Kapitel 1
Das Leben war schön, voller kürzlicher Erfolge und bevorstehender Abenteuer. Ich hatte einen fabelhaften Verlobten und eine vielversprechende Karriere als Lady Detective vor mir. Es war nur ein geringfügiger Rückschlag, in einem Oast House voller Hühner gefangen zu sein.
Ein Vogel mit schwarzen Federn und finsterem Blick gackerte unheilvoll neben mir, und ich rutschte unwillkürlich zur Seite, für den Fall, dass er mir in den Knöchel picken würde. Oast Houses wurden gebaut, um Hopfen für Bier zu lagern, und in der Mitte des Raumes erhob sich über drei Stockwerke der riesige Ofen, der im August und September Tag und Nacht befeuert wurde, um den Hopfen zu trocknen, bevor er zum Brauen fortgebracht wurde. Jetzt war Frühling, und obwohl die Hopfenblüten schon lange vom Lattenboden über mir gefegt worden waren, mischten sich die Noten von Wacholderbeere und Kiefer immer noch mit den Düften von Heu und Hühnern.
Etwa zehn tappten über den Boden und gackerten aus den Nistkästen, die entlang der runden Wand standen. Sie waren nicht meine einzige Gesellschaft. Zu meinen Füßen saßen drei Ziegenkinder und starrten mich an.
Ich hatte Glück. Nicht viele Frauen konnten im Jahre des Herrn 1897 überhaupt mit einer Karriere rechnen. Mein Glück hatte sich erst im vergangenen Frühjahr eingestellt, als ich mir ein Herz gefasst und einen Detektiv angeheuert hatte, um meine Mutter zu finden, die vor zehn Jahren aus Hastings und St Leonards verschwunden war. Ich hatte Benjamin Blackthorn, einen sehr großen Detektiv, überredet, mich für ihn arbeiten zu lassen, zunächst als Schreibkraft. Das hatte zu mehreren Abenteuern geführt, darunter die Suche nach meiner Mutter und die Verlobung mit ihm, und jetzt zur Lösung von Fällen wie diesem.
Ein bürstenbärtiger Farmer namens Mr. Wicken hatte mich im Oast House eingesperrt. Ich hatte ihn gefragt, ob er ein paar der Geißlein gesehen habe, die Kinder in Ziegenkutschen auf der Promenade von Hastings und St Leonards hinter sich herzogen, da drei von ihnen verschwunden waren und eine Krabbenverkäuferin an der Strandpromenade mir erzählt hatte, sie habe ihn heute früh auf dem Heimweg gesehen, mit einem wild zappelnden Sack über der Schulter. Als ich ankam, grunzte Mr. Wicken ein wenig und deutete auf das Oast House. Sobald ich eingetreten war, schloss er mich mit einem Riegel vor der Tür ein. Und hier waren die drei kleinen Ziegenkinder, eines davon kaute an meinen Schnürsenkeln. Sie waren zu klein, um die Kutschen zu ziehen, weiß und braun mit wedelnden Schwänzchen, bernsteinfarbenen Augen und weichen Schnauzen.
Drei Hennen umkreisten die kleinste Ziege und gackerten aufgeregt. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Die Zicklein strotzten vor unbeholfener, unkontrollierbarer Energie, manchmal sprangen und wirbelten sie durch die Luft, als ob eine unsichtbare Kraft sie antrieb, und machten nur eine Pause, um sich gegenseitig und meine Knie zu rammen und alles in Sichtweite zu fressen. Erst seit ein paar Minuten waren sie so erschöpft, dass sie sich niederließen. Das kleinste meckerte hilflos, also nahm ich es auf den Schoß und streichelte seine weichen Ohren. Zu weich. Kein Wunder, dass man sie zu Handschuhen verarbeitete.
Vor ungefähr sechs Monaten hatte ich meine Mutter gefunden. Ich hatte einen zwielichtigen Detektiv angeheuert, um sie zu finden, einen Mr. Frank Knight, und versucht, ihn durch den moralisch überlegenen Mr. Blackthorn zu ersetzen. Schließlich hatte ich sie selbst gefunden. Sie führte ein ruhiges Leben in Buxton in liebevoller, wenn auch überraschender Gemeinschaft mit einer Lady.
Mr. Möchtegern-Detektiv Knight war gestorben. Ich konnte es nicht ertragen, es Mord zu nennen, aber er hatte mich bis nach Buxton verfolgt, seine lange, verbissene Besessenheit von meiner Mutter offenbart und uns beide bedroht. Die Lady-Freundin meiner Mutter hatte seinen vorzeitigen Abgang aus dieser Welt durch die Tiefen einer Höhle beschleunigt. Es war ein schockierender Moment, der mich nachts immer noch wach werden ließ, aber er hatte das Gefühl in mir gefestigt, dass ich Detektivin werden und mich dem Grauen und der Traurigkeit des Lebens stellen musste. Ich hatte im vergangenen Jahr so viel gelernt und wollte nie wieder zu der naiven, unwissenden Frau werden, die ich einmal gewesen war.
Doch es gab einen Wermutstropfen. Ich hatte mich noch immer nicht damit abgefunden, dass meine Mutter zehn Jahre lang keine Anstrengungen unternommen hatte, mich wissen zu lassen, dass sie am Leben war. Es hatte mich mehr verletzt, als ich erwartet hatte, aber das einzig Wichtige war doch, dass sie lebte und bei guter Gesundheit war. Ich musste den Schmerz ignorieren. Ich hatte schönere Dinge, an die ich denken konnte.
Da war zum Beispiel die Vereinbarung mit meinem neuen Verlobten Benjamin Blackthorn. Es war eine sehr moderne Vereinbarung, denn er hatte zugestimmt, dass wir uns so lange gegenseitig kennenlernen könnten, wie ich es für nötig hielt, und wenn es nicht klappen sollte, könnten wir die Sache ohne Schuldzuweisungen beenden, und ich wäre wieder eine freie Frau. Wir waren jetzt seit fast sechs Monaten verlobt und ich war sehr zufrieden. Vielleicht würden wir in zehn Jahren heiraten und eine Familie gründen.
Im Großen und Ganzen war es nicht so schlimm, in einem Oast House eingesperrt zu sein. Ich glaubte nicht, dass der Farmer mir etwas antun wollte. Ich wurde immer besser darin zu erkennen, wenn Menschen mir etwas Böses wollten. Er hatte eher panisch als wütend gewirkt. Außerdem gab mir das Eingesperrtsein einen seltenen Moment, um über das Wunder meines Lebens nachzudenken, das endlich in die richtigen Bahnen gelenkt wurde.
Aber ich hatte genug sinniert. Es war Zeit zu verschwinden.
***
Es sah nicht gut aus. Ich ging die Wendeltreppe hinauf, die zur oberen Bodenebene führte, wo der Hopfen schaufelweise getrocknet wurde, konnte aber keinen Ausweg entdecken. Die Tür zum Kühlhaus nebenan war fest verschlossen, und es war unmöglich, durch das Loch im Dach zu fliehen, da es konisch verlief, ein riesiger Schornstein, der die heiße Luft aus dem Ofen nach oben und nach draußen leitete.
Ein Scheitern war inakzeptabel. Ich hatte nicht sechs Monate lang gelernt eine Lady Detective zu werden, um dann an der ersten Hürde zu scheitern. Aber nachdem ich den gesamten Rundbau dreimal abgeschritten hatte, jedes Mal verfolgt von kleinen neugierigen Ziegen, musste ich mir eingestehen, dass die Möglichkeiten doch recht begrenzt waren.
Schließlich setzte ich mich frustriert auf die obere Ebene, lehnte meinen Kopf gegen die Wand und blickte zu der markanten weiß gestrichenen Haube ganz oben auf dem kegelförmigen Dach hinauf.
Geformt wie die Haube einer Nonne, drehte sie sich im Wind, angetrieben von einer Wetterfahne. Vielleicht, so dachte ich, sollte sie den Hopfen vor Regen schützen, aber auf jeden Fall war sie von außen betrachtet sehr auffällig. Überall in der Landschaft gab es zahlreiche ähnliche Oast Houses, jedes mit seiner weißen Spitze, ein unverwechselbares Zeichen in der Landschaft.
Ich betrachtete die Haube erneut und seufzte, als mir eine Idee kam. War das die einzige Möglichkeit? Würde ich meine Würde und meinen Ruf für meine Freiheit riskieren müssen? Wäre es besser, einfach zu warten, in der Hoffnung, dass der Bauer seinen Fehler einsehen würde?
Ich war kein geduldiger Mensch. Ich ging wieder die Treppe hinunter, nahm eine an der Wand lehnende langstielige Harke und stieg damit wieder hinauf. Sie war nicht lang genug, also nahm ich das Band von meinem Hut und band zwei Harken zusammen, Zinken an Zinken.
Würde ich jemals wieder in die Gesellschaft zurückkehren dürfen, selbst wenn meine Taten mich retteten? Aber mein Hut passte nicht durch das Loch, und ich konnte wohl kaum meinen Rock ausziehen. Stattdessen zog ich, vor mich hin murrend, meinen guten weißen Baumwollunterrock aus, der aus einer dicken Stoffschnürung gewebt war, die ihn steif abstehen ließ, um meinen Rock zu stützen. Um die Taille hatte er ein Baumwollband, das ich so fest wie möglich am Ende eines der Rechen befestigte, sodass eine Öffnung entstand, durch die er sich im Wind aufblähen konnte. Dann stemmte ich ihn nach oben und aus dem Loch im Dach heraus. Ich hatte eine Fahne gemacht. Eine Fahne, die mich retten oder für immer blamieren würde.
Ein paar Sekunden blähte sich mein Unterrock prächtig auf und zeichnete sich als unübersehbares Signal gegen den Himmel ab. Dann frischte der Wind auf und die Haube drehte sich erneut, riss meinen Unterrock vom Ende der Harke, sodass er auf und davon flog. Ein weißer Baumwollvogel vor den Wolken. Ich setzte mich wieder auf den Holzboden, besiegt.
Kapitel 2
Über seinem struppigen Bart war das Gesicht des Bauern außerordentlich rot.
„Miss, Sie haben da was verloren …“, sagte er. „Is das Ihrer? Er kann kaum jemand anderm gehören. Sie möchten vielleicht …“ Er stand in einiger Entfernung, den Arm steif ausgestreckt, und reichte mir ein gefaltetes Bündel aus braunem Jutetuch. Ich vermutete, dass es meinen verlorenen Unterrock enthielt.
„Danke“, sagte ich. „Vielleicht würden Sie mich rauslassen.“
„Meine Frau sagt, ich sollte“, sagte er. „Aber ich mach‘s für die Ziegen. Is ein Protest. Ziegen sind keine Pferde. Sie sollten nicht an der Strandpromenade stehen und Kutschen mit Besuchern ziehen müssen. Dafür sind sie nicht da. Das is Ausbeutung. Is gegen die Natur. Man sollte sie groß werden lassen und auf einer Weide grasen lassen, damit sie gute Milchtiere werden. Das is ein anständiges Leben.“
„Sie haben sie gestohlen“, sagte ich. „Diebstahl ist eine ernste Angelegenheit. Sie haben sie in einem Sack weggebracht. Und mich haben Sie bei einem Haufen Hühner eingesperrt. Ich bin voller Federn. Einige wichtige Leute werden sich fragen, wo ich bin. Außerdem, ist es nicht ebenso Ausbeutung, Ziegen wegen ihrer Milch zu halten? Die Milch haben sie nicht für uns.“
Er rümpfte die Nase. „Is unnatürlich, verwöhnte Gören am Meer entlang zu ziehen. Besser für ihre faulen Beine, wenn sie laufen. Meine Frau sagt allerdings, dass ich diesmal vielleicht zu weit gegangen bin. Ihr … er ist mir ins Gesicht geflogen, Ihr … Ihr … als ich die Kühe versorgt habe. Is wohl ein Zeichen. Wollte Sie nich so erschrecken, dass Sie gleich etwas Unschickliches tun.“
„Warum lassen Sie uns nicht alle gehen und wir reden nicht mehr darüber?“, sagte ich.
Er zuckte mit den Schultern und strich sich über den Bart. „Sagen Sie Mrs. Pearson, dass sie besser auf ihr Vieh aufpassen muss. Sorgen Sie dafür, dass sie keine Kinder ziehen, die doppelt so groß sind wie sie. Is kein Leben für ‘ne Ziege. Aber meine Frau ist von uns beiden diejenige mit Verstand. Dann nehmen Sie sie mit.“
Er holte ein Wollknäuel aus seiner Tasche, schnitt mit einem Taschenmesser, das er aus einer anderen Tasche zog, drei Stück ab und band je eine Schnur eng genug um den Hals der Ziegen, damit sie sich nicht herauswinden konnten. Dann wollte er mir die Enden der Schnüre geben.
„Viel Glück mit denen“, sagte er. „Verzeihen Sie den Ärger. Is schon ungewöhnlich, dass sich ‘ne Lady auf‘m Land mit solchen Problemen rumschlägt, oder? Sind Sie nich zu … fein für so ‘n Kram?“
„Ich bin eine Lady Detective“, sagte ich. „Hart, entschlossen und wenn nötig, bestialisch.“
Er drehte sich zur Tür, als wolle er die Wolken betrachten, aber hatte er etwa ein Lächeln im Gesicht? Wenn dem so wäre, würde ich es ignorieren. Er hatte einen Nerv getroffen, aber er war ein Ziegendieb und daher nicht ernst zu nehmen.
„Wenn Sie die Tiere kurz nach draußen bringen und die Tür angelehnt lassen, werde ich mich um … diese Angelegenheiten kümmern.“
Er stürmte zur Tür hinaus, wieder mit rotem Gesicht, und ich zog meinen Unterrock wieder an, bevor ich zu ihm auf den Hof ging.
„Entschuldigung, Miss“, sagte er und reichte mir die Ziegenkinder an der Schnur.
„Danke, für Ihre Gastfreundschaft, auf Wiedersehen“, sagte ich und stolzierte aus dem Innenhof hinaus. Es war nicht ganz der würdevolle Abgang, den ich mir erhofft hatte, denn die drei Ziegenkinder hatten unterschiedliche Meinungen darüber, welche Richtung wir einschlagen sollten, aber schließlich schafften wir es nach draußen. Ich machte mich auf den Weg den Hügel hinunter, um sie Mrs. Mavis Pearson, der Inhaberin der Ziegenkutschen an der Seepromenade, zurückzubringen.
Es war kurz vor Mittag, und nachdem ich die Landstraßen verlassen und den Stadtrand erreicht hatte, nahm ich die schmalen Gassen und Seitenstraßen, um niemandem zu begegnen. Es ging nur bergab, da Hastings und St Leonards ein ewiges Auf und Ab aus Hügeln waren, die steil zum Meer hin abfielen. Ich lief im Zickzack bis zur Promenade, nahm schließlich eines der Zicklein unter den rechten Arm, zog die anderen beiden hinter mir her und lief mit der nonchalanten Lässigkeit von jemandem, der etwas völlig Selbstverständliches tut.
Es war der erste März und die Strandpromenade erwachte wieder zum Leben. Es war ein harter Winter gewesen. Stürme hatten mehrere Piers entlang der Küste zerstört und Beach Terrace war dreimal überflutet worden, wobei man sich einig war, dass es ohnehin zu nah am Meer gebaut worden war.
Die Tagesausflügler und Kurgäste kehrten jetzt allmählich zurück. Die Straßenhändler waren unterwegs und verkauften Wellhornschnecken und Strandschnecken, Liebesäpfel und Zuckerstangen, Blumen, Postkarten, Treibholzschnitzereien und Muscheln. Ein Fischer flickte sein Schleppnetz vor dem Eingang eines schwarz geteerten Ladens für Netze und ein anderer stellte Weidenkörbe her. Auf der Promenade kam ich an einer Reihe Strandwagen vorbei, die zu vermieten waren, und am Strand standen mehrere Reihen der neuen gestreiften Liegestühle, die im letzten Sommer so in Mode gekommen waren. Dahinter, am Rand des Meeres, lagen die riesigen Segeljachten, umgeben von einer wartenden Menschenmenge, und ihre Segel blähten sich im Wind. Die Luft war erfüllt von Rufen, Gelächter und lauten Gesprächen. Ich hatte gehört, dass der Stadtrat eine Satzung einführen wollte, um das schlimmste Chaos an der Strandpromenade zu vermeiden und zu kontrollieren, wer was wo verkaufen durfte, und ich hoffte, dass die Regeln diesen atemberaubenden Strudel des Lebens nicht zerstören würden.
Der Hastings Pier, der sich mit seinem maurischen Pavillon und den zwiebelförmigen Dächern am seewärtigen Ende majestätisch ins Meer erstreckte, war die meisten Wintermonate über geschlossen gewesen. Die Stürme hatten die Anlegestelle am neuen St Leonards Pier zerstört, einige seiner Holzbalken wurden weiter die Küste entlanggetrieben und schlugen in mehrere der zweihundert Eisenpfeiler ein, die den Hastings Pier stützten, aber der Schaden konnte nicht allzu schwerwiegend gewesen sein, denn heute war er wieder geöffnet. Die Menschen strömten durch die beiden achteckigen Eingangsportale, um die zahlreichen Stände und verschiedenen Unterhaltungsangebote zu besuchen, von Wahrsagern und Kräftemessern bis hin zur Attraktion dieser Woche: einem Spiegelkabinett. Wie es nun mal die Schicksalsgöttinnen wollten, sah ich, als ich das Ende erreichte, die Spencer-Schwestern in aprikosenfarbenen Kleidern auf mich zukommen. Sie waren ein seltsames Paar und schnitten mich auf der Straße gerne. Sie bemerkten mich und drehten sich leicht zur Seite, als wollten sie auf die andere Seite, aber sie waren mit einem stämmigen Mann unterwegs, der einen ungewöhnlichen rotbraunen Bart trug, der so dicht war, dass sich Spatzen darin verirren konnten. Er musste wohl ihr Vater sein. Da er mich nicht kannte, änderte er seinen Kurs nicht, sodass sie keine Möglichkeit hatten, mir auszuweichen. Sie begnügten sich damit, mich mit identischen Blicken des Entsetzens und der Verachtung anzusehen und einen großen Bogen um meine tierischen Schützlinge zu machen.
Ein Stück weiter traf ich auf Mrs. Withers aus meiner örtlichen Kirche, denn die Engel waren mir heute nicht wohlgesonnen. Mich zu kritisieren war bereits ihre Lieblingsbeschäftigung, ohne dass sie zusätzliche Munition benötigte. Sie liebte extravagante Hüte und der heutige war mit roten und violetten seidenen Mohnblumen bedeckt, ein ganzes Feld blühte auf ihrem Kopf mit einer aufgeschreckten Amsel im Epizentrum.
„Was um Himmels willen!“, rief sie. „Miss Hamilton, was in aller Welt tun Sie da?“
„Ich bringe nur ein paar Ziegen zurück“, sagte ich und versuchte, sie zu umgehen, aber eines der Zicklein, das von dem Blattwerk auf ihrem Hut fasziniert war, stellte sich auf die Hinterbeine und stemmte seine kleinen Hufe auf ihr Knie, um einen genaueren Blick darauf werfen zu können, und ein anderes wickelte sich fröhlich in ihre Röcke.
„Gütiger Gott!“, rief sie, schob sie beiseite und trat hinter eine Bank, um sich zu schützen. „Haben Sie denn weder Verstand noch Anstand? Mit schmutzigen Nutztieren durch die Stadt zu ziehen! Was würde Ihre Mutter dazu sagen?“
„Meine Mutter ist vor elf Jahren verschwunden“, sagte ich. „Ihre Gedanken dazu wären … veraltet. Ich muss gehen. Guten Tag“, und ich schaffte es, um sie herumzugehen und meinen Weg fortzusetzen. Wohl wissend, dass ihr Gesicht vor Missbilligung unschön verkniffen sein würde, drehte ich mich nicht mehr um. Ich hätte nicht so schnippisch über meine Mutter sprechen sollen, denn nur Benjamin und ich wussten, dass sie wohlauf und am Leben war und nicht auf hoher See ertrunken, von Wegelagerern entführt oder von Piraten verführt worden war, was nur einige der wilden Theorien waren, die seit Jahren in der Stadt kursierten. Aber Mrs. Withers hatte eine Abreibung verdient.
Schließlich erreichte ich Mrs. Pearsons Ziegenstall an der Strandpromenade und gab die Zicklein zurück.
Sie war eine kleine Frau mit einer gewissen Schroffheit, perfekt für die Ausbildung störrischer Ziegen.
„Ich werde zu Farmer Wicken gehen und ihm ordentlich die Meinung sagen“, sagte sie, aber ich hielt sie zurück.
„Er ist altmodisch und denkt, dass Ziegen für die Milch gehalten werden sollten“, sagte ich. „Er hat versucht, etwas Wichtiges zur Befreiung der Ziegen und zur Ethik von Ziegenkutschen beizutragen. Er hat eingesehen, dass er im Unrecht war, und wird es nicht wieder tun. Behandeln Sie sie gut, ich bitte Sie darum.“
Im Laufe des Vormittags hatte ich für die Geißlein und ihren lebhaften Überschwang Zuneigung entwickelt. Aber sie schienen glücklich, zu Hause zu sein, also tätschelte ich ihnen den Kopf und ging.
Ich hatte vor, Benjamin Blackthorn, meinen Verlobten, in unserem Büro zu treffen. Zuerst würde ich aber nach Hause gehen und den Geruch meines Abenteuers abwaschen. Ich wollte mich nur von meiner besten Seite zeigen.
Der Morgen war erfolgreich gewesen, wenn ich von den kleinen Ärgernissen absah. Ich ging vielleicht mit den menschlichen Eigenheiten und Schwächen weniger geduldig um als früher, da ich jetzt einen Beruf, eine Berufung hatte. Das gab mir doch sicherlich das Recht, den Anfeindungen und Angriffen derer, die mir nicht passten, aus dem Weg zu gehen und mich denen zuzuwenden, die mir passten? Das letzte Jahr hatte mir gute Freunde beschert, und ich musste einen Weg finden, Leute wie Mrs. Withers und die Misses Spencer aus meinem Leben zu verbannen.
Kapitel 3
Ich beendete eilig meine Waschungen und machte mich auf den Weg zu unserer Detektei. Ich ging direkt zur Strandpromenade hinunter und bog dann links ab, um den großen, flachen Abschnitt der Promenade entlangzulaufen, der von St Leonards nach Hastings führte. Das war einfacher, als mich weiter oben über die drei Hügel zu kämpfen, auf denen unsere Stadt erbaut worden war. Dort führten Straßen oder Gassen oft bergauf, wenn man eigentlich bergab gehen wollte, oder endeten plötzlich an einer unüberwindbaren Mauer.
Gleich hinter der Pracht von Pelham Crescent, einer Regency-Straße, die in einer eleganten, geschwungenen Kurve vor der Steilküste verlief, kam ich an einer Reklamewand vorbei, einer farbenfrohen Attacke auf das Auge und einer derben Mischung aus Werbung für Haarwuchsmittel, Tabletten gegen Seekrankheit, Klempner, Installateure, Wachsfigurenausstellungen, Theater und Laternenvorführungen. Dahinter lag die Altstadt von Hastings, ein unübersichtliches Gewirr aus Straßen, die von ungleichmäßigen Gebäuden aus zwei oder drei Jahrhunderten gesäumt waren. In einer gepflasterten Seitenstraße, eine halbe Meile landeinwärts vom belebtesten Teil der Küste entfernt, befand sich auf einem kleinen Platz umgeben von hohen Mauern an drei Seiten und so versteckt, dass man es leicht übersah, unser Schnüffler-Hauptquartier.
Vor drei Monaten hatte mein Verlobter Benjamin Blackthorn der mattbraunen Tür einen tiefen waldgrünen Anstrich verpasst und ein neues Messingschild daran angebracht, auf dem stand:
BLACKTHORN ANTIQUITÄTEN
Und darunter:
HAMILTON UND BLACKTHORN DETEKTEI
Wir hatten uns ein wenig darüber gestritten, weil ich der Meinung war, dass es Blackthorn und Hamilton heißen sollte, da er schon viel länger als Detektiv tätig war als ich und sein Vater vor ihm. Aber er hatte darauf bestanden, was ihn nur noch mehr als Gentleman auszeichnete. Ich polierte es mit meinem Ärmel, wie jeden Tag, und ging hinein, wobei die kleine Glocke läutete, als ich eintrat.
Benjamin hockte hinten im Laden auf seinen Fersen und polierte einen kleinen Eichenschrank auf Hochglanz. Ich wusste, dass ihm dieser Aspekt seiner Arbeit gefiel, die praktische Seite des Restaurierens – ein Möbelstück, das in seinem langen Dienst an der Menschheit fast irreparabel ramponiert oder zerkratzt worden war, langsam und liebevoll wieder zum Leben zu erwecken. Mit derselben ruhigen Bedachtsamkeit hatte er mich zu einer guten Detektivin ausgebildet. Ich begriff, dass er die meisten Dinge im Leben auf diese Weise anging.
Ich hatte mich zunächst als ‚Lady Typist‘ in seine Dienste eingeschlichen und seine Briefe und Rechnungen auf der Remington Standard-Schreibmaschine getippt, einer glänzenden modernen Maschine mit einem Farbband und kleinen runden weißen Tasten mit den Buchstaben des Alphabets, hergestellt in Amerika. Ich liebte das Tippen und war darin hervorragend, und die Doppelrolle als Detektivin und Verlobte hatte sich vielleicht ganz natürlich ergeben, denn als ich erst einmal gut tippen konnte, war alles möglich. Er hatte die Detektivarbeit nach dem Tod seines Vaters aufgegeben und das Möbelgeschäft gegründet, aber ich hatte ihn überzeugt, dass wir beides schaffen könnten.
„Hamilton“, sagte Benjamin und nickte mir zu.
„Blackthorn“, sagte ich und nickte ernst zurück, woraufhin sich sein Mundwinkel verzog.
„Kaffee?“, fragte er und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Wie lief es mit den Ziegen?“
„Ich habe sie gefunden“, sagte ich. „Es war der Bauer, der die Wicken Farm auf dem Nordhügel verwaltet. Er hatte sie in seinem Oast House versteckt. Er ist der Meinung, dass es falsch sei, Ziegenkinder wohlgenährte Kinder in den Kutschen die Strandpromenade entlangziehen zu lassen. Da hat er nicht ganz Unrecht. Aber er sah meinen Standpunkt ein und gab sie mir zurück. Ich habe sie zurückgebracht, sodass wir den Fall als abgeschlossen betrachten können.“
„Ausgezeichnet“, sagte Benjamin. Er ging nach hinten und brachte nach einer Weile die hohe silberne Kaffeekanne und Tassen auf einem Tablett heraus, stellte sie auf einen verzierten Metalltisch neben unseren beiden Sesseln und schenkte uns jeweils eine Tasse ein. Es war eine Vertrautheit zwischen uns. Er machte sehr guten Kaffee. „Hattest du irgendwelche Schwierigkeiten?“
„Nein“, sagte ich. „Es verlief größtenteils unkompliziert.“ Ich würde gerne ehrlich sein, aber das stand in starkem Widerspruch zu meinem Bedürfnis, ihn zu beeindrucken. Er sollte von meinem Einfallsreichtum, meiner Schnelligkeit und meiner Effizienz begeistert sein; ich wollte ihm nicht sagen, dass ich mich aus der Gefangenschaft gerettet hatte, indem ich meinen Unterrock über die Dächer geschleudert hatte.
Er hob die Augenbrauen, aber ich konzentrierte mich darauf, zu nippen. Es war das Beste, mich abzulenken.
„Das ist ein wunderbarer Kaffee“, sagte ich. „Welchen Fall haben wir als nächstes?“
„Kein Grund zur Eile“, sagte er und blies über den oberen Rand seiner Tasse, um den Kaffee abzukühlen. „Du rennst durchs Leben, als gäbe es kein Morgen.“
Es blieben nicht mehr viele Tage in der Welt der Ermittlungsarbeit, da ich heiraten würde. Deshalb war ich mit meiner langen Verlobungszeit zufrieden. Ich musste jeden Tag mit Lernen und Nachforschungen, Abenteuern und Unternehmungen füllen, mir genügend Erinnerungen schaffen, die mich für den Rest meines Lebens auf Trab halten würden.
„Was haben wir noch auf Lager?“, fragte ich.
„Nicht viel. Wir müssen Werbung machen. Da ist ein Kerl, der glaubt, dass seine Frau eine Affäre hat, aber ich werde mich darum kümmern.“
„Warum? Warum du?“ Er hatte die Angewohnheit, bestimmte Fälle selbst zu übernehmen, und ich vermutete, dass er mir die harmlosen gab, Ermittlungen, die mich nicht aus der Ruhe bringen würden. In den letzten sechs Monaten hatte ich eine entlaufene Katze gerettet, einen verschwundenen Wandteppich der Medieval Renaissance Embroidery Society wiedergefunden (ein Angestellter war verärgert gewesen und hatte ihn als Antimakassar verwendet) und einen heftigen Streit zwischen zwei konkurrierenden Gurkenbauern auf der Hastings Country Show geschlichtet. Diese Fälle waren interessant, aber ich hatte mehr getippt als Detektivarbeit geleistet und ich vermutete, dass Benjamin mich vor den schwierigeren Fällen schützen wollte. Ich wollte das ganze Leben kennenlernen, eine richtige Detektivin sein, nicht nur an den Rändern herumstümpern. Wenn es bedeutete, dass ich mich abhärten und einige meiner weiblichen Empfindsamkeiten beiseiteschieben musste, würde ich das tun.
„Er ist kein Mann, mit dem du reden solltest“, sagte er. „Ein rauer Kerl. Kein Gentleman. Ich kümmere mich am besten darum.“
„Ich kann mich darum kümmern. Es ist an der Zeit, dass ich an einem echten Fall arbeite. Ich möchte nicht immer die leichten Fälle bearbeiten.“
„Langsam, meine Violet“, sagte Benjamin. „Ich habe Zeit, ich kann mich darum kümmern. Du hast Zeit zum Lernen. Du wirst keine Kraft mehr haben, wenn du dich kopfüber in alles stürzt. Genieße den Kaffee, genieße es, hier mit mir zu sitzen, so wie ich es genieße, mit dir zusammen zu sein. Wir laufen kein Rennen.“
Er war ein Mann, der sich für alles Zeit nahm, von der Art und Weise, wie er Möbel schleifte, polierte und lackierte, um Holzoberflächen und Messinggriffen wieder Glanz und Leben zu verleihen, bis hin zu der Art und Weise, wie er mich umwarb, mit ruhiger, entschlossener Zurückhaltung. Meine Mutter hatte mir gestanden, dass sie Schlafzimmeraktivitäten verabscheute, und so hatte ich ihn bei unserer Verlobung kühn gefragt, ob wir sie ausprobieren könnten, um zu prüfen, ob es sich dabei um eine vererbte Eigenschaft handelte. Er hatte zugestimmt, aber da er mich mit einer Intimität neckte, die so quälend langsam und unschuldig in ihrer Entwicklung war, war ich häufig verwirrt und frustriert.
Ich wollte den Nachmittag nicht verschwenden.
„Glaubst du, du könntest mir ein wenig über das Observieren beibringen?“
„Ah“, sagte er, „du hast wieder Kriminalromane gelesen. Na gut, ich werde dir beibringen, was ich weiß. Aber zuerst müssen wir wohl die Kanne nachfüllen.“ Er stand auf, streckte sich und schlenderte in die Küche, um mehr Kaffee zu kochen, während ich wartete und vor Frustration schäumte, weil das Leben endlich beginnen sollte.
***
„Wenn ich der große fiktive Sherlock Holmes wäre“, sagte er, nachdem er es sich in seinem Sessel bequem gemacht hatte, „würde ich dich schon von weitem erschnüffeln und feststellen, dass du frisch nach Rosen duftest und dich daher erst kürzlich gewaschen haben musst, was mich, da du den Morgen auf einem Bauernhof verbracht hast, vermuten lässt, dass die Dinge nicht ganz so glatt gelaufen sind, wie du sagtest. Aber eigentlich geht es nur um Inkongruenz.“
Manchmal dachte ich, dass Benjamin ein wenig wie Lord Byron aussah, größer, ohne die Poesie, den Klumpfuß und die Verwegenheit, aber mit dem gleichen schwarzen lockigen Haar und dem gleichen hübschen Gesicht.
„Inkongruenz?“
„Wir alle spielen eine Rolle“, sagte er. „Irgendwann zwischen Kindheit und Erwachsenenalter lernen wir das alle, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Wir entdecken, dass wir unsere Gesichtsausdrücke ändern können, um unsere Gefühle zu verbergen, lächeln, wenn wir wütend sind, versteifen unseren Rücken, um unseren Schmerz zu verbergen, tragen hochglanzpolierte Stiefel, um uns wichtiger zu fühlen. Oft kann man diese Kluft, diese Inkongruenz erkennen, wenn man genau hinsieht. So ist es auch mit einem Spiegel, sobald er alt wird. Anstatt dein Spiegelbild zu sehen, siehst du allmählich durch das Glas hindurch, in Flecken, auf die Platte darunter.“
„Wie erkennt man diese Diskrepanzen?“, fragte ich. Ich schenkte uns beiden noch Kaffee ein und stand kurz auf, um mir ein Blatt Papier und einen Stift vom Schreibtisch zu holen.
„Beobachte einfach“, sagte er. „Betrachte die Person so, wie du einen Schauspieler im Theater betrachten würdest, und mit etwas Abstand. Versuche, das Innere der Person zu sehen und zu erkennen, ob ihr äußeres Erscheinungsbild dazu passt oder ob sie Schwierigkeiten hat, beides miteinander in Einklang zu bringen. Achte auf Anzeichen, die sie verraten könnten. Ob sie sich beim Lügen am Ohrläppchen kratzen oder ihre Sätze mit viel Geschwätz füllen, um eine Unsicherheit zu verbergen. Achte darauf, ob ihre Handlungen mit ihren Worten übereinstimmen; vertraue ihnen nicht, wenn sie sich als ehrenvolle Menschen bezeichnen, während sie dir ein X für ein U vormachen wollen.“
„Sollte man jemanden provozieren, um Widersprüche aufzudecken?“
„Das kann man“, sagte er und strich sich über das Kinn, „durch Subtilität. Aber oft verraten sich die Leute selbst, wenn man ihnen freie Hand lässt. Interessiere dich für sie, und sie werden bei dem Versuch, für dich interessant zu sein, ins Stolpern geraten. Frauen können oft gut zuhören – zu gut, wenn ihr Gegenüber ein Langweiler ist. Du kannst das gut. Setze deinen Zynismus ein. Lass deine Zielperson über sich selbst reden und nimm dir, was du brauchst.“
„Habe ich denn irgendwelche Anzeichen?“, fragte ich.
„Mehrere“, sagte er. „Das Grübchen auf deiner linken Wange, wenn dir etwas gefällt, was ich gesagt habe. Die Art, wie deine großen blauen Augen sich weiten, wenn du etwas verheimlichst … die kleine Falte zwischen deinen Augenbrauen gerade jetzt, wenn du gleich widersprechen willst. Nein … glaubst du wirklich, ich würde dir meine Macht über dich in die Hände legen, so gering sie auch sein mag? Deine Schwächen sind nur für mich bestimmt.“
Als ich Benjamin zum ersten Mal traf, war er wortkarg, zerzaust und ein mürrischer Riese von einem Mann, und erst als er sich seinen wilden Bart abrasierte, lernte ich ihn langsam kennen. Aber selbst jetzt, nach sechs Monaten als seine Verlobte, kannte ich ihn nicht richtig. Es war ein langsamer Prozess, ihn zu enträtseln. Er war ruhig, selbstbewusst und sich seiner Stellung in der Welt sicher, ohne Aufmerksamkeit auf sich lenken zu müssen, sodass ich die beste Version meiner selbst sein konnte. Eine weniger aufmerksame Verlobte hätte vielleicht all die kleinen Dinge, die er tat und sagte, um mir das Gefühl zu geben, ihm gleichwertig zu sein, nicht bemerkt, aber da dies eine seltene Eigenschaft unter Gentlemen ist, fiel es mir auf. Jedes Mal fühlte ich mich ihm dadurch noch näher.
Ich wusste nicht, ob es Liebe war. Wir hatten uns nicht aus reiner Zuneigung verlobt. Benjamin hatte zu Recht darauf hingewiesen, dass wir nur zusammenarbeiten könnten, wenn wir verlobt wären, und er hatte mir seine Zuneigung gestanden, aber ich glaubte ihm nicht ganz. Er schien nicht von tiefen Gefühlen gequält zu sein oder unter überwältigender Leidenschaft zu leiden wie die Helden in Büchern; es gab kein Drama und kein Haareraufen; er warf mir keine sehnsüchtigen Blicke zu und vergaß nicht, sich zu rasieren, weil er mit seinen Gedanken nur bei mir war. Seine Zuneigung hatte eher etwas von einer stillen, ruhigen Gewissheit.
„Sehr raffiniert. Was sind deine Schwächen?“, fragte ich ihn.
„Ich habe keine“, sagte er. „Ich bin perfekt. Hast du das noch nicht bemerkt?“
Da war ein Körnchen Wahrheit drin, denn an manchen Tagen schien er tatsächlich ein perfekter Gentleman zu sein, makellos, ehrenhaft, immer bereit, mir Anerkennung zu zollen, zu gut, um wahr zu sein. Für mein verwirrtes, unvollkommenes Selbst war das bisweilen leicht irritierend.
„Du musst doch Fehler haben“, sagte ich. „Außer Arroganz. Vielleicht bist du nur sehr gut darin, sie zu verbergen. Vielleicht kommen sie eines Tages zum Vorschein, wenn wir verheiratet sind, und ich werde feststellen, dass ich ein Monster geheiratet habe.“
„Noch eine Ausrede, um unsere Hochzeit zu verschieben?“, fragte er. „Ich war mürrisch, als wir uns kennengelernt haben, nicht wahr? Bevor du meine Ecken und Kanten mit deinem Charme geglättet hast.“
„Ha“, sagte ich. „Überschwängliche Schmeichelei funktioniert bei mir nicht. Dagegen bin ich immun. Ich bin Detektivin.“
„Du vermutest anscheinend, dass ich dir nur aus einem bestimmten Grund schmeichle“, sagte er. „Vielleicht schmeichle ich, weil es wahr ist? Weil ich es sagen will?“
„Genug mit der Süßholzraspelei“, sagte ich. Ich wurde ein wenig … sachlich, wenn er mir Komplimente machte. Das war sicherer. „Ich muss mit dem Tippen beginnen.
Er lächelte mich an, auf diese weise, wissende Art, die er manchmal hatte, mein hübscher, unvergleichlicher Verlobter, und ich verdrehte die Augen und setzte mich an die Schreibmaschine, um Notizen zu meinem Ziegenkutschen-Fall zu tippen, sowie eine Rechnung an Mrs. Pearson. Wir machten uns Notizen zu allen Fällen und legten sie in einem separaten Schrank ab.
Ich verbrachte den Nachmittag damit, und Benjamin polierte weiter seinen Schrank. Später am Nachmittag stürmten seine fünf Halbgeschwister in die Werkstatt, und für kurze Zeit herrschte das reine Chaos. Die beiden Kleinsten, Maud und Ernest, waren lebhaft wie Zicklein, und alle waren voller Energie und Übermut. Vielleicht waren sie seit dem Tod ihres Vaters vor zwei Jahren noch näher zusammen gerückt. Benjamin hatte die Fürsorge für seine Geschwister und seine Stiefmutter Agnes übernommen und trug diese Verantwortung mit einer Leichtigkeit, die sein ganzes Leben prägte.
Maud, die Jüngste, war etwa sechs Jahre alt, hatte zwei kleine rote Zöpfe und saß zu meinen Füßen.
„Darf ich mal tippen versuchen, Violent?“, fragte sie. Ich mochte es, wie sie meinen Namen falsch aussprach. Ich kam mir fast wie eine Verbrecherin vor.
„Natürlich“, sagte ich und hob sie auf meinen Schoß, um ihr zu zeigen, wie es funktionierte. Als sie gingen, hatte sie ein Blatt Papier mit ihrem selbst getippten Namen darauf und einer Reihe anderer Wörter, die ihr gefielen, darunter ‚Käse‘, ‚Socken‘, ‚Biskuits‘ und ‚Frosch‘.
Eine Stunde später schlossen Benjamin und ich den Laden ab und verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich warf die Rechnung in den Briefkasten und machte mich mit dem guten Gefühl eines erfüllten Tages auf den Weg nach Hause. Die Freude an meinem Beruf half mir, tief und fest einzuschlafen, und ich wusste, dass sie mich am nächsten Morgen wieder mit neuer Energie erfüllen würde.
Kapitel 4
Beim Frühstück las mein Vater wieder einmal schweigend seine Zeitung. Die fehlende Unterhaltung störte mich dieser Tage nicht sonderlich, da ich mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt war. Während ich meinen Toast mit Butter bestrich, überlegte ich mir, was ich tun würde, wenn ein gemeiner Verbrecher aus dem Garten durch das Fenster einbrechen und mich ermorden wollte. Würde es ihn aufhalten, wenn ich ihm mein gekochtes Ei, noch in der Schale, direkt ins Auge werfen würde?
Sollte ich besser mein Messer werfen? Ich hatte über Messerwerfer gelesen, meistens im Zirkus. Oder ich könnte den ganzen Tisch umwerfen, um eine Barriere zwischen uns zu schaffen, und einige der hässlichen Porzellanfiguren von der französischen Anrichte nehmen. Sie hatten einem längst verstorbenen Verwandten gehört und würden niemandem fehlen, selbst wenn sie in tausend Stücke zerbrachen. Mein Vater hatte nicht meinen messerscharfen Instinkt, meine Bereitschaft, mich allen Gefahren zu stellen, also lag es an mir, uns zu retten.
Er stand abrupt vom Tisch auf und warf seine Zeitung hin.
„Einen schönen Tag wünsche ich dir“, sagte er und machte dann eine seltsame kreisende Bewegung mit der Hand in Richtung seines Frühstückstellers. „Die Eier waren ein bisschen … gummiartig.“
Nachdem er gegangen war, verdrehte ich die Augen in Richtung Hildebrand, die hereingekommen war, um die Teller abzuräumen.
„Beachte ihn nicht“, sagte ich. „Er hat gern zu allem eine Meinung.“ Das hatte ich im letzten Jahr am eigenen Leib erfahren. Durch seine Kommentare zu Belanglosigkeiten sicherte sich mein Vater seinen Platz und seine Bedeutung in der Familie, die Kritik selbst war dabei Nebensache. Ich konnte das inzwischen gelassener hinnehmen, da das Familienleben nicht meine Hauptaufgabe war.
Wir lebten in St Leonards, dem neueren Teil der Stadt. Der Architekt Decimus Burton hatte St Leonards vor etwa vierzig Jahren mit ähnlich kühnen Ambitionen entworfen wie seine Bauwerke in London, vom Wellington Arch bis zum London Zoo, aber hier wirkten seine großartigen Entwürfe weniger gemütlich, die Häuser schienen ein wenig von ihrer eigenen Pracht eingeschüchtert.
Vielleicht lag es daran, dass sie so nah am Wirrwarr von Hastings gebaut worden waren, dessen Wohnhäuser seit der Römerzeit über die Jahrhunderte hinweg planlos aus dem Boden gewachsen waren und dessen Straßen und schmale Gassen so chaotisch verliefen, wie lose Fäden an einer schlecht gestickten Decke. Ob sie nun eine seltsame Kombination waren oder nicht, Hastings und St Leonards waren eine Stadt, die von einem gemeinsamen Stadtrat regiert wurde und in einer unglücklichen Verbindung aus Gegensätzen und Widersprüchen gefangen war. Hastings war unhöflich, lebhaft, wild und arm; sein neuer Nachbar hatte höhere Ansprüche. Selbst die Tagesausflügler waren in St Leonards vornehmer.
Unser schickes rotes Backsteinhaus lag im neuen Vorort Silverhill. Es grenzte an einen dreieckigen privaten Garten, den sich alle Häuser teilten. Er war dreieckig, weil er an der Kreuzung zweier Straßen gebaut worden war, die aus der Stadt hinaus in Richtung London führten. Im Norden lag offenes Ackerland mit einer Dampfmühle und einer Windmühle, die ich von meinem Schlafzimmerfenster aus sehen konnte. Im Osten befanden sich der Shornden Wood und zwei Stauseen, die die Stadt mit Trinkwasser versorgten. Unter uns lagen die steil abfallenden Straßen, die zum Meer führten. Unser kleiner Haushalt bestand aus meinem Vater, dem Manager der Hastings and St Leonards Bank, und unserer Hausangestellten Hildebrand. Millie kam jeden Tag, um beim Kochen und Putzen zu helfen, und jeden zweiten Donnerstag rückte Mrs. Fitzsimmons an und drosch so lange auf unsere Wäsche ein, bis selbst das letzte Handtuch um Gnade winselte.
Hildebrand war vor sechs Monaten auf meine Veranlassung hin in unseren Haushalt gekommen. Zuvor hatte sie in einem Bordell in der All Saints Street in der Altstadt gearbeitet. Ich hatte sie bei meinem allerersten Fall kennengelernt und dann wieder, als sie Wolle aus einem örtlichen Laden geklaut hatte. Nachdem ich ihrer furchterregenden Madam im Bordell bereits begegnet war, die so muskulös wie ein Boxerhund war, hatte ich das Gefühl, dass Hildebrand bei uns glücklicher und sicherer sein würde.
Ich war mir sicher, dass Hildebrand im Grunde ein guter Mensch war. Sie hatte sich schnell eingelebt, schien zufrieden zu sein und war um einiges besser als die ewig mürrische Hausangestellte, die ich zuvor hatte. Trotzdem waren unsere Hintergründe so unterschiedlich, dass ich mich in ihrer Gegenwart immer ein bisschen dumm fühlte. Ich wusste nur sehr wenig über die schlimmsten Tragödien, die Frauen treffen können, während Hildebrand sicher alles wusste und mich insgeheim wegen meiner Naivität auslachte. Ich hatte sie nie nach ihrer Vergangenheit gefragt, um nicht wie eine sensationsgierige Besucherin im Zoo zu wirken.
Mein Vater und ich lebten in leichter Disharmonie zusammen, da es längst Zeit für mich war, auszuziehen. Ich war neunundzwanzig, in Haushaltsangelegenheiten eine Katastrophe und hatte zu viele Jahre damit verbracht, die Verehrer abzulehnen, die er für mich ausgewählt hatte. Das hatte nicht nur leichtfertige Gründe. Meine Mutter hatte mir ein völlig falsches Bild von der Ehe vermittelt, und ich zweifelte an meiner eigenen Attraktivität, denn wie sollte ich wissen, ob die Freier mich wegen meiner Person wollten oder wegen des Geheimnisses meiner schönen, abwesenden Mutter? Erst in jüngerer Zeit war ich ein wenig vernünftiger geworden und hatte einige Männer kennengelernt, denen ich wirklich etwas bedeutete, und plötzlich war es nicht mehr nur ein Spiel.
Vor sechs Monaten hatte ich meine Mutter in Buxton gefunden, wo sie heimlich mit ihrer Lady-Freundin Evelina Joyce zusammenlebte. Sie hatte sich seit über einem Jahrzehnt nicht mehr bei mir gemeldet, abgesehen von einem kurzen Brief, den mein Vater mir vorenthalten hatte. Darin schrieb sie, es sei schwierig, mit einer Frau ein neues Leben aufzubauen, und sie fürchte, wir würden sie dafür hassen. Aber egal, wie aufrichtig ihre Entschuldigungen auch gemeint waren, keine davon schien mir Grund genug, mich über ihr Wohlergehen im Unklaren zu lassen. Es fiel mir nicht leicht, ihr zu vergeben.
Benjamin hatte mir einen Heiratsantrag gemacht, und ich hatte im Zug von Buxton nach Hause zugestimmt. Mein Vater hatte zunächst leichte Zweifel geäußert, ob mein zukünftiger Verlobter in finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht zu mir passe, aber Benjamin hatte ihn beeindruckt, indem er ihm von seiner erfolgreichen Karriere als Antiquitätenhändler und Ermittler erzählte und dass er einst eine hohe Position in der Royal Navy innegehabt hatte, woraufhin mein Vater, der des Verkuppelns müde war, schnell nachgab. Er war jetzt genauso selbstzufrieden mit meiner Verlobung, als hätte er sie selbst arrangiert.
Zwei wichtige Tatsachen hatte ich meinem Vater verschwiegen: Erstens, dass ich meine Mutter lebendig und gesund vorgefunden hatte, und zweitens, dass ich für meinen neuen Verlobten als Detektivin arbeitete. Er vermutete aufgrund des Briefes, dass sie noch lebte, aber da ihre Ehe zuletzt unglücklich gewesen war und er kürzlich eine vor Zuneigung übersprudelnde Lady namens Mrs. Beeton kennengelernt hatte, war es unwahrscheinlich, dass er davon begeistert sein würde. Ich fand auch, dass es die Aufgabe meiner Mutter war, die Verantwortung für solch eine einschneidende Nachricht zu übernehmen, da ich sonst die einzige Person in seiner unmittelbaren Umgebung gewesen wäre, die er anschreien konnte.
Was meinen Beruf als Detektivin anging, war ich nicht überzeugt, dass er liberal genug war, um das zu verstehen. Er wusste, dass ich als Lady-Typist arbeitete, und hatte das widerwillig akzeptiert, in der Annahme, dass ich nach meiner Heirat damit aufhören würde; das reichte ihm. Der Frieden war wieder eingekehrt, auch wenn er mich manchmal noch über seine Zeitung hinweg ansah und die Stirn runzelte.
Wir hatten beide Geheimnisse. Der Brief, den mein Vater vor mir versteckt hatte, hatte einen letzten, entscheidenden Hinweis auf ihren Aufenthaltsort geliefert, denn der Poststempel passte zu dem auf einer Postkarte, die ich zwischen den Dielen in ihrem Schlafzimmer gefunden hatte.
Heute lag ein Brief von meiner Mutter auf meinem Nachttisch, die Absenderadresse war nicht in ihrer Handschrift. Hildebrand war angewiesen, die Briefe direkt in mein Zimmer zu bringen. Ich würde ihn vielleicht morgen lesen.
Seit ich sie ausfindig gemacht hatte, schrieb sie mir zweimal pro Woche lange, ausschweifende Briefe, in denen sie mir Details aus ihrem Leben erzählte, ihre Gedanken und Meinungen zu aktuellen Ereignissen, Klatsch über Leute, die sie kannte, Skandale aus der Zeitung und Fragen über mich stellte. Seltener schrieb ich ihr höfliche kurze Briefe, in denen ich ihr vom Wetter und der Wellenhöhe berichtete. Sie war zehn Jahre lang nicht in meinem Leben gewesen und wollte nun wieder zu sehr daran teilhaben, mit derselben freudigen Intensität Ratschläge geben, mit der sie den Rest ihres Lebens angegangen war. Ich war nicht bereit dafür.
Als ich siebzehn war, schüchtern und unsicher, mich durch eine unwichtige gesellschaftliche Veranstaltung stammelte und mir Sorgen machte, ob ich zu sehr errötete oder etwas Falsches sagte, weil ich mich wie immer von ihr überschattet gefühlt hatte, hatte sie mich ziemlich streng zurechtgewiesen.
„Vergiss, wie du dich fühlst“, sagte sie. „Vergiss, was andere Leute denken. Stell dir vor, du bist eine Schauspielerin auf der Bühne. Sprich mit Selbstvertrauen, kümmere dich nicht darum, welche Wirkung deine Worte haben, dann haben sie eine positive Wirkung. Die Leute denken meistens nur an sich selbst. Entscheide, wer du sein willst, wen du der Welt zeigen willst, und sei diese Person. Du kannst jede sein, die du möchtest, meine Violet. Du hast die Fähigkeit, dich der Welt genauso zu präsentieren, wie du gesehen werden willst.“
Damals hatte ich ihr nicht zugehört, weil ich mir sicher war, dass sie nie so gefühlt hatte wie ich. Aber ein Jahr später war sie verschwunden, und ohne sie war ich gezwungen, mich den Menschen und dem Leben direkt zu stellen. Ihre Worte holten mich wieder ein, und ich setzte eine Maske aus Selbstbewusstsein und Chuzpe auf, um mit dem Klatsch und den Spekulationen fertig zu werden. Eine Maske, ähnlich der, die Benjamin beschrieben hatte. Die Person, die ich der Welt zeigte, war vielleicht etwas zu direkt für eine junge Lady, weil ich ein wenig wütend war, aber sie hatte mir gute Dienste geleistet, und ich war so lange vorlaut gewesen, dass ich mir nicht sicher war, ob mein schüchternes Ich noch da war. Wenn meine Mutter geblieben wäre, hätte ich vielleicht nie den Mut gehabt, Detektivin zu werden. Vielleicht hatten ihre Worte und ihre Abwesenheit mir dabei geholfen, eine zu werden.
Ich raffte mich auf und machte mich bereit für die Arbeit. Ich würde Benjamin überreden, mich bei dem Fall, den er erwähnt hatte, mitarbeiten zu lassen, oder vielleicht würde ein neuer Fall an unsere Tür klopfen; so war das Leben derzeit meistens, voller Zufälle und Glück.
Aber als ich bei unserem Detektivbüro ankam, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
Kapitel 5
„Violet, ich bin froh, dass du da bist“, sagte er und lächelte abwesend. Er hatte seinen Mantel an und auf dem Holzsideboard, auf dem ich gesessen hatte, als wir uns kennengelernt hatten, stand eine Reisetasche.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
„Ich muss nach Schottland“, sagte er und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar, das daraufhin in alle Richtungen abstand. „Eine alte Angelegenheit muss geregelt werden. Ich werde nicht lange weg sein. Vielleicht ein paar Tage.“
„Worum geht es denn?“, fragte ich.
„Ich muss los, um den Zug zu erwischen“, sagte er. „Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin. Aber hoffentlich kann ich einen Mann vor dem Galgen bewahren. Ich bin froh, dass ich dich vor meiner Abreise noch sehen konnte.“
„Natürlich“, sagte ich. „Ich werde dafür sorgen, dass in deiner Abwesenheit alles reibungslos läuft.“
Er fuhr sich wieder mit der Hand über das Gesicht. „Das kannst du nicht, Violet“, sagte er sanft. „Du als alleinstehende Frau kannst keine Detektei leiten. Ich weiß, dass du es liebst, und es tut mir leid. Wir müssen für ein oder zwei Tage schließen und weitermachen, wenn ich zurück bin. Es wäre zu gefährlich für dich, allein zu arbeiten. Es wird nicht lange dauern.“
„Dann kann ich doch das Möbelgeschäft geöffnet lassen“, sagte ich. „Die Leute brauchen immer noch Bücherregale. Ich kümmere mich einfach um den Möbelbereich, bis du zurück bist. Und ich tippe ein bisschen.“
„Das geht nicht“, sagte er. „Als unverheiratete Frau kannst du kein Geschäft alleine führen, ohne dass ein Gentleman anwesend ist. Du weißt, dass das nicht geht. Ohne meinen Schutz würden die Leute versuchen, dich auszunutzen. Wir bewegen uns schon jetzt am Rande der Anständigkeit. Ich werde dich nicht zur Heirat drängen, bevor du bereit bist, deshalb müssen wir den Laden für eine Weile schließen. Es tut mir leid. Ich komme zurück, sobald ich kann, und dann werden wir das Leben wieder in Schwung bringen. Unser Leben.“
„Natürlich“, sagte ich. „Du hast vollkommen recht. Ich werde warten, bis du zurück bist. Mach dir keine Sorgen um mich. Mir geht es gut. Du musst gehen und das klären.“
„Schließt du den Laden ab?“, fragte er, und als ich nickte, nahm er seine Tasche und ging zur Tür hinaus, und die Glocke läutete hinter ihm.
Ich stand eine Weile allein im Laden, drehte mich langsam im Kreis, um mir alle Möbel und meinen kleinen Schreibtisch in der Ecke mit der eleganten schwarz-silbernen Schreibmaschine darauf anzusehen, und überlegte, ob ich ihn trotz seiner Worte offen lassen sollte. Aber das könnte zu Spannungen zwischen uns führen, und wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, könnte ich keinem Käufer dabei helfen, die schwere Reisetruhe, die in der Ecke stand, aus dem Laden zu tragen. Ich war immer noch eine Frau, auch wenn ich immer beweisen wollte, dass ich mehr war.
Und ich konnte nicht alleine als Detektivin arbeiten. Es war dumm von mir, das überhaupt in Betracht zu ziehen, aber es fühlte sich an, als würde sich die Tür zu meiner glorreichen Zukunft plötzlich schließen und ich wäre zurück in dem grauen Leben, das ich geführt hatte, bevor ich ihn kennengelernt hatte, auch wenn es nur ein paar Tage waren und ich mich lächerlich verhielt.
Ich schloss den Laden sorgfältig ab und ging nach Hause.
***
Was um alles in der Welt sollte ich in den nächsten Tagen tun? Sticken? Es lag mir nicht, still zu sitzen. Vielleicht war es an der Zeit, dass ich lernte zu warten. Ich würde geduldig und selbstlos sein. Obwohl ich nur wenig religiös war, stellte ich mir vor, wie ich vor dem Altar meiner örtlichen Kirche kniete und für seine Rückkehr betete. Ich würde Socken für Soldaten stricken. Ich würde erbauliche Schriften lesen und beim Beten ein bisschen ins Kissen weinen. Vielleicht veränderte Zuneigung einen Menschen grundlegend. Ich könnte für eine Weile in ein Nonnenkloster eintreten, bis er zurückkam. Trübselig dachte ich über meine möglichen Zukunftspläne nach und rief mich dann wieder zur Vernunft.
Ich versuchte, mich zu beschäftigen. Ich machte lange Spaziergänge entlang der weiten Promenade und stieg so schnell ich konnte den East Hill und den West Hill hinauf. Der East Hill war wilder und weniger besucht, während der West Hill mit seiner raffinierten Standseilbahn, den gepflegten Gärten und den Burgruinen bei Tagesausflüglern beliebter war. Am zweiten Tag ging ich noch weiter und wanderte bis zum Fairlight Glen. Dort befanden sich der romantische Dripping Well inmitten von Felsen, die mit Flechten und Moosen bewachsenen waren und der Lovers‘ Seat, ein Felsvorsprung direkt unterhalb der Klippe, der als Schauplatz einer verbotenen Liebesgeschichte zwischen einem Offizier und der Tochter eines reichen Gentleman galt. Es war ein hübscher Ort, aber leider kamen mehrmals täglich Kutschen aus Hastings, sodass zu viele verliebte Paare sehnsüchtig in die Ferne blickten und miteinander turtelten, als dass ich lange bleiben wollte.
Ich hoffte, Maria Monk und Miss Turton zu treffen, deren Fälle ich einst gelöst hatte und die ich als Freundinnen bezeichnen konnte. Beide Ladies waren so glückliche Junggesellinnen, deren Leben voller interessanter Hobbys war, und mir kam der Gedanke, dass ‚Junggesellin‘ ein schlechtes Wort für Frauen war, die sich nicht für einen Mann entschieden hatten. ‚Lady Bachelor‘ wäre besser, oder vielleicht ‚Freigeistin‘, was einen reizvollen, beschwingten Sinn von Freiheit und Vorwärtsbewegung hatte.
Ich vermisste Benjamin mehr, als ich erwartet hatte. Er war nur seit einem Jahr in meinem Leben, und doch hatte er sich geschickt einen Platz erobert, wenn auch nicht in der Mitte meines Herzens, so doch ganz in der Nähe. Er war ein großer Mann, und ohne ihn schien die Welt viel leerer, als wäre eine gewisse Güte aus ihr verschwunden. Aber ich würde ihm nicht nachtrauern. So eine Frau war ich nicht. Ich war eine Detektivin.
Kapitel 6
Am dritten Tag hatte ich immer noch nichts von ihm gehört.
Ich versuchte eine Weile, eines der Bücher im vorderen Salon zu lesen, aber sie waren sterbenslangweilig, also legte ich mich stattdessen mit dem Kopf nach unten auf das Sofa. Hildebrand kam ins Zimmer, und ich richtete mich so schnell auf, dass ich auf den Boden plumpste.
„Geht es Ihnen gut, Miss?“, fragte Hildebrand. Ich sagte, ich würde nur Gymnastik machen, und sie sah mich nicht an, als wäre ich eine Idiotin, wie es ihre Vorgängerin getan hätte. Hildebrand war viel geschickter im Haushalt als ich und schien zufrieden zu sein, was zwar erfreulich, aber auch beunruhigend war, da meine vorherige Bedienstete Edith ständig unzufrieden gewesen war und es dafür sicher gute Gründe gegeben hatte. Was, wenn ich eines Tages zum Frühstück herunterkam und Hildebrand wie Edith war, vor unterdrückter Verärgerung kochend? Am besten genoss ich ihre Zufriedenheit, solange ich konnte.
Dann machte ich einen Glücksfund. Auf einem Regal standen ein paar gebundene Ausgaben der Zeitung The Strand, die mein Vater von seinen regelmäßigen Besuchen in der Hauptstadt mitgebracht hatte. Ich nahm sie mit ins Wohnzimmer und setzte mich mit gekreuzten Beinen auf den Teppich vor dem Kamin, um sie durchzublättern. Ich schlug eine Seite auf und stieß auf ,Die Abenteuer der Miss Cately‘, eine Reihe von Geschichten über eine einzigartig unabhängige Frau, die sich für ein Leben voller Abenteuer entschieden hatte. Sie war noch nicht bereit zu heiraten! Sie erlebte aufregende Abenteuer in ganz Europa! Sie war witzig, willensstark und einfallsreich. Ihre schlagfertigen Antworten waren großartig. Sie verhinderte, dass einer alten Lady ihre Diamanten gestohlen wurden, reiste dann in die Schweiz, um Fahrräder zu verkaufen, und gewann ein Radrennen über einen Berg gegen zwei Männer! Sie war eine Lady, die man bewundern musste. Miss Cately kümmerte sich nicht um Anstandsdamen und hörte nicht auf Leute, die ihr sagten, was sie tun sollte. Sie war fantastisch. Ich musste mir mein eigenes Fahrrad besorgen.
Danach lag ich eine Weile in Sternform auf dem Teppich und starrte an die Decke.
***
Am Nachmittag beschloss ich, einen Spaziergang entlang der Küste nach Bexhill zu machen, wo es einen schönen Pavillon und eine andere Landschaft gab. Als ich den De La Warr Pavillon erreichte, kamen die Misses Spencer Arm in Arm in ihren braunen Kleidern auf mich zu. Ich beschloss, mich diesmal nicht abweisen zu lassen. Vielleicht war ich an der Situation mitschuldig. Ich hatte unsere Bekanntschaft vernachlässigt und mich nicht bemüht, sie in der Schule kennenzulernen. Ich würde liebenswürdig sein und ihnen meine Freundschaft anbieten.
Sie waren immer so steif, dass es schon lächerlich war. Einmal hatte ich im Unterricht ein Liebesgedicht des angesehenen Dichters Andrew Marvell aus dem 17. Jahrhundert vorgetragen und kam nicht weiter als bis zur Zeile: „Ein Jahrhundert ging allein dahin, zum Lob deiner Augen und dem Kinn. Zweihundert dann für jede Brust“, bevor sie gemeinsam aufstanden und mit gerümpfter Nase das Zimmer verließen.
Die Lehrerin, die in weiße Spitze gekleidet und wahrscheinlich genauso unschuldig war wie ich, wurde rot und sagte, das Gedicht sei eher für verheiratete Gentlemen geeignet. Ich musste es noch mal lesen, jetzt, wo ich mehr über eheliche Beziehungen wusste.
Die Zurückweisung der Schwestern war zumindest konsequent, und ich fand es langsam amüsant. Ich hatte gedacht, es läge an meiner Mutter, die mich zu einer Außenseiterin gemacht hatte, aber mein kluger Verlobter meinte, es könnte tiefere Gründe geben, die nichts mit mir zu tun hätten, und dass sie vielleicht selbst ein wenig verloren in ihrem Leben seien. Tatsächlich schlenderten sie ständig ohne erkennbares Ziel durch die Stadt und waren, obwohl ein oder zwei Jahre jünger als ich, noch nicht verheiratet. Waren sie vielleicht genauso zögerlich wie ich?
Ich starrte sie an, als sie auf mich zukamen, und tänzelte ein wenig auf dem Bürgersteig, um sie davon abzuhalten, an mir vorbeizugehen.
„Guten Tag, Ladies“, sagte ich.
Sie hielten ihre Sonnenschirme vor ihre Gesichter, aber ich ließ sie trotzdem nicht vorbei, sodass sie schließlich etwas sagen mussten, wenn sie keine Szene machen wollten.
„Miss … Hamilton“, sagte eine von ihnen.
„Miss Spencer, Miss Spencer“, sagte ich.
Es entstand eine unangenehme Pause.
„Schön, Sie zu sehen. Schönes Wetter heute, nicht wahr?“, sagte ich, obwohl es windig war und kalte Spritzer vom Meer über die Balustrade wehten.
„Mittelmäßig“, sagte die andere Schwester. Janice? Jane? Oh, das war ein dummer Impuls von mir gewesen. Ich würde gleich eine fiese Abfuhr bekommen.
„Ich habe gehört, Sie verkaufen … Möbel?“, fragte die Erste mit zusammengepressten Lippen, als würde ich unangenehm riechen.
„Ich unterstütze meinen Verlobten in seinem Antiquitätengeschäft“, sagte ich. „Es läuft wirklich gut.“
„Hm … originell“, sagte sie. „Und sind Sie zum Ernteball eingeladen?“
„Selbstverständlich“, sagte ich. „Aber ich werde wohl nicht hingehen. Ich bin bereits anderweitig verpflichtet.“
Das stimmte nicht. Ich war nicht eingeladen worden. Nach dem Verschwinden meiner Mutter waren die Einladungen nach und nach ausgeblieben. Zuerst waren die Bälle weggefallen, dann die Soireen und Abendgesellschaften und schließlich auch die Nachmittagstees und musikalischen Abende. Vielleicht lag es daran, dass eine abwesende Mutter eine seltsame Art von Skandal war, oder daran, dass ich eher mürrisch als fröhlich dreinblickte. Ich spürte kurz den Schmerz, den ich damals empfunden hatte, als ich mich nach Partys sehnte, obwohl ich wusste, dass ich mich dort unwohl fühlen würde.
„Sie müssen mich einmal besuchen kommen“, sagte ich und dachte zu spät daran, wie unordentlich und altmodisch unser Salon auf sie wirken würde.
Eine von ihnen gab einen kurzen Laut von sich, der Zustimmung oder Spott bedeuten konnte, und die Jüngere drehte sich weg, um auf die andere Straßenseite zu schauen, aber der Anblick der Wand mit den unterschiedlichen Werbeplakaten für Heilmittel und verschiedene Unterhaltungsangebote schien ihr auch nicht besser zu gefallen, und sie drehte sich mit einem schnaubenden Geräusch wieder zu mir um. Es entstand eine Pause.
„Lassen wir doch das Theater“, sagte sie scharf. „Wir schätzen Sie nicht besonders. Das haben wir noch nie getan. Sie sind egozentrisch und unerträglich selbstgefällig. Sie spielen leichtfertig mit den Gefühlen von Männern und Ihre Kleidung ist seit fünf Jahren aus der Mode. Wie kann Ihnen so etwas egal sein? Sie benehmen sich nicht wie eine Lady. Sie sind kaum eine Frau. Sie ziehen durch die Stadt und erwarten Mitleid für eine Mutter, die Sie verlassen hat und …“
„Bitte hören Sie auf“, sagte ich. „Das sind für heute genug Kritikpunkte. Ich hoffe, Sie hatten Spaß daran, sie zu sammeln.“
Die Ältere holte tief Luft und sagte dann: „Komm, Mabel“, und sie gingen schnell um mich herum und weiter die Promenade entlang.
Na gut. Das erklärte die Abweisungen. Ich hatte nicht bemerkt, dass die Misses Spencer so starke Gefühle gegen mich hegten, wo ich doch kaum an sie gedacht hatte. In der Schule war ich ganz mit den Abenteuern beschäftigt gewesen, die vor mir liegen könnten, und hatte meine Freundinnen vielleicht vernachlässigt. Das Leben schien golden, so voller Möglichkeiten, bevor meine Hoffnungen durch die unglücklichen Enthüllungen meiner Mutter über die Schrecken der ehelichen Intimität und ihr rasches Verschwinden zunichte gemacht wurden.
Wenigstens hatte ich den Namen einer der Schwestern erfahren. Sie blieben ein Rätsel für mich. Als meine Freundin Mrs. Monk mich letzten Sommer mitgenommen hatte, damit ich nackte Männer beim Baden im Meer beobachten konnte, um eine vordringliche Bildungslücke zu schließen, hatte ich einen flüchtigen Blick auf einen beigen Rock erhascht und mich gefragt, ob es die Spencer-Schwestern waren, die ebenfalls heimlich zuschauten. Wenn ja, hatten sie mich wahrscheinlich auch gesehen, aber sie empfanden offenbar keine Solidarität.
Das tat weh. Unerträglich selbstgefällig? Kaum eine Frau? Tja. Ich hatte über die Jahre nicht versucht, die Aufmerksamkeit von Gentlemen auf mich zu lenken, aber sie hatten trotzdem versucht, mir den Hof zu machen. Es stimmte zwar, dass ich nicht so viel Wert auf meine Kleidung legte wie andere Ladys, weil mir Äußerlichkeiten egal waren. Meine Mutter hatte sich nur für Mode und Schönheit interessiert, aber ich war nicht wie sie. Ich war praktisch, direkt und entschlossen. Wer bestimmte, wie eine Lady zu sein hatte? Dumme Mädchen waren sie, alle beide.
Ich ging zügig die Hügel hinauf nach Hause, voller Wut und entschlossen, mich nicht darum zu kümmern und nie wieder an die Spencer-Schwestern zu denken.
Kapitel 7
„Hast du eine Einladung zum Frühjahrs-Ernteball erhalten?“, fragte ich meinen Vater beim Frühstück.
„Ich bekomme immer eine“, antwortete er. „Übrigens steht dein Name auch auf der Einladung. Möchtest du hingehen? Ich dachte, du interessierst dich nicht besonders für Partys. Zumindest in dieser Hinsicht bist du anders als deine Mutter.“
Ich dachte mit einem Stich im Herzen daran, wie viele Jahre er wohl schon die Einladung erhalten hatte, ohne mir davon zu erzählen.
„Ja“, sagte ich. Es wäre zumindest eine Beschäftigung. „Wenn du mich begleiten würdest. Ich muss ein Kleid und ein paar Accessoires kaufen.“
„Sehr gut, sehr gut. Vielleicht möchte Mrs. Beeton auch mitkommen“, sagte er und hustete in seine Teetasse, um seine Verlegenheit zu verbergen. Manchmal benahm er sich immer noch wie ein junger Bursche im ersten Liebesrausch, wenn ihr Name fiel. Ich mochte ihn dafür.
Mrs. Beeton, die Witwe eines örtlichen Farmers, war im vergangenen Frühjahr in unser Leben getreten. Ich mochte sie. Sie war groß, laut und liebevoll und brachte die Sanftheit in das Leben meines Vaters, die er so dringend brauchte. Sie führte mit Hilfe ihrer Schwager die Little Ridge Farm und hatte fünf Töchter, von denen einige schon erwachsen waren und die sie über alles liebte. Ich wünschte mir, mein Vater könnte sie heiraten, auch wenn es ein Betrug wäre.
Er sprach mit ihr über Geld und sie hatte einen großen mildernden Einfluss auf ihn ausgeübt. Vor ihrer Ankunft im letzten Jahr war er mit allen Arten von Haushaltsausgaben eher knauserig gewesen, da er nicht glaubte, dass mein mädchenhaftes Gehirn mit Rechnungen umgehen konnte, und behandelte mich wie eine unverantwortliche Kundin in seiner Bank. Aber aufgrund ihres Anratens hatte er meine Zuwendungen für den Haushalt erhöht und gab mir nun eine für mich bemerkenswerte Summe für ein Kleid, und es wurde vereinbart, dass wir drei zum Ball gehen würden.
Ich schickte meinen neuen Freundinnen, Miss Turton und Mrs. Monk, die ich letztes Jahr durch das Aufklären von Fällen kennengelernt hatte, eine Nachricht, um zu fragen, ob sie auch kommen würden. Miss Turton konnte nicht, da sie sich das Bein verletzt hatte, aber Mrs. Monk hatte vor, zu kommen. Vielleicht war es besser, dass sie sich nicht trafen, denn Miss Turton war die Unschuld und Rechtschaffenheit in Person, während Mrs. Monk einst eine Lady der Nacht gewesen war, aber irgendwo tief in meinem Inneren hatte ich das Gefühl, dass sie sich gut verstehen würden.
Der Frühjahrs-Ernteball war eines der am meisten erwarteten Ereignisse in Sussex. Lady Brassey war dafür bekannt, Bälle von exquisiter Eleganz zu veranstalten, was zum Teil daran lag, dass ihr Mann ein Earl und Mitglied des Parlaments für Hastings war. Ich war überglücklich, als ich las, dass sie eine komplette ungarische Band engagiert hatte.
Normalerweise übernahm ich nur die Modetrends, die mir Bewegungsfreiheit ließen, und verzichtete auf alles andere, wie zum Beispiel Reifröcke. Aber jetzt wollte ich ein wunderschönes Kleid tragen, das vor Weiblichkeit und Charme nur so strotzte und das Prinzen dazu bringen würde, mich aus hohen Türmen zu retten, und Drachen dazu, salzige Tränen zu weinen. Ich vereinbarte einen Termin bei Madame LeFevre, der Schneiderin meiner Mutter. Wir stritten uns, weil ich ein Kleid mit allen Kinkerlitzchen und Firlefanz wollte.
„Mademoiselle, Sie können doch nicht wie ein Weihnachtsbaum aussehen“, sagte sie. „Eine Lady kleidet sich subtil und charmant und wirkt dadurch umso weiblicher. Zeigen Sie Ihr Dekolleté, betonen Sie Ihre Kurven, hüllen Sie alles in Schlichtheit, Übertreibungen sind nicht nötig.“
Wir einigten uns auf ein Kleid nach einem Pariser Entwurf aus tiefblauem Satin, überzogen mit einem Muster aus winzigen goldenen Chrysanthemen. Es hatte einen tiefen Ausschnitt, ein mit feiner Spitze besetztes Mieder und einen an der Seite gerafften Rock mit einer kurzen Schleppe mit altrosa Seidenrosen. Sie würde mir einen schwarzen Satinumhang für den Weg anfertigen. Sollte ein böser Schurke in den Ballsaal eindringen, um Unheil anzurichten, wäre er bei meiner Verteidigung völlig unpraktisch. Aber vielleicht wäre es eine Prüfung, um zu sehen, wie beweglich ich war.
Es war noch Geld übrig, also bat ich sie, mir auch ein Detektivkleid zu nähen.
„Aus einem strapazierfähigen Stoff wie Serge, mit vielen Taschen“, sagte ich. „Versteckte Taschen, im Rock und im Mieder, wo ich viele wichtige Dinge verstauen kann, wie zum Beispiel ein Dietrich-Set. Und nicht zu schwer oder warm, damit ich leicht herumspringen und auf Berggipfel rennen kann.“ Und weil das Budget immer noch nicht aufgebraucht war (ich dankte Mrs. Beeton insgeheim von ganzem Herzen), bestellte ich auch eine türkische Hose aus braunem Samt, wie sie Miss Cately zum Radfahren trug. Diese beiden Kleidungsstücke würden sicherlich die Frivolität des Abendkleides ausgleichen.
Es war nur eine Nacht, sagte ich mir. Das würde mich nicht zu einer Müßiggängerin machen. Und selbst wenn, würde ich zumindest den Leuten (deren Meinung mir egal war) zeigen, dass ich eine Lady sein konnte, wenn ich wollte.
Kapitel 8
Meine Brüste, auch sonst nicht gerade klein, sahen nun besonders üppig aus. Ich fühlte mich sehr nackt.
„Was ist, wenn es kalt wird?“, fragte ich Hildebrand, die meine Haare zu komplizierten Locken aufwickelte. Sie war sehr geschickt darin, und ich vermutete, dass sie das wohl während ihrer Arbeit im Bordell gelernt hatte, aber ich hielt es für unhöflich, sie danach zu fragen. Ich hoffte, dass sie mich nicht versehentlich wie eine leichte Frau aussehen lassen würde.
„Aber nein, Miss“, sagte sie. „Es wird eine laue Nacht werden. Außerdem haben Sie den Seidenschal und das Cape, das Sie darüber ziehen können, bis Sie dort sind. Ich finde Sie sehen aus wie Cinderella. Dieses üppige kastanienbraune Haar und diese Figur … Ich sage Ihnen, die Männer werden sich heute Abend um Sie scharen. Lächeln Sie sie an, und sie werden Ihnen zu Füßen liegen. Sie können zwar nicht so gut lächeln, aber wenn Sie es tun, sollte Ihr Mr. Blackthorn sich besser in Acht nehmen.“
Ich wünschte mir sehnlichst, Benjamin könnte mich in meiner ganzen Pracht sehen. Ich hatte nichts mehr von ihm gehört. Er hatte mich nur in meinen Tageskleidern gesehen, und selbst die wohlwollendsten Menschen würden zugeben müssen, dass diese ihre besten Zeiten hinter sich hatten. Ich würde ihn gerne mit einer romantischen Liebeserklärung überwältigen, auch wenn er, genauso wie ich, ein pragmatischer Mensch war und sich wahrscheinlich nicht zu leidenschaftlichen Worten hinreißen lassen würde.
Trotzdem wünschte ich mir, er sähe mich, wie ich im Ballsaal graziös an einer Schar überwältigter Gentlemen vorbeischwebte. Aber er war in Schottland und hatte weitaus wichtigere Dinge im Kopf.
„Etwas Rouge für Ihre Wangen“, sagte Hildebrand.
„Nein, nicht nötig“, sagte ich kopfschüttelnd und kniff mir stattdessen in die Wangen. Ich legte noch ein paar Amethystohrringe und eine schlichte Perlenkette an, die meine Mutter mir nicht unbedingt geschenkt, aber bei ihrer Flucht zurückgelassen hatte.
„Was für ein Anblick!“, rief Hildebrand und klatschte in die Hände.
„Bist du sicher, dass ich sie nicht besser bedecken sollte?“, fragte ich und schaute auf meine Brust, aber sie schüttelte den Kopf, und es war wirklich zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Vielleicht konnte ich meinen Kuchenteller darauf balancieren.
„Ich werde nie so schön sein wie du, Hildebrand“, sagte ich, „aber ich glaube, heute Abend kann ich mich sehen lassen. Ich hoffe, ich kann ein bisschen tanzen. Wenigstens mein Vater sollte mit mir tanzen.“
„Sie werden viel Spaß haben“, sagte sie. „Und genug Tanzpartner finden. Sammeln Sie ein paar Geschichten für mich, während Sie dort sind. Ich würde mich freuen, sie zu hören.“
Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich in einer so anderen Welt lebte als sie, aber solche Gespräche konnten nie ohne Unbehagen geführt werden. Stattdessen tätschelte ich ihren Arm.
„Nun denn, ich muss gehen!“, sagte ich. Mir fiel ein, dass dies die letzten Worte meiner Mutter gewesen waren, bevor sie vor zehn Jahren aus meinem Leben verschwunden war. Vielleicht würde ich dasselbe tun, auf der Suche nach Glück verschwinden und alle zurücklassen, die mich liebten. War ich so herzlos? Ich unterdrückte den kurzen Stich des Schmerzes. „Warte nicht auf mich.“
***
Es gab Lords und Lords, und Lord Brassey gehörte zu den angesehensten, den ranghöchsten der Peers. Er und seine Frau hätten ihren Ball in einem ihrer prächtigen Anwesen in Normanhurst Court oder Beaufort Park veranstalten können, aber da beide eine lange Kutschfahrt entfernt, außerhalb der Stadt lagen, fand der Ball in ihrem Stadthaus statt, einem prächtigen Gebäude namens Caple-ne-Ferne in der Albany Street.
Obwohl es für uns nur ein zwanzigminütiger Spaziergang war, hatte mein Vater eine Kutsche gemietet, um erst Mrs. Beeton abzuholen, die außerhalb der Stadt wohnte, und dann uns. Sie kam zur vereinbarten Zeit vor unserem Haus in St. Matthew‘s Gardens an, die Pferde schnaubten und stampften in der feuchten Luft, und Mrs. Beeton spähte aus der Kutschentür. Sie sah umwerfend aus, wenn auch ein wenig nervös.
„Ich bin solche prunkvollen Anlässe nicht gewohnt“, sagte sie, als wir uns in der Kutsche eingerichtet hatten. „Mein Mann hat sich immer um die Farm gekümmert, und man kann nicht einfach so wegfahren, wenn man bei der Geburt eines Kalbes helfen muss. Aber jetzt haben meine Schwiegersöhne alles im Griff, sodass ich ausgehen und mich amüsieren kann. Ist das nicht wunderbar?“ Sie strahlte uns beide an, so hoffnungsvoll und entschlossen, das Beste aus dem Leben zu machen, dass ich plötzlich eine tiefe Zuneigung für sie empfand und ihre Hand tätschelte.
„Du musst zuerst mit Violet tanzen“, sagte Mrs. Beeton zu meinem Vater. „Ich bin zufrieden, wenn ich zuschauen kann, und wenn ich Glück habe, gibt es zum Abendessen noch ein paar gute Kuchen.“
„Du wirst mit mir tanzen“, sagte mein Vater. „Mindestens einmal, wenn nicht sogar zweimal. Dann sehen wir weiter, ob der Anstand einen weiteren Tanz zulässt. Aber natürlich werde ich Violet zuerst auf die Tanzfläche führen.“
Wie immer lag eine leichte Spitze in der Art, wie mein Vater über mich sprach, als wäre ich Vieh, das von einem Transportwagen abgeladen werden musste, aber an diesem Abend kümmerte es mich nicht. Mein Herz freute sich, zu sehen, wie viel Mrs. Beeton ihm bedeutete, denn sie verdiente es, geschätzt zu werden.
Der Weg zum Haus war lang und eindrucksvoll, und wir wurden von anderen Kutschen begleitet, deren Pferde langsam die Auffahrt hinauf schritten. Das Haus war spektakulär beleuchtet, und Licht flutete aus den Fenstern. Ich verspürte eine ungewohnte Aufregung und mir wurde klar, dass ich den Abend unbeschwert genießen konnte, ohne mir Sorgen um meine Mutter zu machen. Meine Mutter war quicklebendig und bei bester Gesundheit.
Ein Diener nahm uns die Mäntel und Umhänge ab, und wir begaben uns zur Treppe, wo uns Lord und Lady Brassey und ihre beiden Töchter begrüßten. Lady Brassey war Lord Brasseys zweite Frau. Sie wirkte gelassen und selbstbewusst in ihrer Rolle, begrüßte uns alle freundlich und ging mit Mrs. Beetons überschwänglicher Begeisterung mit perfekter Gelassenheit um. Mrs. Beeton konnte zwar etwas laut sein, aber das zeugte von einem großen und liebevollen Herzen. Und schließlich konnten wir die Treppe hinunter in den prächtigen Ballsaal gehen, und unser Abend begann.
Kapitel 9
Es war ein beeindruckender Anblick. Exquisite Kristallkronleuchter, beleuchtet von elektrischem Licht, hingen von einer hohen Kuppeldecke, und Wandleuchten reflektierten die strahlende Wärme in glänzenden, goldgerahmten Spiegeln. Dort standen griechisch inspirierte Säulen, tempelartige Nischen, Seidenvorhänge hingen an jedem Fenster und der Parkettboden glänzte. Prunkvolle Gladiolen, Trompetenlilien und Efeu rankten sich an den Wänden empor.
Die vornehmsten Bürger von Hastings und St Leonards waren versammelt: mehrere Lords, Vizegrafen, Landedelleute, der Bürgermeister, der Stadtschreiber, die Ratsherren, der Kämmerer, und eine ganze Schar von Hauptleuten, Kommandanten, Majoren, Leutnants und Oberleutnants, denn Hastings und St Leonards waren ein Anziehungspunkt für diejenigen, die aus der Armee und der Marine ausgeschieden waren. Und natürlich waren auch ihre Ehefrauen anwesend.
Meine Tanzkarte war innerhalb weniger Minuten voll. Vielleicht lag es an meinem Kleid, oder daran, dass ich verlobt war und daher eine unbedenkliche Tanzpartnerin war, oder daran, dass ich lächelte oder eine Neuheit war – aus welchem Grund auch immer, die Gentlemen strömten herbei. Ich genoss diesen Triumph und lächelte den Spencer-Schwestern am Rand der Tanzfläche zu. Sie sahen ein wenig fahl aus, das Gelb ihrer Kleider passte nicht zu ihrem Teint.
Ich tanzte zuerst mit meinem Vater, der mich sehr korrekt führte und mich über die Tanzfläche wirbelte, als wäre ich eine Marionette mit Gelenken zwischen den Gliedmaßen. Es war vielleicht schon eine Weile her, dass er mit jemandem getanzt hatte. Danach kam ein Gentleman mit einem so ausladenden Bauch, dass ich nur mit einigem Abstand mit ihm tanzen konnte; dann Septimus Patmore, ein Augenchirurg, der einst Bilder meiner Mutter begafft und versucht hatte, mich dadurch zu einer Heirat zu zwingen, und Jeremy Parchment, den ich im letzten Jahr zurückgewiesen hatte und der deswegen immer noch betrübt wirkte. Die Schuldgefühle überkamen mich erneut, als er mich trübselig über das Parkett führte. „Suchen Sie Ihr Glück!“, wollte ich sagen. „Vergessen Sie mich!“ Aber es stand mir nicht zu, ihn zu trösten.
Der nächste Mann konnte den Rhythmus nicht halten, gab mir die Schuld dafür und versuchte, mir den falschen Rhythmus aufzuzwingen. „Das braucht Zeit, Sie werden es schon noch lernen“, sagte er am Ende müde und machte sich auf die Suche nach seinem nächsten Opfer. Mir wurde klar, dass mir das Tanzen nicht so viel Spaß machte, wie ich erwartet hatte. Das letzte Quäntchen war ein Gentleman mit schmalem Kinn, der grinsend und mit einem Seitenblick sagte: „Miss Hamilton! Sie sehen sehr, sehr, hmmmm hmmm hmmm aus“, bevor er meine Hände zu fest packte und mich über die Tanzfläche schleuderte. Ich fühlte mich wie ein saftiges Steak, das zum Braten eingeölt worden war. Ich sah auf der gegenüberliegenden Seite der Tanzfläche, dass auch die Spencer-Schwestern hinter ihren Fächern grinsten. Ihre anderen Beleidigungen hatte ich vergessen. Ich hatte lediglich bewiesen, dass ich zum Spaß mit Männern flirtete.
Ich schaffte es, hinter einer Säule Zuflucht zu finden, aber – „Sie tanzen zu freizügig in Abwesenheit Ihres Verlobten“, sagte eine Stimme in meinem Ohr, und ich wusste, ohne mich umzudrehen, dass es Mrs. Withers aus der Kirche war, bereit, ihre Meinung kundzutun. Aus dem Augenwinkel sah ich leuchtendes Violett und Grün und einen Hut, der darauf hindeutete, dass sie mit einem Pfau gekämpft und gewonnen hatte.
„Können Sie nicht einmal Ihre Meinung für sich behalten?“, fuhr ich sie an, zu dieser Unhöflichkeit getrieben, weil sie einen Nerv getroffen hatte. So unbefangen ich auch getanzt hatte, ich hatte es nicht genossen. Aber ich hatte es noch nie gewagt, so barsch mit ihr zu sprechen, und für einen Moment antwortete sie nicht. Ich drehte mich zu ihr um. Aus ihrem Hut sprossen nicht nur Pfauenfedern, sondern ein ganzer Schwarm winziger Kolibris. Sie starrte stirnrunzelnd über die Tanzfläche.
„Wenn ich Ihr Verhalten nicht mäßige, wer dann?“, sagte sie und schwieg dann.
Der Tanz ging weiter, schnell, ein schottischer Volkstanz, bei dem Ladies und Gentlemen wild über das Parkett hüpften und gelegentlich zusammenstießen. Ich war froh, nicht mittendrin zu sein. Ich vermisste Benjamin sehr. Neben all seinen anderen Vorzügen wäre er wahrscheinlich auch ein guter Tänzer.
Mrs. Withers wandte sich zum Gehen, was selten vorkam. Ich machte mich immer zuerst davon, wenn ich konnte.
„Es tut mir leid“, sagte ich. Ich hatte die Dynamik unserer Beziehung durcheinander gebracht, die darin bestand, dass sie verletzende Kommentare abgab und ich sie ignorierte. Ich fühlte mich schuldig.
Sie zuckte leicht mit den Schultern und lächelte. „Ihr Dekolleté ist zu tief“, sagte sie. „Ihre Mutter hätte sich nicht so freizügig gekleidet.“ Sie ging und ich starrte ihr nur hinterher. Das war offensichtlich nicht wahr. Meine Mutter hatte sich immer viel gewagter gekleidet als ich und flirtete mit den Grenzen des Erlaubten; aber weil sie war, wie sie war, wurde sie dafür bewundert statt verurteilt. Ich fragte mich, was Mrs. Withers sagen würde, wenn sie wüsste, dass meine Mutter einmal in Unterwäsche für Fotografien posiert hatte.
Es war ein beunruhigender Austausch. Ich wollte nicht unhöflich gegenüber Mrs. Withers sein, auch wenn sie sich in den letzten Jahren mir gegenüber sehr unhöflich verhalten hatte. Es erinnerte mich an eine Zeit kurz nach dem Verschwinden meiner Mutter, als ich an einer Nachmittagsteeparty teilgenommen hatte und schweigend zwischen den plaudernden Ladies und den Teetassen saß, dicke Tränen unterdrückend, unfähig, an etwas anderes zu denken als daran, wo meine Mutter war, ob sie noch lebte, verletzt oder für immer verloren; die Teeparty war so unwirklich wie ein Traum, und Mrs. Withers war zu mir gekommen und hatte mir gesagt, ich solle nach Hause gehen. Sie war damals nicht unfreundlich gewesen, daran erinnerte ich mich. Sie hatte mir nur gesagt, ich solle nach Hause gehen, niemand würde etwas dagegen haben, und ich war gegangen. Sie war die Einzige gewesen, die meinen Kummer bemerkt hatte.
Ich schüttelte die Erinnerungen ab. Mrs. Withers‘ Verfehlungen wogen schwerer als eine einzige Freundlichkeit vor zehn Jahren, und sie verdiente keinen weiteren Gedanken. Dieser Ball verlief nicht nach Plan, obwohl ich rückblickend gar keinen richtigen Plan gehabt hatte, außer den Spencer-Schwestern zu beweisen, dass ich eine Lady war. Das war misslungen, also sollte ich, wenn ich den Abend wirklich retten wollte, Benjamins Rat beherzigen und die Gäste beobachten.
Eine Gruppe junger Leute stand schwatzend und lachend vor einem der großen Fenster mit Blick auf den Garten, und ich beobachtete sie eine Weile, um das Geflecht der sozialen Interaktionen zu erfassen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand eine Lady, die sich träge an eine Säule lehnte und nicht viel tat. Sie war unnatürlich blass, hatte dichtes schwarzes Haar, das an den Seiten locker nach hinten gesteckt war, und große, erschrocken wirkende Augen. Sie redete nicht viel, lächelte nicht, sondern sah irgendwie verängstigt aus, wie eine Waldnymphe, die aus dem Wald geholt und in den Ballsaal geworfen worden war. Ihre Regungslosigkeit ließ die Aktivitäten der Ladies und Gentlemen um sie herum geradezu hektisch erscheinen, als sie um einen Platz an ihrer Seite buhlten, Scherze machten, über die sie nicht lachte, und ihr Erfrischungen anboten, die sie mit einem leichten Kopfschütteln ablehnte. Die Schönheit meiner Mutter war wie ein Feuer, das alle erwärmte, die in ihre Nähe kamen; die Anziehungskraft dieser Lady lag in einer Zerbrechlichkeit, die vermuten ließ, dass sie zerbrechen könnte, wenn man ihr nicht schnell zu Hilfe eilte.
Dann entdeckte ich meine Freundin Mrs. Monk und vergaß die Nymphe.