Leseprobe Der Marquess meiner Träume

Prolog

London

Vor etwa vier Jahren

„Erlauben Sie mir, Ihnen die Tochter von Viscount Clayton vorzustellen, Miss Eustacia Martin“, sagte Lady Crowley und strahlte den Marquess of Shelton an.

Lord Shelton nahm Stacias Hand und beugte sich darüber. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen“, sagte er und lächelte auf sie herab, wobei sich die Haut in den Winkeln seiner überirdisch blauen Augen kräuselte.

Die Luft verließ Stacias Lunge mit einer solchen Heftigkeit, dass sie das Gefühl hatte, man hätte ihr in die Magengrube geschlagen. Sie war sich ihres offenstehenden Mundes vage bewusst, sah sich aber außerstande, ihn zu schließen. Ein Ellbogenstoß in ihre Rippen erinnerte sie daran, dass sie einen Knicks machen sollte. Zittrig ging sie in die Knie und sagte mit fast unhörbarer Stimme: „Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mylord.“

Doch der glorreiche goldene Gott hatte ihre Hand bereits losgelassen und war weitergegangen.

„Und das ist Lady Louisa, die Tochter des Earl of Cumberland“, fuhr Lady Crowley fort und stellte ein weiteres der vier Mauerblümchen vor, die die arme Frau in dieser Saison zu beaufsichtigen hatte.

Stacia empfand den Verlust von Lord Sheltons Aufmerksamkeit – mochte sie auch nur von kurzer Dauer gewesen sein – wie die Blumen, wenn Wolken die Sonne verdecken.

Der Marquess of Shelton war so spät auf dem Ball eingetroffen, dass Stacia und ihre Freundinnen die Hoffnung auf sein Erscheinen bereits aufgegeben hatten. Kaum hatte er jedoch den Ballsaal betreten, stürzte sich eine Schar von Anstandsdamen und Mütter heiratsfähiger junger Damen auf ihn wie Krähen auf eine Leiche, auch wenn das Gleichnis eher unpassend war. Die Anstandsdamen glichen in Wirklichkeit eher tropischen Vögeln, und der Marquess of Shelton hatte überhaupt nichts Leichenhaftes an sich.

Zweifellos war er der schönste Mann, den Stacia je gesehen hatte. Er überragte sie – was allerdings nichts Ungewöhnliches war, da sie kaum mehr als einen Meter fünfzig maß. Seine Haare wirkten wie gesponnenes Gold, sein Gesicht war klassische Perfektion mit einem markanten Kiefer, festen, wohlgeformten Lippen und Augen, die sich jeder Beschreibung entzogen. Und dann war da noch seine Statur. Stacia schluckte, als sie ihren hungrigen Blick von seinem Gesicht löste und einen schnellen, aber gründlichen Blick auf seine breite Brust und seine Schultern warf, bevor ihre Augen zu seinen hautengen Hosen hinunterwanderten, die seine muskulösen Oberschenkel und Waden auf eine Weise zur Schau stellten, die eigentlich hätte verboten werden sollen.

Er war nicht nur körperlich umwerfend, sondern wann immer sie ihn in Gesellschaft sah – leider meist aus der Ferne –, lächelte und lachte er und strahlte damit eine Wärme aus, die sich über die glückliche Frau, mit der er sprach, hinaus ausbreitete.

Als ob das nicht schon genügte, war er auch noch ein hochdekorierter Offizier und Erbe des Dukes of Chatham.

Es schien kaum fair, dass ein Mann so gesegnet sein sollte.

Stacia begutachtete noch immer seinen prächtigen Körper, während er zu den nächsten Debütantinnen trat, die auf eine Vorstellung warteten.

„Aus der Nähe ist er noch perfekter“, hauchte Lady Louisa atemlos.

„Ein Mensch oder eine Sache kann nicht noch perfekter sein, Louisa“, schimpfte Miss Edith Barkley.

Stacia sah sich gezwungen, Lady Louisa beizupflichten: „Wenn jemand in der Lage wäre, noch perfekter zu sein, dann sicherlich Lord Shelton.“

„Er ist so perfekt, dass er nicht irdisch erscheint“, sagte Miss Sarah Creighton.

Alle nickten, da sie den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage erkannten.

An diesem Abend tanzte Lord Shelton mit keiner von ihnen. Tatsächlich tanzte er überhaupt nicht. Nachdem er mehr als vierzig jungen Frauen vorgestellt worden war, ging ein kollektiver Seufzer der Enttäuschung durch den Ballsaal, als er im Kartenzimmer verschwand und nicht mehr gesehen wurde.

Eine Woche später, auf einem anderen Ball, stand Stacia zufällig mit zwei anderen Mädchen und ihrer Anstandsdame zusammen, als die ältere Frau ihre Schützlinge Lord Shelton vorstellte.

Stacia öffnete den Mund, um zu sagen, dass sie sich bereits kennengelernt hatten, aber Shelton schenkte ihr dasselbe strahlende Lächeln, sah sie mit funkelnden Augen an, beugte sich über ihre Hand und sagte: „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen“, bevor er sich dem nächsten Mädchen zuwandte.

Stacia brachte kaum einen Knicks zustande und murmelte eine so leise Antwort, dass nicht einmal sie selbst die Worte verstehen konnte.

Er hatte sie vergessen. Sie war vergessbar.

Hatte sie in dieser Nacht ein wenig geweint, als sie in ihrem Bett lag und die Nacht noch einmal durchlebte? Ja, nur ein bisschen.

Na schön. Mehr als ein bisschen.

Vier Nächte später tat Lord Shelton etwas noch Schlimmeres. Er nahm Stacia wieder einmal nicht wahr – so, wie die meisten ihrer anderen Freundinnen –, aber dieses Mal blieb sein glänzender Blick an einer von ihnen hängen.

Sarah Creighton.

„Würden Sie mir die Ehre erweisen, diesen Walzer mit mir zu tanzen, Miss Creighton?“

Sarahs Wangen erröteten und sie stammelte: „J-ja, Mylord. Ich habe … ich habe die Erlaubnis, Walzer zu tanzen.“

Seine vollen Lippen verzogen sich in sanftem Amüsement. „Dann ist heute mein Glückstag.“

Sarah warf Stacia einen verblüfften, fast entschuldigenden Blick zu, als sie am Arm des goldenen Gottes zu den anderen Tänzern geführt wurde.

Stacia war klar, dass Sarahs flüchtiger Blick freundlich gemeint war. Sarah wusste, wie vernarrt Stacia in Shelton war.

Doch anstatt beruhigt zu sein, empfand Stacia das Mitleid ihrer Freundin wie ein Messer in ihrer Brust.

Stacia drehte sich um, um zu sehen, ob die anderen Mauerblümchen den Austausch mitbekommen hatten. Aber sie starrten Sarah und Lord Shelton offenen Mundes an und schienen einfach nur verblüfft.

Sarah, die Tochter eines Baronets vom Lande, war weder schön noch eine Erbin, und doch hatte Shelton sie nicht nur ausgesucht – und sich ihren Namen gemerkt –, sondern sie auch zum Tanz aufgefordert. Und das von einem Mann, der dafür berüchtigt war, auf einem Ball aufzutauchen und eine halbe Stunde später wieder zu verschwinden, ohne auch nur eine einzige Partnerin zum Tanz aufzufordern.

Stacia und Sarah waren Schulkameradinnen gewesen, und sie hatte das andere Mädchen, welches süß und bescheiden war, immer gemocht. Sarah war recht hübsch, aber ganz und gar nicht die Art von Schönheit, die normalerweise die Aufmerksamkeit von Englands attraktivstem Kriegshelden auf sich zog.

Dass Lord Shelton sich für Sarah entschieden hatte, war die ultimative Ironie, denn sie schien nie so unsterblich in den umwerfenden Marquess verliebt gewesen zu sein wie die anderen.

Stacia war der Meinung, dass Sarah von allen Mädchen, die auf jedem Ball herumstanden, am wenigsten daran interessiert war, einen Ehemann zu finden. Sie wäre sogar so weit gegangen, zu sagen, dass Sarah sich nach ihrem Zuhause und ihrer Familie sehnte.

Und doch hatte Sarah es irgendwie geschafft, das Unmögliche zu tun und Lord Sheltons Interesse zu wecken. Was hatte sie getan, um ihn auf sich aufmerksam zu machen?

Was du wirklich meinst, ist, warum kannst du es nicht sein?

Ja, genau das hatte sie gemeint!

Zeig doch ein wenig Stolz! Er weiß nicht mal mehr, wer du bist. Wie oft muss er dich noch vergessen, bevor du aufhörst, dich nach ihm zu sehnen?

Die Stimme des eigenen Ehrgefühls hatte recht, doch Stacia erniedrigte sich täglich – stündlich –, weil sie Shelton anbetete, auch wenn er nie davon erfahren würde.

Aber sie konnte sich nicht beherrschen.

Ihn dabei zu beobachten, wie er Sarah seine Aufmerksamkeit schenkte – wie er mit ihr tanzte und lachte –, war wie ein Schluck Säure, und sie empfand fast Hass gegenüber der milden, harmlosen Frau.

Stacia tröstete sich mit der Tatsache, dass sie nicht die Einzige war, die ihre unerwünschte Reaktion nicht kontrollieren konnte.

Als Shelton Sarah knapp eine Woche später ein drittes Mal zum Tanzen aufforderte, war die kleine Clique der Mauerblümchen, die einst Sarahs Freundinnen gewesen waren, so verbittert, dass Sarah sich nicht mehr zu ihnen setzte.

Stacia konnte es ihr nicht verdenken. Genauso wenig konnte sie sich selbst davon abhalten, sie zu hassen.

Als Stacia Shelton zum vierten Mal vorgestellt wurde und er sie nicht erkannte, war sie nicht mehr atemlos aus Ehrfurcht vor seiner Gegenwart. Stattdessen verspürte sie einen fast unwiderstehlichen Drang, etwas zu tun, an das er sich erinnern würde. Zum Beispiel, ihm ihr Handtäschchen über den Kopf zu ziehen.

„Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen“, murmelte er, nachdem Lady Crowley ihn vorgestellt hatte, und seine schönen Augen waren auf jemanden hinter Stacia gerichtet.

Völlig irritiert sagte Stacia: „Wir wurden uns bereits vorgestellt, Mylord.“

Lady Crowley schnappte nach Luft, doch Lord Shelton richtete seinen Blick endlich auf Stacias Gesicht.

Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine leichte Kerbe. „Ich bitte um Verzeihung?“

„Ich sagte, wir wurden uns bereits vorgestellt.“ Stacia schenkte ihm ein gezwungenes Lächeln. Viermal, hätte sie hinzufügen können. Nicht mitgezählt die Dutzenden Male, die Sie so nahe bei mir standen wie jetzt und mit einer anderen Frau geflirtet haben.

Sein Blick schärfte sich, wie der eines Mannes, der gerade von einem Insekt gestochen wurde, das er bis dahin für harmlos gehalten hatte. Seine Verblüffung wandelte sich allmählich in Belustigung. „Ich verstehe. Ich bitte um Verzeihung, Miss, äh …“

„Miss Martin“, sagte Stacia, nachdem sie das Schweigen noch ein paar Sekunden länger hinausgezögert hatte. „Aber ich habe gelernt, auf Miss Äh zu reagieren.“

Der goldene Gott lachte laut auf. Wenn Stacia sich nicht bereits dagegen gewappnet hätte, wäre sie bei diesem Anblick zu einem zitternden Häufchen Pudding zerschmolzen. Glücklicherweise war sie zu diesem Zeitpunkt aber bereits mehrere Abende pro Woche seiner männlichen Schönheit ausgesetzt gewesen, auch wenn sich seine volle Aufmerksamkeit noch nie so auf sie gerichtet hatte wie in diesem Moment. Der Kontakt mit ihm hatte sie zwar nicht gegen sein umwerfendes Aussehen gefeit, aber die Schwere der Symptome gemildert, sodass sie nicht mehr gaffte und bebte.

„Meine liebe Miss Martin“, murmelte Lady Crowley mit tadelnder Stimme und stieß ein nervöses Lachen aus. „Was ist denn nur über Sie gekommen?“

Stacia antwortete nicht, ihr Blick blieb auf Lord Shelton haften.

Schau du zuerst weg, forderte sie leise.

„Ich bitte um Verzeihung, Mylord“, sagte Lady Crowley. „Ich weiß nicht, was –“

„Ich bin derjenige, die sich entschuldigen sollte“, entgegnete Lord Shelton und hielt Stacias Blick noch immer fest.

Das Eis um ihr Herz begann leicht zu tauen, und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

Und dann huschten die Augen des Schuftes wieder zu was auch immer er zuvor angestarrt hatte!

Du widerwärtiger, abscheulicher, unerträglicher

„Miss Martin?“ Die schüchterne Stimme des Earl of Townshend unterbrach ihren inneren Wutausbruch.

„Was?“, fauchte Stacia und starrte Shelton weiterhin an, um ihn zu zwingen, Notiz von ihr zu nehmen.

„Äh, ich glaube, das ist mein Tanz.“

„Meine Liebe?“ Lady Crowleys Hand legte sich auf Stacias Schulter und drückte sie leicht. „Lord Townshend ist hier, um seinen Tanz einzufordern.“ Die ältere Frau senkte kaum merklich ihre Stimme und zischte, als Stacia nicht schnell genug reagierte: „Ihr einziger Tanz.“

Sheltons Augen glitten wieder zu den ihren. Natürlich hatte der widerwärtige Aufschneider das gehört. Seine perfekten Lippen bebten leicht und seine Augen funkelten amüsiert.

Es war beschämend.

Aber wenigstens sah er sie an.

Lady Crowleys Finger krallten sich schmerzhaft in ihre Schulter. „Stacia.“

Stacia biss die Zähne zusammen.

Sie sind ein abscheulicher Schuft, schleuderte sie Lord Shelton stumm entgegen.

Doch seine Aufmerksamkeit war bereits abgelenkt worden. Dieses Mal konnte Stacia nicht anders, als seinen Blicken zu folgen.

Quer durch den Raum lächelte er zu Miss Sarah Creighton hinüber – die ihn unruhig ansah und errötete. Warum sollte sie auch nicht?

Stacias Fuß zuckte, und beinahe hätte sie ihm gegen das Schienbein getreten.

„Dies war doch mein Tanz, wenn ich nicht irre, Miss Martin?“, fragte der Earl of Townshend.

„Sie irren sich nicht“, erwiderte Stacia so kurz angebunden, dass der schüchterne Zeitgenosse zusammenzuckte. Sie hakte sich bei ihm ein, warf Shelton einen letzten vernichtenden Blick zu – nicht dass er diesen bemerkte – und sagte laut zur Unterseite dessen Kinns: „Ich bitte Sie, mich zu entschuldigen, Mylord.“

Und dann zerrte sie den Earl beinahe auf die Tanzfläche.

Townshend führte sie in einen Walzer, wobei seine ruckartigen Bewegungen an einen Automaten erinnerten.

„Verzeihen Sie, Miss Martin – aber habe ich Sie bei etwas gestört?“ fragte Townshend, nachdem sie einen Moment lang Walzer getanzt hatten – und zwar schlecht.

Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit von dem Mann hinter sich auf den vor ihr und lächelte, denn der sanftmütige Earl hatte keine missmutige Tanzpartnerin verdient. „Keineswegs. Ich entschuldige mich, wenn ich abgelenkt wirkte.“

Townshend sah nicht ganz überzeugt aus, aber das Thema interessierte ihn wenig, also sprach er ein anderes an, welches ihm sehr am Herzen lag. „Haben Sie Lord Buckleys neueste Errungenschaft gesehen?“

Stacia konnte sich nur schwer beherrschen, nicht schreiend aus dem Ballsaal zu rennen.

Aber Townshend war ein freundlicher junger Mann, wenn auch langweilig und pedantisch, auch wenn seine Besessenheit von illuminierten Manuskripten – ein Interesse, das er mit Stacias Vater teilte – kein Thema war, das sie in einem Ballsaal diskutieren wollte.

„Ich habe es noch nicht gesehen, aber mein Vater hat einen Blick darauf geworfen.“ Das klang zu abrupt, also fügte sie hinzu: „Er glaubt, es könnte das Werk von Gerard Horenbout sein.“

Lord Townshends Miene leuchtete auf. „Es ist das schönste Werk, das ich je gesehen habe. Einhundertvierzig Seiten. Stellen Sie sich das nur vor, Miss Martin!“

Stacia musste es sich nicht vorstellen; ihr Vater hatte so lange über das neu entdeckte Gebetbuch gesprochen, bis sie sich sicher war, dass ihre Ohren bluteten.

Wie immer, wenn es um illuminierte Manuskripte ging, plapperte Lord Townshend munter weiter, ohne dass sie einen Beitrag leistete, und überließ Stacia ihren eigenen Gedanken.

Gedanken, die leider immer noch auf Lord Shelton fixiert waren.

Wenn sie derart besessen vom Marquess of Shelton war, dann hatte sie kein Recht, sich über Townshends Manie für alte Bücher lustig zu machen.

Egal wie gut besucht die Veranstaltung war, den Marquess auszumachen, war nicht schwer. Man brauchte nur den sehnsüchtigen Blicken von mindestens der Hälfte der anwesenden jungen Damen zu folgen.

Dieser Abend bildete da keine Ausnahme, und Stacia konnte ihre Beute in dem dicht gedrängten Meer von Menschen sehen.

Beim Anblick von Shelton, der mit Miss Sarah Creighton tanzte, kochte die vorhersehbare, ätzende Eifersucht wieder in ihrem Bauch hoch.

Stacia war ihre Besessenheit zutiefst unangenehm, ganz zu schweigen von der Scham darüber, wie gerne sie mit Sarah getauscht hätte. Aber sie konnte sich nicht dagegen wehren.

Das Einzige, was sie davon abhielt, verrückt zu werden, war die Tatsache, dass so viele Gleichaltrige dem Paar beim Tanzen zusahen und unter demselben Leiden litten.

Das Elend war nicht das Einzige, das sich seinesgleichen suchte. Auch die Eifersucht schien dies zu tun.

„– allein der Bildlauf ist unvergleichlich!“ Townshends fröhliche Stimme unterbrach ihre eifersüchtigen Grübeleien.

Stacia nickte und lächelte vage, was ausreichte, um ihren Tanzpartner munter weiterschwärmen zu lassen.

Bitterkeit brodelte in ihr. Sarah ist nicht so viel hübscher als ich. Warum kann er nicht mich anlachen und anlächeln? Warum kommt er nicht, um mich mit einem Tanz zu ehren? Warum, warum, warum?

Verliebt zu sein, so stellte Stacia unglücklich fest, war anstrengend.

Fünf Wochen später zerstörte Lord Shelton Sarahs Ruf und Zukunft, indem er einen ganzen Abend allein mit ihr verbrachte und sich dann weigerte, sie zu heiraten. Stacia versuchte, sich einzureden, dass sie Glück gehabt hatte, der Aufmerksamkeit eines solchen Schurken entgangen zu sein.

Aber Eifersucht und Neid übertrafen bei weitem jegliche Erleichterung, die sie empfand. Auch wenn Sarah sich nie wieder in der Öffentlichkeit zeigen konnte, so hätte sie doch wenigstens ein paar schöne Erinnerungen, an die sie zurückdenken konnte, wenn sie alt und grau war.

Das war mehr, als Stacia jemals haben würde.

Als die Klatschbasen einen Monat später herausfanden, dass Sarah Creighton in anderen Umständen war, war sich Stacia sicher, dass keine Spur von Verehrung für Shelton eine solch vernichtende Nachricht überleben würde.

Und doch …

Und doch wurde ihre Sehnsucht nach einem Mann, den sie kaum kannte – und den der intellektuelle Teil von ihr verachtete –, durch sein abscheuliches Verhalten in keiner Weise gemildert.

Wer war also die größere Närrin? Sarah, weil sie Lord Sheltons Machenschaften nachgegeben hatte, oder Stacia, weil sie sich wünschte, es wäre sie gewesen?

Wie konnte die Verliebtheit so hartnäckig sein? Wie konnte sie ihn so verzweifelt begehren, wenn er doch in jeder Hinsicht, auf die es ankam, unwürdig war?

Der Gedanke verfolgte sie wochenlang und ruinierte jede Chance, die verbleibende Zeit ihrer ersten und einzigen Saison zu genießen.

Letztendlich war das Eine, was Stacias Besessenheit ein Ende setzen konnte, der unerwartete und niederschmetternde Tod ihres Vaters.

Zu ihrer Trauer über den Verlust ihres gütigen, geistesabwesenden Vaters kam die schreckliche Entdeckung, dass sie ein Erbe erhielt, das kaum ausreichte, um Leib und Seele zu nähren.

Ihr Cousin Geoffrey, der neue Viscount Clayton, machte ihr deutlich, dass es unter seinem Dach kein Zuhause für sie geben würde, zumindest nicht auf Dauer.

Stacia würde für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, und ihre Möglichkeiten beschränkten sich auf zwei Tätigkeiten: Gesellschafterin oder Gouvernante.

Und dann – zwei Wochen nach dem Tod ihres Vaters – bot sich ihr eine dritte Möglichkeit.

Der Earl of Townshend suchte sie auf, und der schüchterne, wenig redselige Lord machte ihr zögernd einen Heiratsantrag.

Das war ihre Chance, einem Leben in Knechtschaft zu entkommen!

Townshend war ein freundlicher Mann und außerdem wohlhabend. Er besaß mehr als genug Geld, um seiner einzigen Leidenschaft nachzugehen – der Herstellung illuminierter Manuskripte – und auch einer Frau ein luxuriöses Leben zu ermöglichen.

Fälschlicherweise glaubte er, dass Stacia seine Leidenschaft teilte.

Wenn sie den Antrag annahm, würde sie für den Rest ihres Lebens lügen müssen.

Wenn sie annahm, könnte sie ihr Bedürfnis nach Liebe an den zu erwartenden Kindern stillen. Denn was war schon romantische Liebe im Vergleich zu der eines Kindes?

Wenn sie den Antrag annahm, könnte sie sich weiterhin in der Gesellschaft bewegen – mit den einzigen Menschen verkehren, die sie kannte.

Wenn sie den Antrag annahm, könnte sie weiterhin Lord Shelton sehen, der bereits nach London zurückgekehrt war, nachdem er das Leben von Sarah Creighton zerstört hatte, und sich seiner Untat keinesfalls schämte.

Dieser letzte Gedanke war es, der den Ausschlag gab und ihr den einzigen Ausweg verwehrte. Wie konnte sie einen Mann heiraten, wenn ihre Gedanken – und vielleicht sogar ihr Herz – immer bei einem anderen waren? Dem Earl gegenüber wäre dies nicht fair, und auch nicht ihr selbst gegenüber.

Und so lehnte Stacia Lord Townshends Antrag höflich ab.

Eine Woche später nahm sie eine Stelle an, weit weg von London – an einem Ort, an den sich ein Mann wie Shelton niemals verirren würde: Bath.

Vor zwei Jahren

Stacia lächelte und nickte zahlreichen Leuten zu, als sie, ein Glas des berühmten Heilwassers in der Hand, durch die überfüllte Trinkhalle ging.

In den Monaten, in denen sie nun bereits als Gesellschafterin der hochbetagten Lady Hamilton arbeitete, war Stacia fünf Tage in der Woche in die Trinkhalle gekommen, bei jedem Wetter – mit Ausnahme der wenigen Tage Anfang des Jahres, als ihre Arbeitgeberin mit einer Erkältung ans Bett gefesselt gewesen war.

Ihre Arbeitgeberin war eine freundliche Dame, die ihr die Aufgabe leicht machte – jedenfalls im Vergleich zu einigen anderen Arbeitgebern, die sie kennengelernt hatte.

Waren Stacias Tage langweilig und verschwammen mit täglichen Besuchen der Trinkhalle, Kartenspielen bei Lady Lydia am Montag, bei Mrs Markham am Donnerstag und einem halben Dutzend anderer routinemäßiger Aktivitäten? Nun, Langeweile war besser als die Alternative, als Gouvernante einer widerspenstigen Brut von Gören ausgesetzt zu sein.

All dies redete sie sich an diesem Morgen ein, als sie das gleiche Ritual zum 199sten oder 200sten Mal vollzog.

Und dann, inmitten der vorhersehbaren Langeweile, tauchte ein Gesicht vor ihr auf, das sie seit fast zwei Jahren nur in ihren Träumen gesehen hatte.

Die Zeit schien sich zu verlangsamen, und das Glas begann, ihren schlaffen Fingern zu entgleiten, während sie ungläubig auf das starrte, was zweifellos eine Erscheinung sein musste.

Eine Hand schloss sich um ihre und eine vertraute, scherzhafte Stimme dröhnte in ihr Ohr: „Vorsicht, Miss Martin! Sie hätten fast Ihr kostbares Gut verloren.“

Sie riss ihren Blick vom Marquess of Shelton los und wandte sich zu Colonel Kelley um, der sie angrinste.

„Oh, danke, Sir“, murmelte sie und packte das Glas fester.

Er schnalzte mit der Zunge. „Was ist das für eine Sir-Sache?“

„Es tut mir leid … Richard.“

Colonel Kelly lächelte, und der aufrichtige Ausdruck machte sein hübsches, verwittertes Gesicht noch attraktiver. „So ist es besser, mein Mädchen.“

Doch so attraktiv der Colonel auch sein mochte, ihr Blick glitt zu der Stelle, wo Lord Shelton mit Lady Hamilton und deren Freundin Lady Lydia Gregg sprach, die sich auf Sheltons Arm zu stützen schien, fast so, als hätte sie einen Anspruch auf ihn. Waren sie verwandt? Stacias Arbeitgeberin besuchte Lady Lydia jede Woche – manchmal sogar zweimal –, warum also hatte Stacia noch nichts von dieser Verbindung gehört? Was hatte Shelton zu dieser Jahreszeit in Bath zu suchen? Was –

Colonel Kelley lehnte sich nahe heran und versuchte zu flüstern – etwas, das einem Mann, der dreißig Jahre lang Befehle an seine Untergebenen gebellt hatte, nicht möglich zu sein schien. „Shelton wird alle Täubchen in Aufregung versetzen, der Schlingel.“ Er kicherte nachsichtig.

„Sie klingen, als bewunderten Sie den Mann.“

Der Colonel hatte den Anstand, verlegen zu wirken. „Oh, ich weiß, er hat in letzter Zeit einige Dinge getan, die seinem Ruf abträglich sind, aber –“

So kann man es auch ausdrücken. Eine milde Art, sein Benehmen zu beschreiben, muss ich sagen.“

Der Colonel schaute gequält. „Was Sie verstehen müssen, meine Liebe, ist, dass Shelton einer der am höchsten dekorierten Soldaten Großbritanniens ist.“

„Wollen Sie damit sagen, dass das sein verwerfliches Verhalten entschuldigt?“

„Nein, natürlich nicht. Aber es macht auch seinen Heldenmut nicht zunichte. Er …“ – der Colonel schüttelte sichtlich verwirrt den Kopf – „Shelton hat Dinge für dieses Land getan, die nicht viele Männer tun würden oder könnten. Ich kann mir keinen mutigeren Mann vorstellen.“

Stacia runzelte die Stirn und wandte sich zu Lady Hamilton um, die ihr mit einer Geste zu verstehen gab, näherzukommen.

Der Colonel bot ihr seinen Arm, und ausnahmsweise war Stacia froh über die Anwesenheit ihres älteren Bewunderers.

„Meine liebe Miss Martin, Sie müssen unbedingt Lady Lydias Neffen kennenlernen. Und Sie auch, Colonel.“

Stacia hatte einen Moment Zeit, ihre Gedanken zu sammeln, während Colonel Kelley nach vorne drängte. Er schien so begierig wie jede Debütantin, die Bekanntschaft eines der größten Kriegshelden Englands zu machen.

„Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mylord“, schwärmte er.

Shelton lächelte höflich. „Colonel Robert Kelley? Sie waren bei Fletcher, nicht wahr?“

Das Gesicht des Colonels lief vor Freude rot an. „Du meine Güte! Sie haben von mir gehört, ja? Was für eine Ehre, Sir! Ja, ich habe unter Fletcher gedient.“ Er nickte begeistert und öffnete den Mund, zweifellos um weiter zu schwärmen, aber Lady Hamilton hatte andere Pläne.

„Und das ist meine Gesellschafterin, Miss Stacia Martin, die Tochter von Viscount Clayton“, sagte sie und drängte sich in das Gespräch.

Lord Shelton wandte sich von Kelley ab, nahm Stacias widerwillig dargebotene Hand und beugte sich über sie. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Miss Martin.“

Stacia starrte ihm in die Augen. Unglaube und Wut paarten sich wie die Karnickel, als sie feststellte, dass sich der verfluchte Mann – wieder einmal – nicht daran erinnerte, dass sie einander bereits mehrfach vorgestellt worden waren.

Es fühlte sich an, als habe sie mindestens eine Minute lang in die blauen Tiefen gestarrt, aber es konnten nicht mehr als ein paar Sekunden gewesen sein. Shelton, der offensichtlich daran gewöhnt war, dass Frauen ihn anschmachteten, schenkte ihr ein verhaltenes Lächeln – natürlich keines, das als Ermutigung missverstanden werden könnte –, ließ ihre Hand los und wandte sich dann um, um eine Frage seiner Tante zu beantworten.

Auf dem Heimweg von der Trinkhalle plauderte ihre Arbeitgeberin fröhlich über Lord Sheltons unerwarteten Besuch bei seiner Großtante und darüber, welche Vergnügungen Lady Lydia für seinen Besuch geplant hatte.

In den folgenden zwei Wochen und vier Tagen, in denen Lord Shelton in Bath weilte – von allen Seiten umschwärmt, seine beklagenswerte Behandlung von Sarah Creighton völlig vergessen, als litten die Einwohner von Bath kollektiv an Amnesie –, nahm Stacia an nicht weniger als neun Veranstaltungen zu Ehren dieses Mannes teil.

Nicht ein einziges Mal hatte Lord Andrew Shelton bei einem dieser Abendessen, Feste, Versammlungen und ja, auch Picknicks zu erkennen gegeben, dass er sich an die Begegnung mit Stacia in London erinnerte.

Sie hasste ihn.

Als er die Stadt schließlich verließ, atmete sie erleichtert auf, und zum ersten Mal seit Wochen entspannten sich ihre Muskeln.

Gut, dass wir diesen miesen Kerl los sind!

Das sagte sich Stacia.

Und doch …

Als Colonel Kelley Stacia die Ehe anbot – verbunden mit der Aussicht auf ein Leben in Muße mit einem Mann, den sie zwar nicht liebte, aber zumindest mochte und respektierte –, tauchte das schöne Gesicht von Lord Andrew Shelton wie ein Gespenst in ihrem Kopf auf.

Zum zweiten Mal in ihrem kurzen Leben musste Stacia feststellen, dass sie einen Heiratsantrag nicht annehmen konnte, und zumindest einen Teil des Grundes dafür konnte sie Lord Shelton anlasten. Nicht, weil sie ihn liebte – sie mochte den Mann nicht einmal. Und schon gar nicht, weil sie auch nur die leiseste Hoffnung hegte, dass er sie jemals bemerken würde.

Nein, der Grund dafür, dass sie sich nicht an einen Mann binden konnte, während sie so gedankenlos in einen anderen vernarrt war, bestand darin, dass sie es nicht ertragen könnte, wenn ihr jemand dasselbe antäte.

Vor etwa sechs Monaten

Irgendwo auf der Great North Road

Andrew Derrick, der Marquess of Shelton, blickte von seinem Cousin, dem Duke of Chatham, zu Baron Angus Fowler – dem Mann, der Andrew gerade ein blaues Auge verpasst hatte – und zu Lady Hyacinth Bellamy, offenbar die brandneue Duchess of Chatham.

Alle drei musterten ihn, als wäre er ein besonders giftiger Fliegenpilz, der in ihrer Mitte aufgetaucht war.

„Wo ist meine Schwester?“, fragte Ihre Gnaden mit zusammengebissenen Zähnen.

Andrew tupfte sich etwas Blut von der Unterlippe und zuckte zusammen – zu seinem blauen Auge würde noch eine Schwellung hinzukommen –, dann sah er zur neuen Duchess auf und lächelte auf eine Weise, von der er wusste, dass sie die Leute dazu brachte, ihn schlagen zu wollen. „Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit, Euer Gnaden. Nichts für ungut, hoffe ich?“

„Sie haben versucht, mich zu erpressen“, zischte sie.

„Genaugenommen war es Chatham, den ich erpresst habe.“ Andrew grinste. „Und ich habe es nicht nur versucht, es ist mir gelungen.“

Die Duchess machte einen Schritt auf ihn zu.

Eilig stellte sich Chatham zwischen Andrew und seine große, schlanke Ehefrau – eine Frau, die derzeit überzeugend in Männersachen gekleidet war.

Die Duchess war keine hübsche Frau, nicht einmal eine gut aussehende, aber mit ihrem leuchtend orangefarbenen Haar, ihrer milchblassen Haut und ihrem hageren, hochgewachsenen Körper war sie unverwechselbar. Ihr bei weitem attraktivstes Merkmal waren die Augen, die nicht nur von einem auffälligen blassen Grün waren, sondern auch jedem, der sich die Mühe machte, hinzusehen, ihre große Intelligenz vermittelten.

Andrew begegnete dem Blick seines Cousins. Sylvester, den Duke of Chatham, kannte er, seit Chathams Vater, der alte Duke, Andrew in sein Haus aufgenommen hatte, als er im zarten Alter von vier Jahren zur Waise geworden war.

Ein gutes Stück seines Lebens standen sich Andrew und Chatham so nahe wie Brüder. Andrew hatte den anderen Mann vergöttert und verehrt, bis zu dem Tag, an dem Sylvester Mariah, die Frau, die Andrew liebte, geheiratet hatte.

Das war vor elf Jahren gewesen, und Andrew hatte seinen Cousin seither jeden Tag leidenschaftlich gehasst.

„Verheiratet, hm?“ Andrew begegnete dem Blick des älteren Mannes und grinste. „Herzlichen Glückwunsch, Syl.“

Eine Explosion weißer Funken und ein schmerzhafter Hieb waren Chathams Antwort.

Andrew, der sich plötzlich auf dem Rücken wiederfand, blinzelte durch die Sterne vor seinen Augen zu seinem Cousin hoch.

„Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht Syl nennen“, sagte der Duke mit kühler Stimme.

Lord Fowler stieß ein schallendes Gelächter aus. „Ich warte schon seit Jahren darauf, dass Sie ihm in den Hintern treten, Chatham.“

Der Duke ignorierte den Jubel seines Freundes und hielt Andrews Blick fest.

Andrew bewegte seinen Kiefer hin und her, um sich zu vergewissern, dass er noch funktionierte, dann sagte er: „Du hättest diesen Schlag nicht gelandet, wenn meine beiden Augen funktionieren würden.“

„Wo ist Lady Selina?“, fragte Chatham und streckte eine Hand aus, um Andrew aufzuhelfen.

Andrew überlegte, ob er seinen Cousin noch eine Weile hinhalten sollte – schon seit Jahren hatte er Chatham nicht mehr so außer sich gesehen, und es lag bestimmt nicht daran, dass er es nicht versucht hätte –, aber er war verdammt erschöpft. Und ehrlich gesagt, die Sache war gelaufen.

Er missachtete die Hand seines Cousins und kam ohne Hilfe auf die Beine. Die Welt schwankte, aber er schaffte es, sich nicht zu blamieren, indem er ein zweites Mal auf seinen Hintern fiel.

„Ich weiß nicht, wo sie ist“, gab er zu. „Aber wohin sie auch gegangen ist, zuerst hat sie meine Taschen geleert.“

Fowler grinste. „Sie wäre nicht weit gekommen, wenn sie gezwungen gewesen wäre, sich auf Ihre Taschen zu verlassen. Aber sie hat auch mein Geld genommen, und ich hatte genug bei mir, um sie nach Moskau und zurück zu bringen.“

Fowler war ein verdammter Berg von einem Mann – er wog mindestens zwanzig Kilo mehr als Andrew – und Andrew verspürte einen Anflug von Stolz, als er bemerkte, dass der riesige Baron von ihrer kleinen Auseinandersetzung eine Schwellung über dem Auge und eine hässliche Wunde an der Wange davongetragen hatte.

Sein Stolz wurde jedoch jäh unterbrochen, als er sich an den Grund ihres Kampfes erinnerte.

Andrew war es gewohnt, als Schurke angesehen zu werden – ja, er kultivierte diesen Ruf sogar –, aber dieses Mal schämte er sich wirklich für sein Verhalten. Er hatte Lady Selina Bellamy entführt und hätte die Frau ruiniert – vielleicht hatte er das sogar schon getan –, wenn Fowler nicht in diesem Gasthaus aufgekreuzt wäre und angefangen hätte, Andrew zu verprügeln, um die Ehre der Frau zu verteidigen.

Während sie sich wie zwei Straßenköter schlugen, rettete sich Lady Selina, indem sie beide ausraubte und sich aus dem Staub machte, sodass Andrew sich nun dem Zorn seines Cousins und Selinas Schwester ausgesetzt sah.

Schämte er sich?

Ja. Aber nicht wegen dem, was er versucht hatte – mit Lady Selina zu flirten –, sondern wegen des Warums.

Wenn er Lady Selina so geliebt hätte, wie er es die ganze Saison über vorgab, dann wäre ihre Entführung zwar immer noch skandalös, aber nicht grausam gewesen. Stattdessen hatte Andrew sich mit ihr aus dem Staub gemacht, um sich an Chatham zu rächen, weil er fälschlicherweise glaubte, der Duke sei in Lady Selina verliebt.

Der Moment, auf den Andrew seit Jahren hingearbeitet hatte – seinem Cousin die Frau wegzunehmen, die er liebte – hatte sich endlich ergeben. Und Andrew ergriff die Gelegenheit mit beiden Händen.

Wie sich herausstellte, war Chatham zwar verliebt, aber er hatte sich darin geirrt, an welche Bellamy-Schwester sein Cousin sein Herz verloren hatte.

Irgendwann zwischen dem Moment, in dem er mit Lady Selina in der Kutsche saß und sich anhörte, wie sie seinen Charakter verunglimpfte, und dem Moment, in dem er – kurzzeitig – von einer von Fowlers weihnachtsschinkengroßen Fäusten bewusstlos geschlagen wurde, hatte Andrew eingesehen, was für ein komplettes und totales Arschloch er war, weil er Lady Selina in seinem andauernden Krieg gegen Sylvester benutzt hatte.

Selina hatte nichts anderes getan, als sich ihm gegenüber freundlich zu verhalten, und Andrew hatte ihr Vertrauen und ihre Freundschaft auf schreckliche Weise missbraucht.

Warum ihm das jetzt plötzlich aufging, war ihm unbegreiflich. Vielleicht musste er erst wiederholt von einer gewaltigen Faust ins Gesicht geschlagen werden, bevor er zur Vernunft kam?

Auf jeden Fall schämte sich Andrew. Zutiefst.

Aber er hatte nicht die Absicht, dies vor Chatham oder Fowler zuzugeben.

„Wenn sie unser Geld genommen hat, ist wohl anzunehmen, dass sie mit der Kutsche weggefahren ist, die hier gehalten hat“, sagte er, als es offensichtlich war, dass die anderen drei noch nicht fertig damit waren, ihn anzustarren. „Habt ihr einen der Stallknechte gefragt, ob sie eine Passage gekauft hat? Sie ist nicht gerade leicht zu übersehen.“

Fowlers finsterer Blick vertiefte sich. „Ich bin kein Narr. Das ist das Erste, woran ich gedacht habe. Leider kann sich keiner von ihnen daran erinnern, wer in die Kutsche gestiegen ist oder sie verlassen hat.“

„Lassen Sie mich raten. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, uns beim Kampf zuzusehen?“

Fowlers Hände ballten sich an seinen Seiten zu Fäusten und Andrew machte sich für einen weiteren Schlag bereit.

Der Duke wandte sich an seinen Freund. „Fahren Sie zur nächsten Kutschstation, Fowler. Und zur übernächsten. Fahren Sie weiter, bis Sie herausgefunden haben, wohin sie gefahren ist.“

Fowler riss seinen Blick von Andrew los und nickte. „Aye.“ Er zögerte und warf dem Duke einen verlegenen Blick zu. „Äh, aber ich brauche ein paar Münzen, da –“

„Ja, natürlich“, sagte Chatham. Er griff in seinen Mantel, holte seine Brieftasche hervor, nahm offenbar die Hälfte des Geldes heraus und reichte es seinem Freund.

Fowler nahm die Scheine und steckte sie in seine Tasche. „Ich gebe Ihnen Bescheid – werden Sie in London sein?“

Der Duke sah seine Frau an.

„Ich möchte bei der Suche nach Selina helfen“, sagte die Duchess.

Sylvester zögerte nur ein paar Sekunden, dann nickte er seiner Frau zu und wandte sich wieder an Fowler. „Schicken Sie Ihre Nachrichten nach Chatham House. Meine Leute werden wissen, wie sie mich finden können.“

„Aye“, sagte Fowler, der sich offensichtlich auf den Weg machen wollte. Doch dann hielt er inne und wandte sich mit einem Ausdruck der Verzweiflung an die Duchess. „Es ist meine Schuld, dass sie geflohen ist. Sie wollte nicht, dass ich kämpfe. Hätte ich nur auf sie gehört und sie zu Ihrer Tante zurückgebracht, dann –“

„Finden Sie sie einfach, Fowler“, sagte die Duchess leise. Ihre blassgrünen Augen glitten zu Andrew. „Die Schuldfrage können wir später klären.“

Als Fowler gegangen war, wandte sich der Duke an Andrew und streckte ihm die Hand hin. „Das sollte dich zurück nach London bringen.“

Andrew betrachtete das Geld in der Hand seines Cousins. „Ich werde dir bei der Suche hel-“

„Ich will ihn nicht bei uns haben, Chatham“, unterbrach die Duchess.

Andrews Gesicht erhitzte sich über ihren Spott. „Ich dachte, es ginge darum, Ihre Schwester zu finden? Oder ist es Ihnen wichtiger, Ihrem Ärger Luft zu machen, als ihr Wohlergehen zu sichern, Euer Gnaden?“

„Sprich nicht in diesem Ton mit meiner Frau“, sagte der Duke und machte einen Schritt auf ihn zu.

Andrew schloss die Lücke zwischen ihnen, sodass sie Brust an Brust standen. „Denk nicht daran, mich noch einmal zu schlagen, Chatham“, sagte er genauso kalt wie sein Cousin. „Ein zweites Mal lasse ich mich nicht überrumpeln.“

Chatham öffnete den Mund, um zu antworten, aber die Duchess sprach zuerst.

„Sie haben recht, Shelton. Selina zu finden, ist das Ziel, und wir sollten jede Hilfe annehmen, die wir bekommen können.“ Die Ergänzung sogar Ihre ließ sie unausgesprochen. „Ich warte in der Kutsche, Chatham.“ Die Duchess drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür. Sie war zu schnell, als dass der Duke oder Andrew ihr diese hätten öffnen können.

Als sie fort war, seufzte Chatham und ließ die Schultern sinken. „Das muss aufhören, Drew. Wie viele Menschen müssen noch verletzt werden? Genug ist genug.“

Der Duke hatte Andrews Kosenamen seit über einem Jahrzehnt nicht mehr benutzt. Wenn er glaubte, dass er sich damit bei Andrew einschmeicheln könnte, irrte er sich gewaltig.

Wut durchfuhr ihn bei den Worten des anderen Mannes. „Ich werde entscheiden, wann es genug –“

„Es tut mir leid, Drew“, sagte der Duke leise.

„Was?“, verlangte Andrew mit zusammengebissenen Zähnen zu wissen.

„Es tut mir leid wegen Mariah. Es tut mir leid, dass ich egoistisch und grausam war. Es tut mir leid, dass ihr beide den Preis für mein Verhalten bezahlt habt. Es tut mir leid, dass ich vor all den Jahren nicht das Richtige tat und sie gehen ließ. Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, um mir einzugestehen, wie furchtbar ich zu euch beiden war. All das tut mir leid. Alles. Und es tut mir leid, dass ich nicht zurückgehen und es ändern kann. Aber das geht leider nicht, Drew. Ich kann den Schaden, den ich verursacht habe, nie wieder gutmachen. Nicht nur gegenüber dir und Mariah, sondern auch gegenüber Sarah Creighton, Lady Selina und allen anderen, die zwischen uns geraten sind. Wie viele Menschen müssen noch verletzt werden?“

Andrew starrte in die Augen des Mannes, der für ihn einst Bruder, bester Freund, Mentor und Idol gewesen war.

Der Mann, der die Frau geheiratet hatte, die Andrew geliebt hatte.

Und dann zuließ, dass sie im Kindbett starb.

Mit meinem Kind.

Die leise Anschuldigung ließ seinen Körper erschaudern, und Andrews Sicht verschwamm.

Mariah und mein Sohn. Ich war derjenige, der sie geschwängert hat, nicht Sylvester. Meinetwegen war sie schwach und krank vor Sorge und kam einen Monat zu früh nieder. Ich bin derjenige, der sie getötet hat.

Eine Hand landete auf seiner Schulter und Andrew zuckte angesichts der Berührung zusammen. Er riss sich von dem Schmerz los, der alt war – uralt – und doch ebenso scharf wie an dem Tag, an dem ihn die Klinge zum ersten Mal durchbohrt hatte.

Er begegnete Sylvesters besorgtem Blick.

„Es tut mir so leid, Andrew, und ich werde nie aufhören zu bedauern, was ich getan habe. Aber ich will nicht noch ein Jahrzehnt damit verbringen, dich zu hassen. Oder gehasst zu werden. Gibt es keine Möglichkeit, dass wir … etwas retten können? Du standest mir näher als mein eigener Bruder. Vielleicht werden wir dieses Band nie wieder aufbauen können, aber müssen wir uns denn weiterhin hassen?“

Diese Worte waren wie die ersten Risse in einem Damm. Die Wut und die Verzweiflung, die sich hinter dem bröckelnden Bollwerk verbargen, ließen sich nur mit unglaublicher Mühe aufrechterhalten.

Andrew war müde – erschöpft. So verdammt ausgelaugt, dass es ihm an Körper, Geist und Seele weh tat.

Chathams Hand legte sich fester auf seine Schulter. „Andrew?“ Sein Cousin beugte sich näher, Besorgnis in seinen Augen. „Bist du –“

„Mir geht es gut“, sagte er und klang dabei selbst in seinen eigenen Ohren nicht sehr überzeugend. Er zuckte leicht mit den Schultern, und der Duke nahm seine Hand weg. Andrew schluckte einige Male und sagte dann, bevor er sich selbst stoppen konnte: „Was du gerade gesagt hast – was du über M-Mariah zugegeben hast?“

„Ja?“, drängte Chatham.

„Deine Entschuldigung bedeutet mir etwas – ich –“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und zuckte zusammen, als er auf eine Beule stieß, die er von seinem Kampf mit Fowler davongetragen hatte. „Bei Gott! Ich bin mir bewusst, was es dich gekostet hat, diese Worte zu sagen, Chatham. Und – ich stimme dir zu.“ Einen Moment lang war Andrew von seinem eigenen Eingeständnis verblüfft. Waren diese Worte wirklich aus seinem Mund gekommen?

Er schluckte sein Erstaunen hinunter und sagte dann: „Es wird Zeit brauchen. Zeit, um …“ Er hielt inne und war sich nicht sicher, wie er sich ausdrücken sollte, denn das Ausmaß dieser plötzlichen Veränderung seiner Welt war überwältigend.

„Ich bin einverstanden“, sagte der Duke. „Wirst du zu mir nach Chatham Park kommen … nach dem hier?“

Andrew zögerte, dann nickte er. „Ich werde kommen.“

„Gut. Wir werden Zeit brauchen, um diesen Bruch zu heilen.“

Wieder nickte Andrew.

„Wir werden uns die Zeit nehmen. So viel Zeit, wie wir brauchen, Drew. Aber das ist für später.“

Vor Erleichterung darüber, dass dieser Zeitpunkt nicht jetzt war, wurden Andrews Knie weich.

Er wies mit dem Kinn in Richtung der Tür, durch die die Duchess gerade verschwunden war. „Lass uns gehen und Lady Selina suchen. Ich habe auch noch eine Entschuldigung zu leisten.“

Kapitel 1

Wych House

Little Sissingdon

Anfang Dezember

Die Hand unter die Schwellung ihres Bauches gelegt, eilte Phoebe, Viscountess Needham, durch die Porträtgalerie. Im siebten Monat schwanger, war ihr eiliger Schritt nicht mehr sehr schnell.

Wenn Nanny Fletcher sie in diesem Moment sehen könnte, würde sie Zeter und Mordio schreien. Ihr ehemaliges Kindermädchen war der Meinung, dass werdende Mütter, die sich dem achten Monat näherten, nicht mehr tun sollten, als auf einer Chaiselongue liegend ein Stärkungsgetränk zu schlürfen.

Das würde Phoebe jedoch innerhalb einer Woche in den Wahnsinn treiben.

Sie war überglücklich, diese Familienweihnachtsfeier planen zu können, auch wenn ihr Mann Paul sie täglich dafür tadelte, weil sie sich überanstrengte.

„Stell doch jemanden ein, der das alles für dich macht, Liebling. Du weißt, dass Dixon dir gerne helfen würde. Er hat mehr Zeit, als gut für ihn ist, seit Dennehy die meisten seiner Aufgaben übernommen hat.“

Phoebe wusste, dass das stimmte. Der langjährige Sekretär ihres Mannes, Mr Dixon, war ein Zauberer. Dixon würde sie kurz nach Neujahr verlassen – um sich auf einem Anwesen niederzulassen, das er von einem Großonkel geerbt hatte –, aber in Pauls neuem Sekretär, Colbert Dennehy, hatten sie einen begierigen Schüler gefunden.

Phoebe kannte Mr Dennehy nicht sehr gut, aber der langjährige Schützling ihres Mannes war klug, engagiert und hatte Dixons Unterricht in den letzten Monaten bereitwillig aufgesogen.

Also ja, die beiden Männer hätten die Vorbereitungen weitaus besser bewältigen können als Phoebe.

Aber wie sollte man seinem Ehemann erklären, dass es Dinge gab, die sie nicht delegieren wollte, wie etwa die Vorbereitung der Gemächer ihrer Schwestern und ihres Bruders, die nach einer Abwesenheit von mehr als sechs Jahren in das Haus ihrer Vorfahren zurückkehren würden?

Ebenso wenig konnte Phoebe den Auftrag delegieren, der sie in den Südflügel führte, den Teil von Wych House, in dem Ellen Kettering lebte, eine Frau, von der alle glaubten, sie sei die ehemalige Geliebte ihres Mannes und Mutter seiner unehelichen Tochter Lucy.

Entgegen aller Wahrscheinlichkeit war Ellen in den letzten Monaten eine gute Freundin für Phoebe geworden. Ihre Freundschaft hatte begonnen, noch bevor Phoebe erfuhr, dass Ellen und Paul nie ein Liebespaar gewesen waren und Lucy nicht seinen Lenden entsprang.

In den Monaten, seit sie die Wahrheit über Ellen und Lucy kannte, hatte Phoebe beide lieben gelernt. Es schmerzte sie sehr, dass Ellen – die schon seit Jahren krank war – im Sterben lag. Und sie würde bald sterben. Jeden Tag schien die Frau schwächer und schwächer zu werden. Phoebe vermutete, dass Ellen sich nur noch ans Leben klammerte, weil sie nicht vor Lucys Geburtstag, welcher am ersten Weihnachtstag war, gehen wollte.

Phoebe besuchte Ellen jeden Tag, gleich nachdem Lucy im Schulzimmer verschwunden war, um dem Unterricht ihrer Gouvernante zu lauschen.

Üblicherweise tranken sie eine Tasse Tee, unterhielten sich, und Phoebe las laut aus der Zeitung vor, da Ellen nicht mehr gut genug sehen konnte. Danach ging Phoebe ihrem Tagewerk nach und Ellen kehrte in ihr Bett zurück. Sie schlief viel, um während der Stunden wach zu sein, in denen Lucy zu ihr kam.

Aber in letzter Zeit hatte Ellen Phoebes Besuche verschlafen. Anstatt ihre Freundin alleinzulassen, blieb Phoebe aber dennoch und leistete ihr Gesellschaft während sie schlief, denn Ellen hatte ihr einmal gestanden, dass sie Phoebes Anwesenheit als tröstlich empfand.

Phoebe blieb auch, weil sie befürchtete, die zerbrechliche Frau würde einschlafen und nicht mehr aufwachen.

Etwas Heißes rann ihr über die Wange. Verärgert über sich selbst wischte Phoebe die Träne mit dem Handballen weg. Das Letzte, was Ellen sehen sollte, war ihr verweintes Gesicht. Sie blieb vor dem alten Spiegel stehen, der vor Ellens geräumigen Gemächern hing, und vergewisserte sich, dass ihre Augen nicht gerötet waren. Dann übte sie ihr Lächeln – und hörte erst auf, als es natürlich aussah – und klopfte leise, bevor sie eintrat.

Eine fast lähmende Welle der Erleichterung überrollte sie, als sie sah, dass die andere Frau wach war und zur Abwechslung einmal aufrecht saß, anstatt auf ihrer Chaiselongue zu liegen.

Sie lächelte. „Guten Morgen, Phoebe.“ Wenn man nicht zu genau hinsah, konnte man leicht glauben, dass Ellens gerötete Wangen ein Zeichen von Gesundheit und nicht von Fieber waren. „Du kommst gerade rechtzeitig, um mir zu helfen, all das durchzusehen.“

All das bezog sich auf das Durcheinander von Schmuckschatullen, Geschenkpapier und Band auf ihrem Sekretär.

Phoebe grinste, und dieses Mal war es kein gezwungenes Lächeln. „Oooh, Geschenke einpacken?“, fragte sie und zog einen Stuhl an den Schreibtisch heran. „Das mag ich am liebsten! Was ist das alles?“

„Nichts besonders Wertvolles, nur ein paar Schmuckstücke, die ich gern mag.“ Ellen öffnete eine hübsche blaue Lackschachtel. Darin befand sich eine zarte Goldkette mit einem schönen filigranen Kreuz.

„Wunderschön“, sagte Phoebe.

„Ich habe Paul die wertvolleren Stücke gegeben, damit er sie in seinem Tresor aufbewahren kann. Ich hoffe, du hilfst ihm, auszuwählen, was Lucy an ihren Geburtstagen und den anderen besonderen Anlässen in den kommenden Jahren bekommen soll.“

Phoebe nickte, ihre Augen brannten. „Natürlich.“

Ellen legte ihre Hand auf Phoebes. Obwohl sie vor Fieber glühte, fühlten sich ihre Finger an wie gefrorene Zweige. „Vielen Dank, dass ihr zugestimmt habt, einen Weihnachtsabend nur mit uns zu verbringen, Phoebe. Ich verspreche, dass ich dich und Paul nicht lange von eurer Familie fernhalten werde.“

Sanft drückte Phoebe Ellens Hand. „Ich freue mich auf ein Fest im kleinen Kreis. Aber vergiss nicht, dass du auch in der größeren Runde herzlich willkommen bist.“

„Ich danke dir. Wenn ich mich gut genug fühle, werde ich zu euch stoßen.“

Aber Phoebe wusste, dass es dazu nicht kommen würde. Nicht nur wegen Ellens Krankheit, sondern auch, weil der Rest der Familie Bellamy immer noch glaubte, dass Ellen Pauls ehemalige Geliebte war.

Paul, Phoebe und Ellen waren übereingekommen, die Geschichte aufrechtzuerhalten, bis Lucy achtzehn Jahre alt war und Paul ihr die Wahrheit über ihre Abstammung sagte. Erst dann würden auch Phoebes Schwestern die Wahrheit erfahren.

Das war das Beste, auch wenn es sich in der Zwischenzeit unangenehm anfühlte.

Leider, so dachte Phoebe mit einem schmerzhaften Stich, während ihre Freundin fröhlich über die kleinen Geschenke plapperte, die auf dem Tisch lagen, würde Ellen selbst nicht mehr lange da sein, um diese Unannehmlichkeit zu ertragen.

Plötzlich bewegte sich der Haufen aus Papier und Bändern, und ein pelziger Kopf kam zum Vorschein.

„Da bist du ja, Silas!“, gurrte Ellen liebevoll, als der kleine Nager gähnte, über den Schreibtisch tappte, dann an Ellens Arm hinaufhuschte und sich an den Hals der kranken Frau schmiegte, wobei er Phoebe einen verwegenen Blick zuwarf.

Das Eichhörnchen ihres Bruders Dauntry war ein pelziges Bündel, welches voller Unfug steckte und Phoebe schon seit Jahren plagte. Lucy hatte sie angefleht, sich um das Tier kümmern zu dürfen, während Doddy in der Internatsschule war, und Phoebe hatte widerwillig zugestimmt. Obwohl das kleine Biest oft Unheil anrichtete, wenn es aus Ellens Wohnung entwischte und in dem riesigen Haus Amok lief, konnte Phoebe seine Anwesenheit nicht bedauern, denn er bereitete nicht nur Lucy, sondern – unerwarteterweise – auch Ellen viel Freude. Immer, wenn Silas in der Nähe war, schien es Phoebe, dass die kranke Frau etwas weniger gebrechlich aussah.

Wenn das Eichhörnchen half, Ellen länger am Leben zu erhalten, dann konnte Phoebe das Tier fast mögen.

Aber während sie beobachtete, wie Ellens blasse, zittrige Hand über Silas’ dickes Winterfell strich, befürchtete sie, dass selbst das Eichhörnchen nicht bewirken konnte, dass sie bis Weihnachten bei ihnen blieb.

Einige Tage später …

Über den massiven Schreibtisch hinweg starrte Phoebe ihren Mann Paul an und biss sich auf die Lippe, um nicht zu sprechen, denn sie war zu wütend, um sich selbst zu trauen. Nicht wütend auf Paul, sondern auf das, wozu ihre Eltern ihn ständig zwangen.

„Sei nicht böse, Liebling.“ Er lächelte sie an, seine schroffen Züge unwiderstehlich und charmant. Es verblüffte sie immer noch, dass sie noch nicht einmal ein Jahr verheiratet waren. Tatsächlich hatte sie ihn letztes Weihnachten noch gar nicht gekannt, und doch konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.

„Ich bin nicht böse auf dich, Paul. Ich frage mich nur, wann das alles aufhören wird.“ Sie erwähnte nicht, wie sehr sie sich für ihre Eltern schämte – das hatte sie ihm gegenüber schon unzählige Male zugegeben –, weil sie wusste, dass es ihn bedrückte. Jeder, der Paul Needhams massigen Körper und sein hartes Gesicht sah, würde nicht glauben, dass er so sensibel sein konnte. Aber er lebte und atmete für sie, und Phoebe würde nie aufhören, Gott dafür zu danken, dass sie das Glück gehabt hatte, ihm im letzten Frühjahr auf einer staubigen Straße zu begegnen.

Der Grund für ihre Verärgerung war ein Brief, den Paul gerade an diesem Morgen von Phoebes Vater, dem Earl of Addiscombe, erhalten hatte. Der Earl hatte nicht nur seine Pläne, Weihnachten mit ihnen zu verbringen, verworfen – der Brief kam genau an dem Tag an, an dem er anreisen sollte –, sondern dem kurzen Schreiben lag auch ein Bündel von Rechnungen bei.

Paul nahm seine Brille ab und warf sie auf den Schreibtisch, dann schob er seinen Stuhl vom Schreibtisch zurück und ging zur Tür.

Phoebe drehte sich in ihrem Stuhl und sah zu, wie er die Tür verriegelte.

Während er zu seinem Stuhl zurückging und sich setzte, öffneten sich ihre Lippen und ihr Herz begann, schneller zu schlagen. „Komm her“, sagte er.

„Paul, wir können nicht. Es ist zu –“

„Komm her, Phoebe.“ Mit seiner massiven Hand klopfte er auf seinen ebenso massiven, in Hirschleder gekleideten Oberschenkel.

Phoebe biss sich auf die Lippe und zögerte nur kurz, bevor sie sich erhob. Schon bevor sie schwanger geworden war, war sie keine zierliche Frau gewesen. Jetzt, wo sie für zwei aß, fühlte sie sich wie eine schwerfällige Kuh.

Oder zumindest hätte sie sich so gefühlt, wenn sie nicht den bewundernden, lüsternen Blick ihres Mannes bemerkt hätte, als sie sich auf seinen Schoß sinken ließ.

Mmm.“ Er schlang einen muskulösen Arm um ihre Hüften, um sie näher an seine harte Brust zu ziehen, während seine andere Hand auf ihrem geschwollenen Bauch ruhte.

Phoebe liebte den männlichen Stolz, der sich über sein Gesicht legte.

„Meins“, murmelte er und strich von ihrer prallen Taille hinauf zu ihren unglaublich geschwollenen Brüsten. Seine Augenlider senkten sich über seine durchdringenden grauen Augen, während er sie streichelte, und seine riesige Hand ließ sie tatsächlich klein aussehen. „Wie lange, hat die Hebamme gesagt, können wir –“

„Solange es nicht weh tut“, unterbrach Phoebe ihn hastig, bevor er etwas Vulgäres und Erregendes sagen konnte. Immerhin erwarteten sie in den nächsten Stunden die ersten ihrer Weihnachtsgäste. Es ging nicht an, dass sie mitten am Tag dem unerbittlichen Verlangen ihres Körpers nach ihm nachgab, so gerne sie es auch tun würde.

Sie warf einen Blick auf die Standuhr und berechnete die Stunden, bis sie seine nackte Haut und seinen riesigen Körper wieder an ihrem eigenen spüren konnte.

Paul grinste sie an, wohl wissend, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen. „Und?“, spottete er.

„Wir haben keine Zeit“, sagte sie, unfähig, die weinerliche Enttäuschung aus ihrem Tonfall zu halten. „Bis wir oben sind –“

„Wir müssen nicht nach oben in deine Gemächer gehen. Wir müssen uns nicht einmal ausziehen. Ich könnte einfach meine Hand unter dieses hübsche Kleid schieben.“ Er demonstrierte genau das, und seine warmen Finger strichen den Strumpf, der ihre Wade bedeckte, hinauf zu ihrem nackten Oberschenkel. „Öffne dich für mich, Phoebe“, sagte er, seine Stimme rau vor Verlangen.

Ihr Blick glitt auf die Uhr. „Bist du sicher, dass wir –“

„Spreize deine Schenkel für mich“, sagte er und warf ihr den strengen Blick zu, der ihre Knie zu Gelee werden ließ, während seine dunklen Augen die ihren einfingen. Sie schluckte und öffnete langsam ihre Knie.

Seine Nasenflügel blähten sich auf, während seine Hand ihren Schenkel hinaufstrich, bis ein großer Finger die Lippen ihres Geschlechts berührte. Seine Augenlider flatterten, als er spürte, wie geschwollen und feucht sie war. „Großer Gott, du bist ja ganz nass“, stöhnte er und tauchte seinen Finger in ihre glitschige Hitze, während er ihrem Blick begegnete. „Mein armer, bedürftiger Liebling“, sagte er und umkreiste die Quelle ihrer Lust mit genau dem richtigen Maß an Druck. „Du musst kommen, nicht wahr?“

Sie riss die Augen auf und sah ihn an. „Paul!

Ihre empörte Reaktion ließ ihn süffisant grinsen. Obwohl sie schon seit neun Monaten verheiratet waren, brachten seine vulgären Worte ihr Gesicht immer noch zum Glühen.

Und sie liebte es.

„Spürst du, wie hart du mich machst, Phoebe?“, fragte er.

„Als ob das irgendjemand nicht bemerken könnte“, murmelte sie, während sich seine dicke, eisenharte Länge in ihren runden Po grub.

Er lachte. Und dann, bevor sie wusste, was er tat, glitt seine Hand unter ihrem Rock hervor. Er packte sie an den Hüften und hob sie auf seinen Schreibtisch, als ob sie nicht mehr wöge als ein Buch, was Phoebe noch mehr in ihn verliebt machte.

„Du solltest mich nicht so hochheben! Du wirst dir noch wehtun.“

Er gab einen spöttischen Laut von sich und schob ihren Rock und Unterrock hoch, sodass sie bis zu den Hüften entblößt war.

„Wo sind Dixon und Dennehy?“, fragte sie nervös. „Die werden doch nicht –“

„Öffne dich“, befahl er.

Ihre Knie zuckten augenblicklich auseinander. Irritiert über die Reaktion ihres Körpers, begann sie, sie wieder zu schließen.

„Nein, nein, nein. So geht das nicht, Darling.“ Er schob ihre Schenkel leicht auseinander. „Leg dich für deinen Herrn und Meister zurück.“

„Ich meine es ernst, Paul. Sie haben doch Schlüssel, oder nicht? Werden sie –“

Seine Augen, die jetzt einen dunklen, hungrigen Schieferton hatten, blickten von ihrem Geschlecht zu ihren Augen. „Leg dich zurück, oder ich werde beide herbeirufen, damit sie zusehen, wie ich dich nackt ausziehe und hier auf meinem Schreibtisch befriedige.“

Bei diesem anrüchigen Vorschlag klappte Phoebes Kinnlade herunter – und das nicht nur vor Überraschung.

„Du unzüchtiges Ding“, stichelte er und las ihre feurige Röte und ihren schuldbewussten Blick mit einer Leichtigkeit, die sie sowohl verunsicherte als auch erregte. „Da hat sich deine enge kleine Muschi zusammengezogen, nicht wahr? Du würdest gerne beobachtet werden, während ich dich lecke und fingere und fi-“

„Das würde ich nicht“, beharrte sie beschämt.

Sein Grinsen verschwand und der gefährliche Blick, der an seine Stelle trat, ließ sie erschaudern. „Gut. Denn ich werde dich nicht teilen. Niemals. Und ich werde jeden Mann töten, bevor ich ihm erlaube, einen Blick auf das zu werfen, was mir gehört.“

War es falsch, dass seine gewalttätigen, primitiven Worte ihre Mitte nur noch härter krampfen und pochen ließen?

„So“, sagte er, seine Stimme war seidig. „Ich sage es nur noch ein einziges Mal. Leg dich hin.“

Sie schluckte und tat es dann vorsichtig. Als er sie an den Rand des Schreibtisches zog und ein Bein über jede seiner Schultern legte, fühlte sie sich unglaublich entblößt.

„Paul –“

„Schhh“, befahl er.

Phoebe biss sich auf die Lippe, um keine peinlichen Geräusche zu machen, als er ihre Falten spreizte und sein heißer, feuchter Mund sich über ihrer Mitte schloss.

„Oh, Gott“, murmelte sie. Wie konnte sich etwas so Unanständiges so, so, so gut anfühlen?

Er stöhnte, leckte und saugte so laut, als würde er sie verschlingen. „Deine saftige, köstliche Möse wird mich eines Tages noch umbringen.“

„Paul!“

Er ignorierte ihren Ausruf und umschlang ihre Beine mit seinem Arm, um sie am Zappeln zu hindern, vergrub seine Zunge tief in ihr, während die warme Kuppe seines Daumens rhythmisch über ihren geschwollenen Kern strich, genau an der richtigen Stelle.

Alle Pläne, sich ruhig zu verhalten, wurden in dem Moment über den Haufen geworfen, als die aufgewühlte Glückseligkeit in ihr explodierte. Vage nahm sie laute, animalische Schreie wahr – ihre – und spürte sein Haar zwischen ihren Fingern, als sie sich erst gegen ihn presste und dann, als ihr Höhepunkt abebbte, versuchte seinen Kopf wegzuschieben – und scheiterte.

„Paul!“, wimmerte sie. „Es ist zu viel.“

„Nur noch einmal.“ Er saugte leicht an ihrem pochenden Knubbel zwischen seinen Lippen.

Phoebe hatte geglaubt, sie sei zu empfindlich – schmerzhaft empfindlich –, um noch einmal zum Höhepunkt zu kommen, aber er bewies wieder einmal, dass er ihren Körper viel besser kannte, als sie selbst.

Als sie von ihrem zweiten Orgasmus zitternd und schlaff war, versuchte sie, ihre Schenkel zu schließen, aber er hielt sie mit Leichtigkeit davon ab.

„Ich werde nichts Empfindliches anfassen“, versprach er zwischen seinen Zungenschlägen. „Ich will nur sichergehen, dass ich nichts übersehen habe.“ Er hielt Wort, während er sorgfältig und gründlich jeden Teil von ihr küsste und liebkoste. „So gut“, murmelte er, während seine Zunge leicht den Eingang zu ihrem Körper erkundete. Dann stöhnte er auf und tauchte tiefer ein.

Phoebes Gesicht stand in Flammen, während er sich an ihr gütlich tat. Sie überlegte, ob sie versuchen sollte, sich aufzurichten, aber sie wusste, dass er sie nicht loslassen würde, bevor er nicht bereit war. Jedes Anzeichen von Widerstand ließ ihn nur noch tiefer eindringen.

Außerdem … liebte sie diesen Teil, wenn er ihren Körper anbetete, von dem er – unerklärlicherweise – immer noch besessen war. Er schien sie sogar noch mehr zu wollen, obwohl sie so furchtbar unbeholfen geworden war.

Ihre Lippen verzogen sich zu einem, wie sie glaubte, törichten Lächeln und sie gab sich der Glückseligkeit des Augenblicks hin.

Unbestimmte Zeit später stieß er einen widerwilligen Seufzer aus, gab der Quelle ihrer Lust einen letzten, lang anhaltenden, saugenden Kuss, senkte dann sanft ihre Beine und stand auf. „Wenn ich nicht ein verfluchtes Treffen mit Bixby hätte und seinen Bericht bereits gelesen hätte, würde ich das den ganzen Tag tun.“

Bixby besorgte seine Geschäfte. Wäre er nicht extra aus London angereist, hätte Paul den armen Mann vermutlich warten lassen.

Er lächelte auf sie herab, seine Lippen waren rot und geschwollen von seinem Angriff. „Habe ich deine Hüfte verletzt?“, fragte er, als sie ihre Knie zusammenzog und aufjammerte.

„Es hat sich gelohnt.“ Sie zog ihre Röcke zurecht.

Er lachte, ging dann zur Tür und schloss sie auf, bevor er zurückkehrte, seine Arme unter sie schob, sich auf seinen Stuhl niederließ und sie auf seinem Schoß hielt.

„Da, siehst du? Du hast deinen Mann sehr erfreut, und niemand hat etwas bemerkt.“ Er hob sie nah genug an sich heran, um sie zu küssen, wobei sie den schwachen Moschusduft wahrnahm, der auf seinen Lippen verweilte.

„Du magst es, dich an mir zu schmecken, nicht wahr?“

Wie vorherzusehen war, errötete sie.

Er gluckste süffisant, küsste sie heftig, lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück und rückte den langen, harten Schaft zurecht, der sich in ihre Hüfte presste.

Phoebe schob eine Hand zwischen ihre Körper und drückte leicht auf die dicke Wölbung. „Darf ich Ihnen dabei helfen, Mylord?“

Seine Augen leuchteten auf und sie konnte sehen, dass er ernsthaft darüber nachdachte. Doch nach einem Moment seufzte er und schüttelte den Kopf. „Leider haben wir keine Zeit. Aber sei versichert, dass er auf dich warten wird.“

„Warten?“, fragte sie mit großen Augen und fuhr fort, ihn zu streicheln, absichtlich, weil sie es liebte, wenn er schmutzige Dinge sagte, auch wenn es sie noch immer schockierte.

„Ich hebe es mir für heute Abend auf, und dann wirst du um jeden Zentimeter betteln.“ Sein Blick flackerte zu ihrem Mund und seine Augen verengten sich. „Ich glaube sogar, du wirst mich zweimal nehmen.“

„Paul!“

Er hob eine seiner samtig schwarzen Augenbrauen, strich mit einer Hand andeutungsweise über die Falte zwischen ihren Pobacken, und sein dicker Finger drückte gegen diese verbotene Stelle. „Vielleicht sogar dreimal.“

Phoebe keuchte. Das hatten sie erst zwei Mal getan, und zu ihrem großen Erstaunen und ihrer Scham hatte sie es genossen.

„Meine verruchte Frau“, sagte er und kicherte über das, was er in ihrem scharlachroten Gesicht sah – wahrscheinlich ihren undamenhaften Eifer. Er küsste sie hart, packte ihre Hand am Handgelenk und zog sie bestimmt von seiner Männlichkeit fort. „Benimm dich.“

„Ich dachte, das hätte ich?“, sagte sie schmollend.

Er küsste sie erneut. „Was für ein kleines Monster ich doch geschaffen habe.“

„Nun, nicht so klein.“ Unbehaglich rutschte sie hin und her und starrte auf ihre pralle Mitte.

Er nahm ihr Kinn und drehte ihr Gesicht so, dass sie ihn ansehen musste. Sein Blick war unerwartet streng und noch herrischer als sonst. „Zufälligerweise liebe ich deinen Körper.“

Unter seinem durchdringenden Blick beschleunigte sich Phoebes Atem. Sie konnte die Augen nicht abwenden.

Seine Lider senkten sich leicht, er legte seine freie Hand auf ihren Bauch, streichelte sie, und ein langsames, sinnliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich habe vor, dich so oft in diesen Zustand zu versetzen, wie es sicher ist.“

Paul!

Er küsste sie langanhaltend. „Du weißt nicht, dass du perfekt bist, oder?“

Sie lachte spöttisch. „Du bist der Einzige, der so denkt.“

„Ich bin der Einzige, der zählt.“

„Ja, das bist du“, stimmte sie zu und streichelte seinen Kiefer, denn die Liebe, die sie für ihn empfand, war so überwältigend, dass sie ihr manchmal Angst machte.

Er beugte sich vor, um sie erneut zu küssen, als die Bibliothekstür aufschlug.

Ihre Köpfe schnellten beide hoch.

„Papa?“

Phoebe kletterte vom Schoß ihres Mannes – oder versuchte es zumindest –, aber Paul hielt sie problemlos mit einem Arm fest.

„Oh, tut mir leid, ich habe nicht bemerkt, dass du nicht allein bist“, sagte Lucy. „Ich kann später wiederkommen und –“

„Du störst nicht“, log Phoebe.

„Komm und setz dich.“ Mit einer Hand wies Paul auf den Stuhl, auf dem Phoebe kurz zuvor gesessen hatte.

Phoebe versuchte aufzustehen, aber Paul hielt sie weiterhin fest.

Lucy schien es nicht seltsam zu finden, dass Phoebe auf Pauls Schoß saß. Wie immer lugten Silas’ glitzernde schwarze Augen unter dem Vorhang von Lucys lockigen blonden Haaren hervor.

„Brauchst du etwas, mein Schatz?“, fragte Paul seine Tochter.

„Miss Capshaw möchte, dass ich mit ihr ins Dorf gehe, aber –“, sie brach ab und warf Phoebe einen schüchternen Blick zu. „Aber ich will Doddys Ankunft nicht verpassen.“ Sie lief rot an, als sie eilig hinzufügte: „Weil Silas so aufgeregt ist und ihn vermisst. Weißt du, wann er ankommen wird?“

„Erst viel später, Schätzchen“, versicherte Paul ihr. „Du kannst mit deiner Gouvernante gehen und trotzdem rechtzeitig zu Hause sein, um ihn zu begrüßen.“

„Oh, gut. Miss Capshaw bringt mich zur letzten Anprobe.“ Sie wandte sich an Phoebe. „Es ist das blassrosa Kleid, Phoebe – das, welches du vorgeschlagen hast – und es wird gerade rechtzeitig für das Weihnachtsfest fertig sein.“

„Ausgezeichnet!“, erwiderte Phoebe. „Es ist perfekt für deinen ersten Tanz.“

Obwohl Lucy noch nicht ganz vierzehn war, würde sie nicht die Einzige in ihrem Alter sein, die an dem Tanz teilnahm, der Bestandteil des jährlichen Weihnachtsmarktes im Dorf war. Da er so früh am Tage stattfand, wirkte er eher wie eine Familienzusammenkunft denn als traditionelles Weihnachtsfest.

„Miss Capshaw sagte, ich solle dich fragen, ob ich richtige Handschuhe kaufen darf, Papa.“ Lucys große blaue Augen, die denen von Ellen so ähnlich waren, blickten Paul an. „Bitte“, fügte sie leise hinzu.

„Richtige Handschuhe?“, wiederholte Paul, offensichtlich verwirrt.

„Ja – lange Handschuhe. Die Art, die Damen auf Bällen tragen.“

„Oh.“ Er runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht sicher –“

„Bitte, Papa“, beschwor sie ihn.

Paul wandte sich an Phoebe. „Was denkst du?“

„Es stimmt, Lucy ist jung, aber du wirst dabei sein. Ich denke, unter den gegebenen Umständen wäre es nicht zu beanstanden.“

Paul nickte. „Du kannst sie haben.“

„Hurra!“ Lucy hüpfte auf die Beine. „Ich gehe besser und suche Miss Capshaw. Je eher wir losziehen, desto eher können wir zurückkehren.“ Sie verließ das Zimmer in solcher Eile, dass Phoebe und Needham kicherten.

Paul seufzte. „In einem Moment will sie Handschuhe, die einer jungen Dame entsprechen, im nächsten ist sie noch ein Kind.“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Ich hoffe, du weißt, dass es nicht die Wiedervereinigung deines Bruders mit seinem Eichhörnchen ist, die sie so erröten und lächeln lässt. Ich bin erleichtert, dass Doddy Freunde mitbringt. Mir wäre es lieber, sie verguckt sich in einen von ihnen, anstatt in deinen Bruder.“

„Das ist nur Schwärmerei, Paul. Sie wird noch Dutzende anhimmeln, bevor sie sich endgültig verliebt.“

„Das hoffe ich sehr, Liebling. Sonst muss ich deine Mutter erwürgen und ihre Leiche in einem Fass verstecken. Du weißt doch, dass sie dir das Leben zur Hölle machen würde, wenn sich ihr Erbe in die uneheliche Tochter eines Bürgerlichen verliebt.“

Phoebe umfasste das Gesicht ihres Mannes mit beiden Händen und küsste ihn heftig. „Das ist noch viele Jahre hin. Lucy ist erst vierzehn. Doddy mag ein paar Jahre älter sein, aber auch er ist trotzdem noch ein Junge.“ Sie hielt inne. „Aber was deine Idee mit meiner Mutter und dem Fass angeht …“

Paul lachte, nahm sie in die Arme und küsste sie innig. „Womit habe ich so eine rücksichtslose, schöne Frau verdient?“

„Du hast einfach nur Glück, nehme ich an“, murmelte sie, versenkte ihre Finger in seinem Haar, forderte seinen Mund und gab so viel, wie sie bekam.

Ein weiteres Klopfen unterbrach ihr Spiel.

Paul seufzte. „Ja?“

Davis, ihr Butler, öffnete die Tür.

„Ich bitte um Verzeihung, Mylord, Mylady“, sagte er, den Blick über ihre Schultern hinweg an die Wand gerichtet. „Aber gerade fuhr eine Kutsche vor.“

Phoebe runzelte die Stirn. „Schon? Ist es Lord Needhams Postkutsche, die meinen Bruder bringt? Oder ist es eine meiner Schwestern?“

„Nein, Mylady.“ Er zögerte. „Es ist Ihre Mutter, die Countess of Addiscombe“, fügte er hinzu, nur für den Fall, dass Phoebe nicht wusste, wen er meinte.

***

Kurz darauf machten sich Phoebe und Davis auf den Weg zur Eingangshalle. Paul hatte angeboten, sie zu begleiten, aber Phoebe wollte ein paar Minuten mit ihrer Mutter allein sein, bevor die Countess auf ihren armen Mann losging.

„Es tut mir furchtbar leid, dass ich nicht auf die Countess vorbereitet war, Mylady. Ich dachte, sie würde nicht vor Freitag eintreffen.“

Phoebe unterdrückte ein bitteres Schnauben. Davis hatte keine launische Antwort von ihr verdient. Es war ihre Mutter, welche ihren Zorn verdiente. Welcher Gast tauchte vier Tage vor dem erwarteten Termin auf?

„Es ist nicht Ihre Schuld, Davis. Meine Mutter ist zu früh.“

„Ich habe Becky und Dora nach oben geschickt, um schnell ihre Gemächer frisch zu machen und in allen Zimmern ein Feuer anzuzünden.“

„Ich danke Ihnen. Sie bringt eine Begleiterin mit, eine Miss …“ – Phoebe kaute auf ihrer Lippe. Wie hieß die Frau gleich noch?

„Miss Eustacia Martin, Mylady. Eine Gästesuite nicht weit von der Ihrer Mutter wurde für sie eingerichtet, so, wie Sie es angewiesen hatten.“

„Ich danke Ihnen, Davis. Wie ich sehe, sind Sie bereits gut vorbereitet.“

Es war das erste Mal seit Jahren, dass alle Bellamy-Geschwister das Weihnachtsfest in ihrem ursprünglichen Wohnsitz feiern würden. Sogar Aurelia nahm die lange Reise in den Süden auf sich. Sie würde ihren neuen Mann, ihre Stieftochter und andere interessante Gäste mitbringen. Phoebe hatte diese Information für sich behalten, nur Paul war eingeweiht. Sie wollte ihre anderen Geschwister überraschen, die alle glaubten, dass Aurelia dieses Jahr nicht dabei sein könnte.

Und nun war ihre Mutter früher angekommen und würde ihnen das Wiedersehen verderben.

Phoebe hatte der Countess ausdrücklich ein Ankunftsdatum genannt, welches vier Tage nach dem ihrer Geschwister lag. Es hatte ihr wehgetan, aber sie hatte sich mit Hyacinth, Aurelia und Selina – den drei ältesten – beraten, und sie waren sich einig, dass sie sich etwas Zeit für sich nehmen wollten, ohne dass einer ihrer Eltern dabei war. Denn sobald der Earl und die Countess einträfen …

Nun, es genügte zu sagen, dass keiner von ihnen viel Ruhe finden würde.

Die unbedachte Absage ihres Vaters war eine Beleidigung, aber sie konnte nicht umhin, sich darüber zu freuen. Ihre Eltern hassten einander und taten normalerweise wenig, um ihre Feindseligkeit zu verbergen. Zusätzlich zu ihrer unmittelbaren Familie würden noch zwei Dutzend andere Gäste kommen, und das Letzte, was sie wollte, war, ihnen allen Unterhaltung in Form ihrer zankenden Eltern zu bieten.

Phoebe fühlte sich schuldig, weil sie der Countess gegenüber solchen Groll empfand. Zwar stimmte es, dass Lady Addiscombe schwierig sein konnte, aber sie war immer noch ihre Mutter und verdiente ihren Respekt.

Schwierig?, spottete eine Stimme in ihrem Kopf. Im Tierreich wäre die Countess die Art von Mutter, die routinemäßig ihre eigenen Jungen frisst.

Phoebe schnaubte und versuchte dann, das Geräusch mit einem Husten zu verbergen.

Als sie die große Halle erreichten, bemerkte Phoebe amüsiert, dass einer der Lakaien einen schweren pelzgefütterten Mantel bereithielt, für den Fall, dass ihrer Mutter kalt sein sollte.

Lobend wandte sie sich an Davis. „Denken Sie eigentlich an alles?“

„Ich strebe danach, Mylady.“

Phoebe lachte. Doch ihr Lachen versiegte schneller als ein Wassertropfen auf einem heißen Herd, als Arnold – einer ihrer Lieblingsdiener – die massive, mit Metallbändern versehene Tür öffnete und die Stimme ihrer Mutter die kühle Dezemberluft durchdrang wie ein Säbel das Fleisch.

„Was haben Sie sich nur dabei gedacht, diese Tasche zurückzulassen, Martin?“

„Es tut mir so leid, Mylady, ich dachte –“

„Ich bin mir sicher, dass ich mich nicht um Ihre verwirrten Gedankengänge schere. Holen Sie einfach meine Tasche. Sofort!

Phoebe holte tief Luft, setzte ein Lächeln auf und trat hinaus in die frostige Luft, um ihren ersten Gast zu begrüßen.

„Mylady“, sagte sie und eilte durch den kühlen Nachmittag, um ihre Mutter zu umarmen. „Es tut mir so leid, dass niemand hier draußen war, um Sie zu begrüßen. Wir dachten –“

„Phoebe!“, kreischte ihre Mutter. „Was um alles in der Welt treibst du in diesem Aufzug draußen?“

„Äh –“

„Du bist so groß wie ein Haus!“ Der Blick der Countess glitt erst nach links und dann nach rechts. „Was, wenn dich jemand in diesem Zustand sieht? Geh sofort hinein!“

„Mylady.“ Phoebe sprach das Wort leise, aber bestimmt aus. „Ich verstecke mich nicht, weil ich schwanger bin.“ Ihre Mutter zischte bei diesem Wort, als wäre es ein abscheulicher Fluch, aber Phoebe ignorierte es. „Sie sollten sich in den nächsten Tagen an meine Anwesenheit in der Öffentlichkeit gewöhnen.“

Die Countess blinzelte und war ausnahmsweise einmal sprachlos.

„Sie müssen bis auf die Knochen durchgefroren sein, Mylady.“ Phoebe gab dem Lakaien ein Zeichen, den Pelzmantel zu bringen. Der Diener eilte herbei und drapierte das luxuriöse Kleidungsstück über die Schultern der Mutter. Die Countess beäugte den kostbaren Mantel, als wäre er ein lebendes Tier. Einen Moment lang dachte Phoebe, sie würde die fürsorgliche Geste zurückweisen.

Stattdessen verzog sie die Lippen zu einem säuerlichen Ausdruck und schritt dann ohne ein Wort des Dankes in Richtung Foyer.

Phoebe drehte sich um und sah eine schlanke Gestalt, die mit Gepäck beladen auf sie zueilte. Zuerst dachte sie, ihre Mutter hätte ein Mädchen mitgebracht, so klein war die Person. Doch als sie näher trat, erkannte Phoebe, dass es sich um eine erwachsene Frau handelte. Sie war sogar noch kleiner, als sie auf den ersten Blick aussah, denn auf ihrem Kopf türmten sich Unmengen dunkelbraunen Haars.

„Willkommen, Miss Martin“, sagte Phoebe und musste den Blick senken – wenn auch nicht sehr weit –, um die andere Frau anzulächeln.

„Danke“, keuchte diese.

Arnold griff nach den Taschen in ihren Händen. „Lassen Sie mich das nehmen, Miss.“

Miss Martin öffnete den Mund, aber bevor sie etwas sagen konnte, bellte die Countess: „Fassen Sie das nicht an!“ Sie deutete mit dem Finger auf den kleineren der beiden Koffer. „Er enthält empfindliche Dinge, und ich möchte nicht, dass ein ungeschickter Trottel ihn fallen lässt. Sie nehmen diesen Koffer, Martin. Kommen Sie, hören Sie auf zu trödeln.“

„Ja, Mylady“, sagte Miss Martin, schenkte Phoebe ein schüchternes Lächeln und knickste tief, bevor sie ihrer Herrin nacheilte.

„Ich werde Ihnen Ihre Zimmer zeigen“, murmelte Phoebe, deren Gesicht heiß vor Scham über die Art und Weise war, wie ihre Mutter mit der offensichtlich zarten jungen Frau gesprochen hatte.

Der Kopf der Countess drehte sich wertend von einer Seite zur anderen, während Phoebe sie durch die große Eingangshalle führte.

Hmpf“, murmelte sie, als sie die Haupttreppe hinaufstiegen, die im späten dreizehnten Jahrhundert erbaut worden war. „Wie ich sehe, hat man etwas gegen die Holzfäule unternommen.“ Wenn ihr Ton nicht so vorwurfsvoll gewesen wäre, hätten ihre Worte als Kompliment aufgefasst werden können.

„Needham hat Holzarbeiter ausfindig gemacht, die an der großen Kathedrale in York gearbeitet haben, und sie stellten mehrere neue Abschnitte her“, erklärte Phoebe. Der Betrag, den ihr Mann für Wych House ausgegeben hatte, verblüffte sie immer wieder. Vor allem, wenn man bedachte, dass sie das Haus nur gemietet hatten, während ihr eigenes ein paar Meilen entfernt gebaut wurde.

Als hätte ihre Mutter ihre Gedanken gelesen, sagte sie: „Ich habe die Monstrosität gesehen, die Needham bauen lässt.“

Bleib ruhig, riet Phoebe sich selbst.

„Aber Ihr Weg von Bath hätte Sie nicht an Needham Park vorbeiführen dürfen.“

„Needham Park“, wiederholte ihre Mutter abfällig. „Es sah aus, als hätte es mindestens fünfzig Zimmer.“

„Es werden einundsiebzig“, korrigierte Phoebe.

Die Countess runzelte die Stirn. „Ihr seid fest entschlossen, euch zum Gespött der Leute zu machen.“

Gelassen lächelte Phoebe und ließ sich nicht beirren.

„Ich sehe, ich werde im Ostflügel untergebracht“, sagte ihre Mutter, als Phoebe nicht antwortete. „Ich hoffe, Needham war so klug, den elenden Luftzug zu beseitigen, der durch den Korridor heult.“

„Ja, das hat er. Ich denke, Sie werden zufrieden sein.“ Phoebe bezweifelte das jedoch. Hatte sie ihre Mutter jemals über etwas erfreut gesehen? Wenn ja, dann konnte sie sich nicht daran erinnern.

Hmpf“, murmelte die Countess.

Phoebes Lächeln wankte. Es würde ein langer Tag werden.

***

Stacia lächelte, als sie sich in den luxuriösen Gemächern umsah. „Das ist wunderschön, Mylady.“

„Es freut mich, dass es Ihnen gefällt“, erwiderte Lady Phoebe Needham, deren gut gelauntes Lächeln sich so sehr von jedem Ausdruck unterschied, den Stacia jemals auf dem Gesicht der Countess gesehen hatte, dass sie nicht geglaubt hätte, dass diese beiden Frauen derselben Familie angehörten.

„Blau ist meine Lieblingsfarbe“, platzte Stacia wie eine Närrin heraus.

„Es ist auch die Farbe meines Mannes“, gab Phoebe zu. „Immer, wenn ich bei der Einrichtung weiterer Gemächer nicht weiterkam und ihn konsultierte, schlug er vor, sie blau zu gestalten.“ Sie schmunzelte. „Es gibt also mindestens zehn blaue Schlafzimmer, was es schwierig macht, zu entscheiden, welches davon die echte blaue Suite ist.“

Stacia spürte, wie sich ihr eigenes Gesicht zu etwas verzog, das in letzter Zeit nicht oft vorkam: einem echten Lächeln.

„Ich habe Ihnen eine Kammerzofe zugewiesen – sie heißt Dora. Bitte zögern Sie nicht, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen.“

„Ich danke Ihnen, Mylady. Das ist sehr großzügig.“

„Wenn Sie etwas brauchen, dann –“ Sie hielt inne, denn Miss Ackers, die Zofe der Countess, erschien in der Tür.

Die ältere Frau knickste vor Viscountess Needham. „Ich bitte um Verzeihung, Mylady, aber Lady Addiscombe möchte Miss Martin sprechen.“ Sie räusperte sich und fügte hinzu: „Unverzüglich.“

„Oh.“ Die Viscountess sah sie verblüfft an.

„Ich danke Ihnen, Miss Ackers, ich bin gleich da“, murmelte Stacia und wandte sich dann an ihre Gastgeberin. „Es tut mir leid, dass ich gehen muss, aber –“

„Es ist nicht klug, meine Mutter warten zu lassen. Wir werden uns alle eine halbe Stunde vor dem Abendessen im Salon versammeln. Ich sehe Sie dann dort, wenn nicht schon vorher.“

Stacia wartete, bis die andere Frau den Raum verlassen hatte, dann knöpfte sie ihren Mantel auf, streifte Handschuhe und Haube ab und eilte dann zu der Suite, in der sie Ihre Ladyschaft nur fünf Minuten zuvor alleingelassen hatten.

Nur weil ihre Gastgeberin Stacia in einem Gästezimmer untergebracht hatte und sie dementsprechend behandelte, hieß das nicht, dass sie ein Gast war.

Stacia war hier, um Lady Addiscombe zu dienen, und sie täte gut daran, das nicht zu vergessen.