachten würde. Obwohl sie Mrs Stroud erst vor kurzem kennengelernt hatte, war sie ihr bereits hochgradig unsympathisch. Strenggläubig – nach Phoebes Maßstäben geradezu fanatisch religiös und puritanisch – bestand sie darauf, jeden Morgen und Abend mit ihr in der Bibel zu lesen. Kopfschüttelnd verscheuchte Phoebe den Gedanken an Mrs Stroud. Sie würde lernen, mit ihr auszukommen.

Obwohl es nicht ihr erster Besuch im British Museum war, erfasste ein erneutes Kribbeln ihren Körper. All das Wissen, das an diesem Ort zusammengetragen war, versetzte sie in einen Zustand höchster Erregung. Sie würde ein Teil davon werden und sich beweisen. Endlich.

»Eine Sache noch.« Chadwick blieb so abrupt stehen, dass sie beinahe in ihn hineingelaufen wäre. »Mir wurde mitgeteilt, dass ein weiterer Mitarbeiter die Gruppe verstärkt.« An seinem Tonfall und den leicht nach oben gezogenen Augenbrauen erkannte Phoebe, dass Chadwick den Herren, den er gleich erwähnen würde, nicht sonderlich schätzte.

»Es handelt sich um Archibald Fitzwilliam, den ältesten unehelichen Sohn von Prinz William Henry.«

Diesmal verstand Phoebe das laute Schnauben von Mrs Stroud. Selbst sie hatte von den Eskapaden des Prinzensprosses gehört, obwohl sie nicht viel Zeit in London verbracht hatte. Er hatte einen Ruf als notorischer Schürzenjäger und Spieler.

»Wie es aussieht, hat der Prinz dafür gesorgt, dass Hallow den Jungen unter seine Fittiche nimmt.«

»Den Jungen? Er ist fünfundzwanzig«, murmelte Mrs Stroud. »Alt genug, um sich am Riemen zu reißen, möchte man meinen.«

»Wahre Worte, Mrs Stroud«, sagte Chadwick. »Bitte haben Sie ein besonderes Auge darauf, dass der Mann sich keine unerwünschten Freiheiten erlaubt. Allzu groß wird die Gefahr nicht sein, denn Hallow meinte, dass Fitzwilliam nur selten auftaucht und, selbst wenn er da ist, die meiste Zeit in einer Ecke herumlümmelt und seinen Kater auskuriert. Trotzdem sollte er keine Gelegenheit bekommen, sich Phoebe in unangemessener Weise zu nähern.«

Die Pfarrerswitwe drückte die Schultern durch und hob energisch das Kinn. »Seid unbesorgt, das werde ich zu verhindern wissen.«

Phoebe unterdrückte ein Lächeln und beglückwünschte Chadwick insgeheim zu seinem diplomatischen Geschick. Durch seinen Kommentar hatte Mrs Stroud das Gefühl, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, ohne Phoebe dabei maßregeln zu müssen. Am Ende stellte sie sich vielleicht sogar als nützlich heraus.

So oder so musste sich Phoebe auf andere Dinge konzentrieren, um den Herren Kuratoren so bald wie möglich zu beweisen, wie wertvoll sie für dieses Projekt war.

 

Curtis

»Sie kommen«, rief Lord Hunting mit einer Aufregung in der Stimme, die der Situation völlig unangemessen war.

Sicher, der Earl of Chadwick, welcher von seinen Kollegen mit einem solchen Enthusiasmus erwartet wurde, hatte die Ausgrabung in Ägypten geleitet, deren Artefakte sie augenblicklich untersuchten. Einige seiner Funde waren höchst interessant, möglicherweise einzigartig, wie ein erster schneller Blick darauf verraten hatte. Doch war das die Aufregung um seine heutige Ankunft im British Museum wert? Sicher nicht!

Für die Erhaltung von Wissen – was eines der wichtigsten Ziele überhaupt war – brauchte es Männer wie Chadwick, die die Feldarbeit leisteten. Und Männer wie ihn, Curtis, die sich darum kümmerten, dass die Fundstücke untersucht, vermessen, in einen zeitlichen Zusammenhang gebracht, katalogisiert und gegebenenfalls präpariert wurden. Das geschah am besten hier in dieser Halle mit ihren großen Fenstern auf beiden Seiten, die möglichst lange Tageslicht schenkten.

»Hat er sein Mündel mitgebracht?« Die Frage kam in mürrischem Ton vom alten Lord Hallow, der eine kleine Statuette beäugte, die er einer der Kisten entnommen hatte.

Etwa einhundertfünfzig dieser Kisten standen in einer Ecke des Raumes, fein säuberlich gestapelt, und warteten darauf, von ihnen geöffnet zu werden. Geordnet geöffnet. Nur mit Mühe unterdrückte Curtis das Verlangen, Hallow die Statuette aus der Hand zu reißen und sie zurückzulegen. Solange die Artefakte nicht ordnungsgemäß ins Verzeichnis aufgenommen waren, hatten sie in den Kisten zu verbleiben. Hallow sollte das selbst am besten wissen.

»Ja«, antwortete Hunting und gab seiner Missbilligung durch Kopfschütteln Ausdruck. »Wir haben geahnt, dass es so kommen würde.«

»Sie hat hier nichts verloren.« Der ältere Hallow schnaubte und Curtis musste den beiden recht geben.

»Glaubt ihr, dass sie wirklich maßgeblich an der Ausgrabung des Tempels von Abu Simbel und gleich zwei Gräbern im Tal der Könige beteiligt war?«, fragte Hunting jetzt und schüttelte, schon während er sprach, abermals den Kopf.

»Das erscheint mir doch ein wenig übertrieben«, meldete sich Curtis zum ersten Mal zu Wort. Er kannte sich mit Frauen aus, kein Wunder, war er doch mit sieben Schwestern aufgewachsen. »Mal ehrlich, wie hätte man sich das vorzustellen?« Er sah in die Runde und erntete ein Schnauben von Hunting, ein Schulterzucken von Hallow und ein Kopfschütteln von Fitzwilliam, der sich gelangweilt und offensichtlich verkatert auf einem Stuhl fläzte. »Genau, es ist schlicht und ergreifend nicht vorstellbar«, bekräftigte Curtis seine Worte. »Zufällig habe ich bei meiner Grande Tour vor einigen Jahren die Pyramiden besucht. Ich weiß also, wovon ich spreche. Die Hitze in diesem Land ist absolut unerträglich.«

»Dem stimme ich zu«, sagte Hallow. »Genau wie Ihr habe ich die Strapazen auf mich genommen, um das Ursprungsland der Zivilisation einmal mit eigenen Augen gesehen zu haben. Es verleiht eine besondere Perspektive auf die Ausstellungsstücke, mit denen wir hier arbeiten. Aber die Hitze ist selbst für einen gestandenen Mann zu viel, besonders wenn er dazu körperliche Arbeit verrichten soll. Völlig unmöglich für ein zartes Frauenzimmer. Falls sie wirklich dort war, hat sie bestenfalls im Schatten gesessen und sich Luft zugefächelt.«

»Ganz meine Meinung«, stimmte Curtis zu und sah zu Hunting, von dem alle Anwesenden wussten, dass er England zeitlebens nie verlassen hatte und das auch nie tun würde. »Nach meiner Ägyptenreise habe ich beschlossen, dass ich in England besser aufgehoben bin. Vorzugsweise in einem Gebäude. Frische Luft und Natur werden deutlich überbewertet.«

»Hört, hört«, antworteten die anderen Männer gleichzeitig und nickten zustimmend.

Vorsichtig streckte Curtis seinen Nacken und dachte an den Mann, der gleich eintreten würde. Chadwick war das genaue Gegenteil von ihm. Der Earl liebte es, im Freien zu arbeiten, und ließ jedes Mal, wenn er hier war, die Fenster öffnen, was dazu führte, dass sich jede Menge Getier in die Räumlichkeiten verirrte. Äußerst lästig. Curtis für seinen Teil war froh, wenn er wieder verschwand.

Allerdings hatte er großen Respekt vor Chadwicks fachlicher Meinung. Wenn es um die alten Ägypter ging, war er der einzige Engländer, der sich mit Curtis messen konnte. Für die Hartnäckigkeit des Earls sein Mündel betreffend konnte es nur zwei Gründe geben: Entweder war sie wirklich so brillant, wie Chadwick behauptete – was eher unwahrscheinlich schien. Oder Chadwick wollte seiner Frau einen Gefallen tun, die er über alle Maßen vergötterte, wenn man dem Klatsch glauben durfte. Das erzählten zumindest Curtis’ Schwestern, auf die in solcherlei Dingen Verlass war.

»Vermutlich wird dieser Miss Phoebe nach wenigen Tagen langweilig und wir sind sie los«, sagte er deshalb ruhig. Abwarten war meist eine gute Strategie. Häufig lösten sich Probleme auf die ein oder andere Weise von selbst. Und falls nicht, war immer noch Zeit, zu handeln. Was brachte es, sich den Kopf zu zerbrechen? Er hatte der Angelegenheit schon zu viel Zeit gewidmet.

Also senkte er den Blick und widmete sich den Scherben auf seinem Tisch. Seiner Vermutung nach handelte es sich um Kanopen, die häufig aus Alabaster bestanden. Allerdings fehlten die typischen, Tierköpfen nachempfundenen Deckel und die unterschiedlichen Farbschattierungen brachten ihn an seine Grenzen. Es würde ihn all seine Konzentration kosten, sie zusammenzusetzen. Solange diese Frau ihn dabei nicht störte, konnte er sie ignorieren, bis unweigerlich das geschah, was er prophezeit hatte: Sie würde das Interesse verlieren und sich schnell wieder dem widmen, was Frauen den lieben langen Tag eben so taten.

»Kennt einer von euch diese Miss Phoebe?« Die Frage kam von Archibald Fitzwilliam, der in den zwei Wochen, seit er hier arbeitete, absolut nichts beigetragen hatte.

Curtis hätte gewettet, dass der Mann eine ägyptische Statuette nicht von einer griechischen unterscheiden konnte, selbst wenn man ihn mit der Nase darauf stieß. Nutzlos auf ganzer Linie. Aber der Prinz hatte den Wunsch geäußert, seinen Sohn hier zu beschäftigen, und die Bitte eines Prinzen lehnte man nicht ab.

Curtis sah zu dem Prinzensohn. Obwohl beinahe im gleichen Alter, hatten sie nichts gemeinsam. Curtis’ Meinung nach war Fitzwilliam am hilfreichsten, wenn er nicht im Museum erschien und stattdessen zu Hause seinen Rausch ausschlief, was glücklicherweise häufig vorkam.

Nur heute leider nicht.

»Ich bin ihr ein paarmal begegnet«, sagte Hunting und trat vom Fenster weg. »Sie ist eine eher plumpe Erscheinung wie all ihre Schwestern.«

Curtis hätte erwidern können, dass die drei Heart-Schwestern allgemein als echte Schönheiten galten, und die zwei anderen gute Partien gemacht hatten, doch er schwieg. Er hatte keinerlei Bedürfnis, den gesellschaftlichen Klatsch und Tratsch weiterzuverbreiten, dem er zu Hause durch seine Mutter und seine Schwestern fortwährend ausgesetzt war.

»Das sagt Ihr nur, weil Ihr früher mal hinter Chadwicks Frau her wart und sie Euch einen Korb gegeben hat«, erklang die Stimme von Hallow, der freundlicherweise die Statuette zurückgelegt hatte.

Huntings Ohren röteten sich und er zupfte mit der linken Hand an seiner Weste, die ihm um den Bauch herum langsam zu eng wurde. »Ich habe sie lediglich ein wenig besser kennenlernen wollen, aber relativ schnell festgestellt, dass die Frau nichts für einen Mann wie mich ist.« Er reckte das Kinn nach vorn. »Waren wir uns nicht einig, dass diese Frau und ihre Schwestern sich zu viel herausnehmen und sich in Dinge einmischen, die …«

»Ja, ja«, unterbrach ihn Hallow. »Blaustrümpfe, allesamt, daran besteht kein Zweifel. Aber attraktiv.« Seine Worte unterstützte er mit einem Nicken.

Curtis verfolgte den Wortwechsel nur mit halbem Ohr, da die Attraktivität dieser Damen das letzte war, was ihn interessierte. Hübsch, hässlich, intelligent oder dumm – seine Zeit war begrenzt und am Ende zählte nur, dass er in Ruhe arbeiten konnte.