Leseprobe Ein Biest für die Lady | Eine leidenschaftliche Regency Romance

Kapitel eins

London

Berkeley Square 48

„Wir fordern dich heraus, die Einladung des Dukes of Collingswood anzunehmen.“

Lady Drusilla erschrak so sehr, dass sie ihre Teetasse mit einem Klirren auf den Tisch aus Walnussholz stellte. Die Ladys, mit denen sie sich am Berkeley Square 48 traf, schlossen oft verrückte Wetten ab und stachelten einander zu Mutproben an, doch das war absurd. Sie starrte ihre Freundinnen an – sie hatte ihnen ihr Herz ausgeschüttet, aber nicht erwartet, dass sie so reagieren würden. Dann fing sie an zu lachen.

Sie kicherte ein paar Sekunden, dann wurde sie ernst. Ihre besten Freundinnen Harriet, Victoria und Evie sahen sie alle mit entschlossenem Blick an und reckten das Kinn.

„Hört auf mit dem Unsinn“, flüsterte Drusilla. Sie sprang auf, schloss die Tür des Wettzimmers, ging wieder zum Sofa und setzte sich hin. Sie nahm ein Kissen auf den Schoß und umklammerte es.

Alle Mitglieder des Klubs am Berkeley Square 48 standen sich sehr nahe, doch nur ein paar Freundinnen wussten, dass sie unter Pseudonym Romane schrieb. In den letzten Monaten hatte sie mit ihrem Erstlingswerk Cherished, das unter dem Namen S. Lovellette erschienen war, eine gewisse Berühmtheit erreicht.

Dieser Erfolg war unerwartet gekommen. Drusilla gefror das Blut in den Adern bei der Vorstellung, dass ihr Vater, der furchteinflößende Marquess of Somerton, eines Tages die Wahrheit erfahren würde. Er würde sie auf einen seiner Landsitze hoch im Norden verbannen.

Victoria stützte das Kinn in die Hand, und ihre hellen Augen funkelten. „Wirst du es tun, Dru?“

Drusillas Herz machte einen Satz. „Das kann doch nicht euer Ernst sein! Der Duke lebt im hintersten Winkel von Derbyshire!“

„Wir machen ganz gewiss keine Witze“, sagte Evie.

Dru sah ihre Freundinnen finster an. „Eine so bedeutsame Sache kann nicht Gegenstand einer Mutprobe sein. Die Einladung des Dukes muss ich mir gründlich durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht sollte ich Theo um Rat fragen.“ Aber leider war die furchtlose Anführerin ihres Geheimklubs vor Kurzem mit ihrem Mann und ihren kleinen Zwillingen aufs Land zurückgekehrt.

Lady Victoria hob eine Augenbraue. „Wozu? Es sieht fast so aus, als würdest du die Einladung ablehnen wollen. Dabei ist das eine fabelhafte Gelegenheit für dich, Dru!“

Ihre Freundinnen sahen einander an, dann wandten sie sich wieder ihr zu.

Harriet stand auf, kam zu ihr und setzte sich neben sie. „Wovor hast du solche Angst?“

„Ich habe es schon einmal gesagt, aber ich sage es gern noch einmal. Eine so bedeutsame Sache kann nicht Gegenstand einer Mutprobe sein.“ Drusilla fühlte sich elend. „Ihr wollt, dass ich einem sehr einflussreichen Angehörigen des ton meine geheime Identität preisgebe. Einem reichen Mann, der mich ruinieren könnte. Erwartet bitte nicht von mir, dass ich diese abwegige Einladung annehme.“

Drusilla spielte mit den Fransen ihres eleganten, bunt gemusterten Halstuchs. Im Klub galt das unumstößliche Gesetz, dass jede Herausforderung, wenn sie einmal ausgesprochen war, auch erfüllt werden musste. So bewiesen sie ihren Mut und ihre Charakterstärke. Viele Mitglieder waren von der Gesellschaft zu Mauerblümchen abgestempelt worden und hatten sich von den Erwartungen ihrer Familie einschränken lassen. Ein glückliches Leben und die Erfüllung ihrer Herzenswünsche schien unerreichbar. Am Berkeley Square 48 lernten sie, das innere Feuer zu akzeptieren, das sie so oft dazu trieb, gegen die Regeln des Anstands zu rebellieren, die die Gesellschaft und ihre Familien ihnen vorgaben. Jeder Moment in ihrem Geheimklub fühlte sich an wie ein Triumph, auch wenn sie die Einzigen waren, die wussten, was sie unter dem Dach der Duchess alles anstellten.

Dru beteiligte sich an Wetten, gewann Geld und verlor auch mal ein paar Pfund, aber sie hatte noch nie ihren Namen neben eine der oft sehr tollkühnen Mutproben geschrieben, die auf der Wetttafel standen. Sie hatte bisher einfach keinen Grund gesehen, mitzumachen.

„Es ist ungerecht, aus dem, was du uns anvertraut hast, eine Mutprobe zu machen“, sagte Harriet milde und nahm ihre Hand. „Aber diese Anfrage kam vom Duke of Collingswood selbst. Sogar ich habe von ihm gehört, und er hat eine noch nie da gewesene Summe für deine Arbeit geboten. Zweitausend Pfund. Das ist ein Vermögen, Drusilla. Ein Vermögen!“

Drusilla schmerzte die Kehle. Sie entzog ihrer Freundin die Hand und lehnte sich zurück. „Der Duke versteckt sich seit Jahren vor der Gesellschaft“, murmelte sie.

„Dem Getuschel nach zu urteilen, wurde der Duke seit fünf Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen“, sagte Evie. „Ich habe Mama gefragt, und sie wollte unbedingt wissen, weshalb ich so neugierig war, aber ich denke, ich habe sie ganz gut abgelenkt. Die … die Gerüchte sagen, er hätte seinen Bruder umgebracht, um den Titel zu erben.“

„Das ist ja furchtbar!“, rief Drusilla und griff sich ans Herz.

„Natürlich geben wir nichts auf solches Gerede“, sagte Victoria mit einem leichten Stirnrunzeln. „Denkt daran, dass diese Klatschbasen manchmal den größten Unsinn zusammenfantasieren. Die Skandalblätter sind immer voll von Spekulationen über den Duke, weil er so lange nicht mehr in der Stadt oder im Parlament war.“

„Vielleicht hat der Duke mir gar nicht selbst geschrieben“, sagte Dru und setzte sich kerzengerade hin. „Welchen Beweis habe ich, dass es wirklich Seine Gnaden war? Jeder kann sein Siegel genutzt haben.“

„Wozu?“, fragte Evie, dann verzog sie schuldbewusst das Gesicht. „Wir sind nicht nett zu dir, Dru. Wir sehen ja, dass du nicht willst, außerdem hast du dich nie zu etwas überreden lassen. Wenn du unsicher bist, schreib an den Duke und lehne die Einladung und das Angebot ab.“

Dru nickte und hatte das Gefühl, dass es so am besten war. Trotzdem war sein Angebot eine schreckliche Versuchung, denn sie wollte nicht den Gentleman heiraten, den ihre Familie für den Richtigen hielt. Lord Dawson war liebenswert, attraktiv, gutmütig und noch dazu ein Earl, aber er weckte keine Leidenschaft in Drusilla. Sie hatte bei ihren Freundinnen aus dem Klub genug Leidenschaft und Liebe gesehen, um zu wissen, was sie sich in einer Ehe wünschte. Außerdem wollte sie selbst entscheiden, mit welchem Mann sie den Rest ihres Lebens verbringen würde. Wie konnten ihre Eltern die Sache so leichtnehmen und keinerlei Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen?

Dru wollte eine glühende Liebe, die nie erlöschen würde. Etwas Echtes … und sie würde sich nicht mit weniger zufriedengeben. Wieder wurde ihr das Herz schwer, denn sie wusste nicht, wie sie ihrer Familie erklären sollte, dass sie Lord Dawson nicht liebte. Ihr Vater hatte seinen Ohren nicht getraut, als sie es erwähnt hatte, und gebrüllt, dass romantischer Unsinn in der Ehe nichts zu suchen hatte.

Ihr bekümmertes Herz hatte sie gedrängt, einen Roman über eine junge Lady zu schreiben, die einen Soldaten kennenlernte, sich in ihn verliebte und ihn dann verlor, weil er nicht aus dem Krieg zurückkehrte. Ihre Heldin, Miss Beatrice Needham, wurde daraufhin gezwungen, einen mächtigen Gentleman aus der Gesellschaft zu heiraten, in dem Glauben, ihr Liebster wäre gefallen. Es hatte eine überraschende Wendung gegeben, als ihr Soldat quicklebendig wieder aufgetaucht war. Der Roman war vor drei Monaten erschienen, war ein Riesenerfolg geworden, und Dru war stumm vor Staunen.

Diesen Seiten hatte sie anvertraut, wie sie von ihren Mitmenschen wertgeschätzt werden wollte. Sie hatte den Kampf der Heldin geschildert, die zwischen Liebe und Pflicht hin- und hergerissen war, auf der Suche danach, was Wertschätzung wirklich bedeutete. Ihr Roman hatte sogar Anklang beim Duke of Collingswood gefunden, und er hatte ihrem Verleger einen Brief voll Bewunderung und Lob geschrieben. Bei der Lektüre war Dru fast in Ohnmacht gefallen.

Dru fasste in ihr Kleid und zog den Brief heraus, den sie ihren Freundinnen noch nicht gezeigt hatte. Dieser Brief hatte sie veranlasst, sich heute Abend von einem Ball davonzustehlen und sich zum Berkeley Square 48 zu begeben.

Mit zitternden Fingern öffnete sie den Umschlag.

Lieber S. Lovellette,

gestatten Sie mir, Ihnen zu Ihrem ausgezeichneten Roman zu gratulieren.

Diese erste Zeile hatte sie törichterweise für den unbekannten Absender eingenommen. Die meisten Leute liebten ihren Roman, doch die strengsten Kritiker hatten ihn verrissen, weil der Stil zu blumig und melodramatisch gewesen sei. Einer hatte sogar geschrieben, dass nur eine Lady so romantische und idealistische Vorstellungen haben könne.

Lange hatte sie zitternd auf den Aufschrei gewartet, dass eine Frau Cherished geschrieben habe. Glücklicherweise hatte ihre furchtlose Anführerin Theodosia, die Duchess of Hartford, die Dru geholfen hatte, einen Verleger zu finden, ihren Einfluss genutzt, um dieses Gerede zum Verstummen zu bringen. Langsam legte sich ihre Angst, enttarnt zu werden, und sie sonnte sich in ihrem unerwarteten Erfolg und unterschrieb einen weiteren Vertrag – sie würde einen zweiten Roman schreiben.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Brief zu und las weiter.

In letzter Zeit interessiert mich beinahe nichts mehr, aber Ihre Worte haben mich berührt. Ihr Stil verrät eine mitfühlende Seele, die vielleicht in der Lage ist, bestimmte Themen mit Umsicht und Takt zu behandeln. Eine, die nicht Reißaus nimmt, wenn sie eine hässliche Fratze sieht.

Sie strich mit dem Finger über diese Zeile und flüsterte: „Was meint Ihr damit, Euer Gnaden?“

Was für eine hässliche Fratze?

Ich mache Ihnen ein Angebot, Mr Lovellette. Kommen Sie zu mir auf meinen Landsitz in Derbyshire, denn ich möchte, dass Sie meine Memoiren schreiben. Das erfordert natürlich äußerste Diskretion, und ich vertraue darauf, dass Sie ein ehrenwerter Mann sind und meine Bitte berücksichtigen. Ich würde Ihnen zweitausend Pfund für Ihre Arbeit zahlen, wenn sie fertig ist.

Ich erwarte Ihre Antwort.

Duke of Collingswood

Dru räusperte sich. „Soll ich euch seinen Brief vorlesen?“

„Ja“, riefen ihre Freundinnen wie aus einem Mund. Evie und Victoria setzten sich neben sie auf das Sofa.

Ihre tröstliche Anwesenheit wärmte Dru das Herz, und sie wünschte sich, Louisa wäre auch da. Ihre Freundin hatte kürzlich den Marquess of Marsden geheiratet – zum Entsetzen vieler Mütter von Debütantinnen, die alle gehofft hatten, dass er ihre Tochter heiraten würde. Der Marquess hatte seine neue Marchioness sogar auf eine lange Hochzeitsreise entführt. Louisa war gütig und mitfühlend und hätte sicher gewusst, was richtig war.

Dru las den Brief des Dukes vor.

„Was meint er mit der hässlichen Fratze?“, fragte Victoria mit Neugier in den grünen Augen.

Drusilla runzelte die Stirn. „Das habe ich mich auch schon gefragt. Es klingt wirklich sonderbar.“

„Ich verstehe, dass es dir schwerfällt“, sagte Harriet mit einem Seufzer. „Der Duke erwartet Mr S. Lovellette. Das ist natürlich unmöglich.“

„Ich weiß“, murmelte Drusilla. „Aber irgendwie würde ich gern seine Memoiren schreiben.“

„Warum?“, fragte Evie.

„Ich … ich weiß nicht.“

Sein Brief hatte sie einfach … gefesselt. Das war etwas albern, vielleicht lag es an ihrem allzu romantischen Herzen, das ihre Mama zur Verzweiflung brachte. Wenn der Duke Cherished so sehr bewunderte, hatte er vielleicht eine poetische Seele. Das klang lächerlich – ein romantischer Duke! Alle Dukes waren stolz und arrogant. Aber er wirkte anders.

„Findet ihr nicht, dass er … unglücklich klingt?“

„Vielleicht“, sagte Harriet, „hat es einen Grund, dass der Duke als Einsiedler gilt. Man hat ihn seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Ich habe keine Ahnung, warum.“

„Vielleicht schrecken die bösen Gerüchte ihn ab“, murmelte Evie. „Kannst du dir vorstellen, dass man dir vorwirft, deinen Bruder getötet zu haben?“

Dru atmete tief durch. „Pippa hat neulich geschrieben, dass sie schwanger ist und es ihr nicht gut geht. Lord Trent bringt sie zu einem ihrer kleineren und friedlicheren Landhäuser in Derbyshire, damit sie Ruhe hat.“

Ein erstickter Laut kam von Evie, und Harriets Augen wurden kugelrund.

„Denkst du auch, was ich denke?“, fragte Victoria. Ihre Augen funkelten boshaft.

Drusilla stöhnte. „Vielleicht bin ich zu dumm und …“

„Nein“, sagte Evie und grinste. „Du bist nicht dumm. Ich werde Cousine Jemma bitten, Pippa gemeinsam mit dir zu besuchen. Ich überlasse es dir, Jemmas wachsamen Blicken zu entfliehen und dich mit dem Duke zu treffen.“

Dru holte erneut tief Luft. Ein Schauer überlief sie. „Soll ich es wirklich wagen?“

„Ja“, sagte Victoria. „Haben wir das nicht in unserem Klub gelernt? Wenn wir etwas wagen, haben wir die Chance, die Liebe zu finden und große Abenteuer zu erleben!“

„Die Liebe finden?“ Drusillas Stimme klang erstickt. „Bei dem Duke?“ Der Gedanke war so absurd, dass sie höchst undamenhaft die Augen verdrehte. „Wenn ich hinfahre, dann nur, weil ich so neugierig auf Seine Gnaden bin. Wer ist er … und warum lebt er schon so lange zurückgezogen? Das passt genau zu den Themen meines neuen Romans Beloved. Hoffentlich werde ich in unserem Gespräch viel erfahren.“

So konnte sie auch den ewigen Versuchen ihrer Eltern entkommen, sie mit Lord Dawson zu verkuppeln. Sie wurden immer hartnäckiger, und wer wusste, wie lange sie sich noch widersetzen konnte?

Drusilla verließ den Berkeley Square 48 wenig später und setzte die Kapuze ihres Umhangs auf, als sie in eine der vielen Kutschen stieg, die die Duchess den Mitgliedern zur Verfügung stellte. Der Wagen polterte durch die Straßen von London, um sie zurück zum Ball zu bringen. Dru zog den Vorhang zur Seite, schaute hinaus und fragte sich, ob sie wirklich so tollkühn war, einen Gentleman zu besuchen, ohne dass eine Anstandsdame dabei war.

Was wird er denken, wenn er begreift, dass ich S. Lovellette bin? Wird er mir seine Geschichte auch dann noch erzählen? Oder wird er mich gleich davonjagen?

Es sei denn …

Dru schnappte nach Luft und ließ den Vorhang los. Ihr war eine schockierende Idee gekommen. Musste sie dem Duke überhaupt verraten, dass sie S. Lovellette war? Drusilla lachte, klopfte an das Dach der Kutsche und wies den Kutscher an, sie zum Berkeley Square 48 zurückzufahren. Glücklicherweise waren sie noch nicht weit gekommen. Ein paar Minuten später rannte sie den Korridor entlang und riss die Tür zum kleinen Salon auf.

Ihre Freundinnen lagen auf dem Bauch, spielten Whist und tranken etwas, das nach Brandy aussah.

„Drusilla“, keuchte Harriet und stand kichernd auf. „Wir dachten, du würdest dich wieder in den Ballsaal schleichen, bevor deine Mutter merkt, dass du verschwunden bist.“

„Ich habe beschlossen, es zu tun“, sagte sie aufgeregt. „Ich werde die Einladung des Dukes annehmen und zu seinem Schloss fahren … aber nicht als ich selbst, sondern als Mr Simon Lovellette.“

Ihre Freundinnen starrten sie mehr oder weniger erstaunt an, und sie lachte.

„Ich kann nicht glauben, dass ich euch sprachlos gemacht habe, nach allem, was unsere Freundinnen sich schon getraut haben. Ich bin beeindruckt von mir.“

„Du willst dich als Mann verkleiden?“, brachte Victoria schließlich hervor. „Auf der Reise?“

„Ja“, sagte Dru und schob die Kapuze ihres Umhangs zurück. „Aber nicht nur auf der Reise, sondern die ganze Zeit über. Der Duke braucht nicht zu erfahren, dass die Person, an die er geschrieben hat, eine junge Frau ist. Dann wäre es kein Skandal, ihn zu besuchen und auf seinem Landsitz zu übernachten. Vielleicht ist der Duke so übermäßig korrekt, dass er mich gleich wegschickt, wenn er erfährt, dass der Schriftsteller eine Schriftstellerin ist. Würde er riskieren, eine Lady bei sich zu beherbergen, und sei es nur für eine Nacht? Im Falle eines Skandals könnte er sich gezwungen sehen, sie zu heiraten.“

Ihre Freundinnen nickten langsam.

Harriet lächelte. „Ich verstehe, was du meinst – und du bist schon eine professionelle Perückenträgerin.“

Drusilla nickte und tastete nach der blonden Perücke, die sie an diesem Abend trug, um ihre rabenschwarzen Locken zu verbergen. Nach fast einem Jahr im Geheimklub war sie gut darin, sich zu kostümieren. Allerdings hatte sie es noch nicht gewagt, sich als Mann zu verkleiden. Aber wirklich, wie schwer konnte es schon sein?

Theodosia verstand, dass sie für die gewagteren Mutproben Verkleidungen brauchten, und sie hatte mehrere Perücken und Kostüme sowie Theaterschminke vorrätig. Drusilla würde sich eine Perücke mit moderner Frisur besorgen, Make-up auflegen, sich die Brüste abbinden und Männerkleidung tragen.

Evie musterte sie kritisch. „Du bist schlank genug, um als Mann durchzugehen, aber willst du auch deine Stimme verstellen?“

„Ich werde üben“, sagte Drusilla mit tiefer, rauer Stimme zu ihren Freundinnen, die erst atemlos lauschten und dann in Gelächter ausbrachen. „Wenn ich es oft mache, werde ich bestimmt besser. Ich nehme mir ein paar Sachen meines Bruders. Er ist in Bath und wahrscheinlich wieder mal auf der Suche nach einer Geliebten. Bartholomew wird kaum merken, dass ihm Kleidung fehlt.“

Seit Dru Mitglied des Klubs am Berkeley Square 48 war, hatte sie gelernt, dass man die Grenzen des Anstands überschreiten und aus den althergebrachten Rollen ausbrechen musste, wenn man etwas erreichen wollte. Da sie mit Cherished Erfolg gehabt hatte, hoffte Drusilla insgeheim, dass sie unabhängig werden und dem Druck der Familie entkommen könnte, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte.

Das Vermögen, das der Duke ihr bot, würde ein gutes finanzielles Polster sein, falls ihr Vater sie wegen ihrer Sturheit und ihres Ungehorsams verstoßen sollte. Sie würde genug zum Leben haben und ihr Geld so anlegen, wie sie es im Klub gelernt hatte. Außerdem würde sie Geld verdienen, indem sie noch mehr Romane von S. Lovellette veröffentlichte. Drusilla fand immer mehr Gefallen an ihrer Idee und beratschlagte lange mit ihren Freundinnen. Sie hoffte, dass sie nicht zu weit ging und den schlimmsten Fehler ihres Lebens machte.