Leseprobe I hate to love you | Eine spicy Enemies to Lovers Boss Romance

Kapitel 1

Abigail

„Ms Jones, Mister Davis empfängt Sie nun“, sagt die Empfangsdame. In ihrem freundlichen, rundlichen Gesicht breitet sich ein gewinnendes Lächeln aus. Die braunen Haare hat sie, genau wie ich, zu einem strengen Dutt zusammengebunden.

Ihr Lächeln erwidernd, bücke ich mich, um die Handtasche vom Boden aufzuheben. Während ich den Arm strecke, passiert es: Der oberste Knopf meiner weißen Bluse reißt ab. Genervt stöhne ich auf. Das darf doch nicht wahr sein! Ausgerechnet vor dem Vorstellungsgespräch, das immens wichtig für mich ist. Ich glätte den Stoff und sehe an mir herunter. Deutlich erkennt man nicht nur die Spitzen des BHs, sondern auch den Ansatz meines Busens. Heute Morgen, als ich die Bluse und den schwarzen, leicht abgewetzten Bleistiftrock angezogen habe, ist mir schon aufgefallen, dass sie nicht mehr passt. Sie ist zu eng. Eine neue kann ich mir aber leider nicht leisten.

Ich straffe die Schultern und laufe los. Bei jedem meiner Schritte klappern die schwarzen, alten Pumps auf dem spiegelglatten Marmorboden. Die Empfangsdame öffnet die Holztür, die ins Arbeitszimmer meines hoffentlich zukünftigen Arbeitgebers, Mister Davis, führt. Ich brauche den Job, wie ich noch nie zuvor etwas in meinem Leben gebraucht habe. So viel hängt davon ab, dass mir schlecht wird. Tief atme ich durch, richte so gut es geht die Bluse, ziehe die Bewerbungsunterlagen aus der Handtasche hervor und trete ein.

Mister Davis sitzt in einem dunkelblauen Anzug hinter einem wuchtigen Schreibtisch aus Glas und Metall. Kurz verschlägt es mir den Atem. Sein Hemd spannt leicht an seiner Brust, lässt erahnen, dass sich darunter definierte Muskeln befinden. Live sieht er noch attraktiver aus als auf den Fotos, die ich von ihm im Internet gefunden habe. Ich habe mich ausgiebig über ihn und seine Firma informiert, damit ich bestmöglich vorbereitet bin. Meine Anstellung dem Zufall zu überlassen, kann ich mir nicht leisten. Ich brauche das Geld.

Mister Davis betrachtet mich ausgiebig, die Lippen hat er zu einem schmalen Strich zusammengepresst.

„Die Nächste“, brummt er mit tiefer Stimme, während er den Kopf schüttelt.

Abrupt bleibe ich mitten im Raum stehen.

„Wie bitte?“, frage ich verwundert. Schmeißt er mich etwa raus, ohne auch nur einen Blick auf meine Bewerbungsunterlagen zu werfen?

„Hören Sie schlecht?“ Er lehnt sich im schwarzen, ledernen Bürostuhl zurück. „Sie können gehen.“

„Warum?“, erwidere ich aufgebracht.

„Das fragen Sie noch?“ Mit der rechten Hand deutet er zur Tür.

Seine Überheblichkeit stößt mir sauer auf, weshalb ich die Arme vor der Brust verschränke.

„Was erlauben Sie sich? Ich bin hier, um mich auf die freie Stelle als Ihre persönliche Assistentin zu bewerben. Ich gehe erst, wenn Sie sich meine Bewerbung angesehen haben.“ Am liebsten würde ich rechtsum kehrtmachen, weil ich mich nie so behandeln lassen würde. Aber ich schlucke meinen Stolz hinunter. Für Emma würde ich alles tun – auch mit dem Leibhaftigen ringen.

„Interessant.“ Mister Davis lehnt sich nach vorn und stützt sich mit den Ellbogen auf der Glasplatte ab. „Weil Sie Ihre Bluse nicht anständig zugeknöpft haben, ist Ihr BH klar und deutlich zu erkennen. Es erweckt den Anschein, Sie bewerben sich als Betthäschen.“

Empört schnappe ich nach Luft.

„Ich erwarte ein tadelloses Erscheinungsbild und Professionalität von meinen Angestellten. Ein Busen-Blitzer gehört nicht dazu, selbst wenn er wie in Ihrem Fall nett anzusehen ist.“ Er räuspert sich, während ich ihn entgeistert anstarre. „Sie haben sich selbst für den Job disqualifiziert.“

Arsch. Einen Kommentar über meine Oberweite fallen zu lassen, geht zu weit. „Da…s ka…nn ich … erklären.“ In meinem Magen brodelt es.

„Nicht nötig.“ Er streckt den Arm zum Telefon. „Muss sich die Security Ihrer annehmen, Ms Jones, oder finden Sie selbst hinaus?“

„Ich weiß, wo sich der Ausgang befindet“, zische ich und drehe mich um. Die Vorstellung, wie eine Verbrecherin aus seinem Büro geschleift zu werden, behagt mir nicht. Als ich die Tür erreiche, drehe ich mich nochmals zu ihm um. „Sie sind ein Schwein, Mister Davis.“

Ein anzügliches Grinsen huscht über sein Gesicht, was meine Wut noch mehr anheizt.

Eilig verlasse ich sein Büro, betrete den Vorraum und verschwinde in der Damentoilette. Schwer atmend stehe ich vor dem Waschbecken. Mit dem Handrücken wische ich mir eine Träne von der erhitzten Wange. „Emma, ich habe versagt“, murmle ich. Enttäuscht sinke ich auf den kühlen Marmorboden und verharre dort.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erhebe ich mich mühselig. Dann betrachte ich mein Gesicht im Spiegel. Nicht aufgeben! Du wirst einen anderen Job finden. Das muss ich, und zwar schleunigst. Es ist die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass unser Heim zwangsversteigert wird, während Emma unschuldig im Gefängnis sitzt.

Ich erschaudere, als ich daran denke, wie Mister Davis’ Blick über mich geglitten und an meinem Ausschnitt hängen geblieben ist. Als würde ich sein Betthäschen sein wollen. Nie und nimmer! Seine unverschämte Attraktivität, die ich ihm eingestehen muss, ist verflogen, als er den Mund geöffnet hat.

Ethan

Kopfschüttelnd sehe ich Ms Jones nach, wie sie wutentbrannt aus dem Büro stürmt. Ihre Direktheit gefällt mir genauso wie der pralle Ansatz ihrer Brüste. Wäre ich auf der Suche nach einer Gespielin, wäre sie eine gute Wahl. Bin ich aber nicht. Dafür habe ich vor Jahren einen Profi engagiert.

„Mister Davis“, dringt die müde Stimme meiner persönlichen Assistentin durch die Gegensprechanlage.

„Schicken Sie die nächste Bewerberin herein“, entgegne ich. Angestrengt massiere ich mir die Schläfen. Zehn potenzielle Kandidatinnen habe ich schon begutachtet, keine konnte mich überzeugen. Die Hälfte davon dachte, es sei hilfreich, mit mir zu flirten – Fehlanzeige. Privates und Berufliches trenne ich strikt. Drei hatten sich schlampig auf den Termin vorbereitet, sie kannten nicht einmal die Kernkompetenzen des Unternehmens, meines Unternehmens. Die restlichen zwei hatten nicht den Biss, den es braucht, um mit mir klarzukommen. Mit meinen Angestellten gehe ich nicht zimperlich um. Ich verlange viel von ihnen, womöglich zu viel.

„Darum geht es nicht. Sie wollten informiert werden, wenn Mister Miller im Country-Club ist. Er ist soeben eingetroffen“, sagt Olivia zackig.

Zufrieden springe ich auf und reibe mir die Hände. Endlich ist Miller wieder auf der Bildfläche aufgetaucht. Ich muss mit ihm sprechen, bevor Matt mir zuvorkommt. Seit Monaten buhlen wir beide um diesen bedeutungsvollen Kunden. Nicht gemeinsam, sondern als Konkurrenten. Hätte Matt mich vor Jahren nicht so übel gelinkt, wären wir nicht verfeindet. Ich schiebe die unangenehmen Erinnerungen, die sich in mein Bewusstsein drängen, zur Seite. Er hat es so gewollt, sich die Firma, die unser Vater aufgebaut hat, durch eine List gekrallt, als dieser verstorben ist.

Millers Unternehmen sowie all seine Tochterfirmen mit der neuesten Überwachungstechnik auszustatten, wird mir nicht nur Millionen einbringen, sondern meinen Ruf, der Beste der Branche zu sein, noch untermauern. Mühelos werde ich meinen Bruder in die Knie zwingen und mir zurückholen, was er mir einst genommen hat. Durch seine Inkompetenz steckt die Firma unseres Vaters in Schieflage. Er benötigt den Auftrag dringender als ich.

Ich streife mir das Jackett über, richte die Krawatte und verlasse das Büro.

„Ihr Fahrer wartet bereits unten in der Garage und Ruby habe ich schon darüber informiert, dass sie benötigt wird“, ruft mir Olivia zu, als ich mit langen Schritten ihren Schreibtisch passiere. Dankbar nicke ich. Sie ist fantastisch, denkt mit und kümmert sich um alles. Ich wünschte, ich könnte sie klonen.

Angespannt trete ich von einem Bein aufs andere, während ich darauf warte, dass sich die Aufzugtüren öffnen. Die Sekunden verstreichen quälend langsam. Warum dauert das so lange? Ich darf unter keinen Umständen zu spät kommen. Ein Ping ertönt, erleichtert betrete ich den Fahrstuhl.

Kapitel 2

Abigail

Gefasster als noch Minuten zuvor, verlasse ich die Damentoilette. Im Empfangsbereich höre ich, wie Mister Davis’ Assistentin auf der Tastatur tippt. Sie tut mir leid: Tagtäglich muss sie sich mit dem größten Ekelpaket herumschlagen, das mir je unter die Augen gekommen ist.

Im Augenwinkel registriere ich, wie sich die Aufzugtüren schließen. Rasch beschleunige ich die Schritte und schlüpfe hinein, damit ich so schnell wie möglich von hier wegkomme.

Ein genervtes Stöhnen dringt an mein Ohr. Ich hebe den Kopf und blicke in Mister Davis’ schokoladenbraune Augen, die den gleichen Farbton haben wie seine kurzen, perfekt geschnittenen Haare. An den Seiten sind sie kurz geschoren und mit Gel in Form gebracht. Mehr als einmal kratzt er sich am frisch rasierten Kinn und betrachtet mich, als wäre es eine Zumutung, den Lift mit mir zu teilen. Spöttisch verziehe ich die Lippen.

„Sie schon wieder“, knurrt er angriffslustig. „Verdammt noch einmal, knöpfen Sie sich endlich Ihre Bluse zu.“

Mir platzt der Kragen. Genervt betätige ich die Stopptaste. Augenblicklich hält der Aufzug an. Zeit, Mister Unverschämt die Meinung zu geigen.

„Der Knopf ist abgerissen, kurz bevor ich Ihr Büro betreten habe.“ Aufgebracht trete ich an ihn heran und stelle mich auf die Zehenspitzen. Ein herber, hölzerner Duft steigt mir in die Nase, der mich kurz innehalten lässt. Mister Davis riecht nicht nur angenehm, sondern auch sehr verlockend, aber davon lasse ich mich nicht ablenken. Ich ziehe den Stoff der Bluse nach unten und drücke ihm mein Dekolleté praktisch ins Gesicht. Mit dem Finger tippe ich auf die Stelle, wo der Knopf fehlt. „Glauben Sie mir jetzt? Ich habe Ihnen doch gesagt, ich kann es erklären.“

Er schluckt schwer, während er auf meinen Busen blickt. Ruckartig trete ich einen Schritt zurück. So gut es geht, ziehe ich den Stoff über den Ansatz meiner Brüste. Was ist nur in mich gefahren?

Schweigend beobachte ich, wie er auf den Knopf hämmert, damit sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung setzt. Nichts passiert.

„Na toll, jetzt haben Sie den Aufzug beschädigt.“ Finster und mit zusammengepressten Brauen fixiert er mich.

„Was?“, rufe ich empört aus. „Das ist Ihr Gebäude, ergo Ihr Lift. Was kann ich dafür, wenn Sie ihn nicht ordentlich warten?“ Um möglichst viel Abstand zwischen uns zu bringen, lehne ich mich mit dem Rücken an die Wand. Seine Präsenz beschert mir ein flaues Gefühl im Magen.

„Wenn ich Ihretwegen zu spät komme, gnade Ihnen Gott.“ Mit einem langen Schritt überbrückt er die Distanz zwischen uns, platziert die Hände links und rechts neben meinem Kopf. Sein warmer Atem gleitet stoßweise über mein Gesicht, so nahe steht er vor mir. Die plötzliche Anziehung zwischen uns erschreckt mich. Angespannt schlucke ich, meine Haut kribbelt. Ich ducke mich, schlüpfe unter seinem rechten Arm hindurch und drücke die Notruftaste. Ein Knacken ist zu hören, gefolgt von einer Männerstimme. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Wir stecken im Aufzug fest, er bewegt sich nicht mehr“, antworte ich.

„Verstehe, wir kümmern uns gleich darum.“

Triumphierend drehe ich mich zu Mister Davis um. „Problem gelöst. Was würden Sie nur ohne mich machen?“, säusle ich.

„Nicht im Fahrstuhl festsitzen“, entgegnet er angesäuert, zieht das Smartphone hervor und tippt darauf.

Während ich ihn betrachte, kommt mir eine Idee.

„Da Sie nun wissen, dass meine Bluse nur so weit offen steht, weil ein Knopf abgefallen ist …“ Ich räuspere mich. „… könnten Sie sich doch jetzt meine Bewerbung ansehen?“, sage ich so freundlich, wie es mir in Anbetracht seiner ablehnenden Haltung mir gegenüber möglich ist. Wenn ich Glück habe, überzeugt ihn mein Abschluss und der Job ist noch zu haben.

„Nein.“ Er spricht, ohne vom Telefon hochzusehen.

„Dann ist der Job vergeben?“ Ich sacke in mich zusammen, die Schultern lasse ich hängen.

„Nein“, poltert er. „Aber Sie sind die letzte Person, die ich einstelle. Ihretwegen verpasse ich womöglich den Deal meines Lebens. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.“

Ich rolle mit den Augen.

Abermals ist ein Knacken zu hören. „Ms, wir arbeiten daran, den Aufzug in Gang zu bringen. Leider ist etwas mit der Elektronik nicht in Ordnung. Ein Techniker muss sich das vor Ort ansehen. Das Problem sollte in vierzig Minuten behoben sein. Bitte entschuldigen Sie die Wartezeit“, hallt dieselbe Stimme wie zuvor durch den Lift. Gott sei Dank leide ich nicht an Klaustrophobie.

Tief aus Mister Davis’ Brust löst sich ein gequältes Stöhnen, gefolgt von einem bedrohlichen Grollen. Sein Blick durchbohrt mich. Au Backe, der Termin muss immens wichtig sein. Auf einmal ist es mir nicht mehr recht, dass ich den Stopp-Schalter betätigt habe, auch wenn er sich mir gegenüber danebenbenimmt.

„Es tut mir leid, dass wir festsitzen“, murmle ich.

Seine Mimik wird weicher. „Schon gut, Sie konnten nicht ahnen, dass der Fahrstuhl den Geist aufgibt.“ Er seufzt. „Es war falsch von mir, Ihre Brüste als nett zu bezeichnen. Sehen Sie es einfach als Kompliment. Mit denen gehe ich äußerst sparsam um.“ Sein rechter Mundwinkel zuckt und mir wird warm.

„Ich hoffe, Sie schaffen es noch rechtzeitig.“ Ich setze mich auf den Boden und strecke die Beine aus. Die Kälte des Marmorbodens fühlt sich herrlich an auf meiner erhitzten Haut. Ich streife die Pumps ab. Meine Füße schmerzen, nur sehr selten trage ich hohe Schuhe.

„Das hoffe ich auch.“ Abermals widmet er sich dem Smartphone. „Verdammt, auch das noch.“ Er stöhnt.

„Was ist?“, frage ich, um nicht darüber nachzudenken, dass ich, sobald ich zu Hause bin, erneut die freien Stellenangebote studieren muss. Einen Job zu finden, wäre einfach. Aber ich brauche nicht irgendeinen Job, sondern einen, der überdurchschnittlich bezahlt ist.

„Geht Sie nichts an“, knurrt er, und meine Schuldgefühle verpuffen.

Stille breitet sich zwischen uns aus, ich empfinde sie alles andere als bedrückend. Ruckartig setzt sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung. Der Techniker war schneller als angekündigt. Zufrieden nehme ich die Pumps, stehe auf und strecke die Hand nach dem Knopf für das Erdgeschoss aus. Doch Mister Davis kommt mir zuvor. Er betätigt den für die Garage, drückt meine Hand zur Seite, hindert mich so daran, den Schalter fürs Parterre zu bedienen.

„Ich muss nicht in die Garage.“ Erneut strecke ich den Arm aus.

„Egal.“ Er stellt sich vor die Knöpfe. Kopfschüttelnd sehe ich zu ihm hoch. Seine Gesichtszüge wirken verkrampft.

Der Fahrstuhl stoppt. Kaum haben sich die Lifttüren einen Spalt geöffnet, quetscht er sich hindurch. Er hat es wirklich verdammt eilig. Ich betätige den Knopf für das Erdgeschoss.

„Ist Miller noch im Country-Club?“, höre ich Mister Davis fragen.

„Ja, das ist er“, ertönt eine mir unbekannte Männerstimme. Die Türen gleiten zu, schließen sich aber nicht. Ein Fuß, der in einem eleganten, braunen Lederschuh steckt, hält sie davon ab.

„Kommen Sie raus“, brummt Mister Davis.

„Nein“, erwidere ich barsch. „Von Ihnen lasse ich mich nicht herumkommandieren.“

„Weil ich mich Ihretwegen um eine halbe Stunde verspäte, hat meine übliche Begleitung keine Zeit mehr.“ Während er spricht, öffnet sich die Fahrstuhltür. Mit Falten auf der Stirn betrachtet er mich.

„Das ist nicht mein Problem.“ Ich verschränke die Arme vor der Brust. Er legt seine Hand auf meinen unteren Rücken und schiebt mich aus dem Lift.

„Hallo?“ Ich stöhne, während ich mit den Strümpfen über den glatten Marmorboden rutsche, bis ich auf dem rauen Betonboden der Garage zum Stehen komme.

„Wie viel wollen Sie dafür, dass Sie mich begleiten?“ Lässig zieht er seine Brieftasche hervor.

„Ich bin doch nicht käuflich“, zische ich. Was denkt er, was ich bin? Eine Prostituierte?

„Auch nicht für tausend Dollar?“ Er hält mir ein Bündel Geldscheine vor die Nase.

Emma, halt es durch meinen Kopf, während ich die Noten betrachte. Verdammt, ich brauche das Geld.

„Okay, was muss ich tun?“

„Wusste ich’s doch.“ Ein selbstgefälliges Grinsen ziert sein markantes Gesicht. Und in mir erwacht der Wunsch, ihm eine zu knallen. „Mich zu einem Termin begleiten, dabei brav lächeln und den Mund halten.“ Er drückt mir das Geld in die Hand. „Das sollten Sie doch hinbekommen.“

Schnaubend nehme ich ihm die Scheine ab, dabei nicke ich widerwillig. Er steigt in die schwarze Limousine mit den getönten Scheiben, die direkt vor dem Aufzug parkt. Ich streife die Pumps über, gehe ihm nach und klettere neben ihm auf die Rückbank. Ein älterer Herr schließt hinter mir die Tür. Es muss sein Chauffeur sein, da er kurz darauf auf dem Fahrersitz Platz nimmt.

Ethan

Mein Fahrer startet den Wagen, fährt aus der Garage und fädelt sich in den dichten Verkehr ein, der auf New Yorks Straßen unablässig herrscht.

„Halten Sie auf dem Weg zum Country-Club bei Chanel an“, sage ich zu ihm und lasse die Trennwand, die die Fahrerkabine vom Fond trennt, nach oben gleiten.

„Welche Größe tragen Sie?“, frage ich Ms Jones, während ich Olivia eine Nachricht schreibe, dass ich ein schwarzes Cocktailkleid von Chanel benötige.

„Das geht Sie nichts an“, erwidert Ms Jones, dann schaut sie demonstrativ aus dem Fenster.

„So wie Sie angezogen sind, können Sie mich nicht begleiten. Das wirft ein schlechtes Licht auf mich.“

„Aha, wie liebenswürdig.“ Langsam wendet sie sich mir wieder zu, spitzt ihre vollen Lippen. „Für hundert Dollar extra verrate ich es Ihnen.“

Ihre Schlagfertigkeit imponiert mir. „Einverstanden. Ich müsste noch wissen, wie Sie heißen. Kostet das auch etwas?“ Meine rechte Augenbraue wandert nach oben.

„Nein, meinen Namen können Sie der Bewerbung entnehmen.“ Sie nimmt eine Mappe aus ihrer Handtasche und reicht sie mir.

Erneut überrascht sie mich. Ich nehme sie ihr ab und überfliege den Lebenslauf. „Also, Abigail, wie lautet Ihre Konfektionsgröße?“

Sie reagiert nicht, sondern hält mir die Hand hin. Seufzend ziehe ich mein Portemonnaie hervor und lege einen Hunderter hinein.

„Sechsunddreißig.“ Mit einem gekünstelten Lächeln auf den Lippen stopft sie die Note in die Handtasche. „Danke, Ethan. Es ist schön, mit Ihnen Geschäfte zu machen“, gurrt sie.

Sie kennt meinen Vornamen. Das verrät mir, dass sie sich zumindest über mich informiert hat. Vermutlich auch über mein Unternehmen. Außerdem hat sie Biss. Ich beschließe, mir ihre Bewerbung später anzusehen. Jetzt, wo ich weiß, dass ihre Bluse nicht mit Absicht offen stand, könnte sie für den Job infrage kommen. Ich bin mir nur nicht sicher, was ich davon halten soll, dass sie für läppische tausend Dollar bereit war, mich zu begleiten. Das spricht nicht gerade für ihren Charakter, nachdem ich sie dermaßen schlecht behandelt habe.

Der Wagen stoppt. Kurz darauf wird die Seitentür geöffnet. Ein junger Mann übergibt mir ein schwarzes Cocktailkleid, das ich Abigail weiterreiche.

„Anziehen“, sage ich zu ihr.

„Okay, wo kann ich mich umziehen?“, fragt sie, während sich das Auto wieder in Bewegung setzt.

„Na hier.“ Amüsiert mustere ich sie. Ihre Pupillen sind geweitet, der Mund leicht geöffnet und ihre Wangen haben einen rosigen Farbton angenommen. Sie sieht verführerisch aus. Mein Blick wandert an ihr hinunter und bleibt an ihren prallen Brüsten hängen, die immer noch nicht bedeckt sind. Ich lecke mir über die Lippen, Blut pumpt durch meine Lenden.

„Umdrehen“, erwidert sie im strengen Tonfall. Ich hebe den Kopf. Sie begutachtet das Kleid in ihren Händen. Wie gewünscht, wende ich mich ab und blicke aus dem Fenster. Menschenmassen hasten auf dem Gehweg aneinander vorbei. Ich höre, wie sich der Reißverschluss ihres Bleistiftrocks öffnet. Dann raschelt es. Ich widerstehe dem plötzlich auftretenden Drang, mich nach ihr umzudrehen, und atme stattdessen tief ein und aus.

„Fertig“, vernehme ich ihre Stimme. Sie klingt, als wäre sie außer Atem. „Es ist gar nicht so leicht, sich in einem Auto umzuziehen.“

Ich betrachte sie. Mit beiden Händen öffnet sie den Dutt, beugt sich nach vorn und schüttelt den Kopf. Ihre blonden, gewellten Haare fliegen hin und her. Sie richtet sich auf. Ihre voluminöse Mähne betont ihre feinen Gesichtszüge und ihre grünen Augen. Wie ein Fächer fallen ihr die Haare über die nackten Schultern.

Abermals stoppt der Wagen. Wir haben den Country-Club erreicht. Ich warte nicht darauf, dass mein Fahrer aussteigt und mir die Tür öffnet, denn ich habe schon zu viel Zeit verloren. Hoffentlich ist Miller noch da. Hastig gleite ich aus dem Wagen, umrunde ihn und öffne Abigail die Tür. Sie nimmt meine Hand, die ich ihr hinstrecke.

„Was für eine Überraschung“, vernehme ich die Stimme, die ich am liebsten nie mehr hören würde. Augenblicklich ist mein Körper zum Bersten angespannt. Matt kommt auf mich zu. Auf seinem Gesicht zeichnet sich ein Grinsen ab, das mich in Versuchung bringt, zuzuschlagen.

„Verschwinde“, blaffe ich und fletsche die Zähne.

„Warum so feindselig?“ Sein Blick bleibt an Abigail hängen. „Hast du dir ein neues Spielzeug gegönnt?“ Seine Zunge schnellt hervor. Genüsslich leckt er sich über die Unterlippe. „Heißes Teil. Kann ich es ausborgen?“ Meine rechte Hand verkrampft sich.

„Ist das Ihr Termin?“ Angewidert rümpft Abigail die Nase.

„Nein, nur mein Bastard von Halbbruder, ignorieren Sie ihn.“

Matt geht auf Abigail zu. „Was immer er dir bezahlt, ich bezahle das Doppelte.“ Er streckt die Hand nach ihr aus. Sie schlägt sie weg.

„Fass mich nicht an“, faucht Abigail und ballt die Fäuste. Schützend baue ich mich vor ihr auf.

„Matt“, knurre ich und straffe die Schultern. „Lass sie in Ruhe. Sie ist nicht das, für das du sie hältst.“ Abigail ist nicht so abgebrüht wie Ruby. Ruby hätte Matt bei den Eiern gepackt und so lange zugedrückt, bis er winselnd am Boden liegt. Anschließend hätte sie mir einen geblasen.

„Wie dem auch sei.“ Matt weicht einen Schritt zurück. Er kennt meine Stärke, weiß, dass er mir körperlich unterlegen ist. „Falls du Miller suchst, der ist vor fünf Minuten gegangen. Mann, war der angetan von meiner Präsentation. Den Auftrag habe ich so gut wie in der Tasche.“

Meine Kiefer mahlen. Scheiße. Ich bin zu spät.

Mein Halbbruder lacht hämisch und steigt in einen roten Ferrari. Mit überhöhter Geschwindigkeit braust er davon.

„Dachte Ihr Halbbruder, ich sei käuflich?“, fragt Abigail, die auf einmal vor mir steht.

„Das spielt keine Rolle.“ Ich massiere mir die Nasenwurzel. Angestrengt denke ich nach. Irgendwie muss ich an Miller herankommen, bevor er den Vertrag mit Matt unterschreibt.

„Ich kann ihn nicht leiden. Sie anscheinend auch nicht“, bemerkt Abigail.

Gequält knurre ich. Es ist ein schreckliches Geräusch, das meiner Kehle entrinnt. „Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich hasse ihn.“

„Er kommt mir bekannt vor“, murmelt Abigail vor sich hin, kratzt sich nachdenklich am Kinn.

„Gut möglich. Er hat ein Allerweltsgesicht, kein Rückgrat und keinen Familiensinn.“ Ich schnaube. Vielleicht kann ich im Club herausfinden, wo sich Miller die nächsten Tage über aufhält. Wenn nicht, setze ich einen Privatdetektiv auf ihn an.

Ich laufe los. „Mein Fahrer bringt Sie nach Hause. Ich brauche Sie nicht mehr“, rufe ich Abigail über die Schulter hinweg zu.

„Was ist mit dem Geld?“

„Das können Sie behalten.“ Sie hat gerade Charakterstärke bewiesen. Ihre Bewerbung muss ich mir bei Gelegenheit ansehen.