Interview Thriller Autor Thomas Lang über sein neues E-Book

Worum geht es in deinem Buch Bulle & Bär, Band 2: Der Weg des Schwerts?

Genau genommen sind es zwei Handlungsstränge. Einmal ein klassischer Betrugsfall aus der Praxis der Ermittler für Wirtschaftskriminalität. Und dann die übergeordnete Handlung um das Ende 1945 in Tokio verschwundene „Schwert Japans“. Beide Geschichten basieren auf einem realen Hintergrund.

 

Wie lange hast du daran gearbeitet?

Das ist bei einem Autor, der seine Romane (noch) neben seiner Tätigkeit als professioneller Texter und Fachjournalist verfasst, eine schwierige Frage. Insgesamt würde ich sagen: so um ein Jahr. Wenn ich mich komplett auf das Manuskript konzentrieren könnte, würden wir in zwei, drei Monaten eine ganze Menge sehen.

 

Wie ist die Idee zu deinem Buch entstanden? Gab es eine Art Initialerlebnis?

Der Weg des Schwerts ist ja nicht die erste Geschichte meiner Thriller-Reihe Bulle & Bär. Schon während der Vorbereitungen zur Veröffentlichung des ersten Bands, habe ich natürlich intensiv über das zweite „Abenteuer“ nachgedacht. Mein Agent Tim Rohrer hat mich da auch unterstützt, weil mich seine Argumentation überzeugt hat, dass ein Thriller oder Krimi nur dann langfristig Erfolg hat, wenn sich daraus eine ganze Reihe entwickeln lässt. Wenn den Leser:innen das Sujet und die Figuren gefallen, wollen sie auch Nachschub lesen. Als sich die Unterschlagung in meinem direkten beruflichen Umfeld ereignet hatte, war für mich klar, dass ich das irgendwie literarisch verwerten musste.

 

Wie sah die Recherchearbeit für dein Buch aus?

Als „gelernter“ Journalist ist es mir in 40 Berufsjahren in Fleisch und Blut übergegangen, wo immer es geht Fakten zu verwenden. Und im Internetzeitalter ist es ja in Vergnügen, präzise Details zu ermitteln. Da ich das Glück und Privileg hatte, von der Welt eine ganze Menge Länder und Städte kennen zu lernen, lasse ich meine Geschichten nur an Orten spielen, die ich aus eigener Anschauung kenne. Ich kenne auch alle erwähnten Hotels und den größten Teil der Restaurants, in denen es sich meine Protagonisten wie Antagonisten gut gehen lassen. Und im Internetzeitalter kann ich meine Zecher von authentischen Speise- und Getränkekarten bestellen lassen. Auch Abläufe müssen stimmen. Wie beispielsweise das Kapitel über die Sektion zweier Attentäter. Selbst da fließt das eigene Erleben ein.

 

Sind die vielen Fakten wirklich wichtig?

Davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Auch wenn ich einen Ort nicht kenne oder mir Details zu einem Gegenstand oder einer Tätigkeit unbekannt sind, merke ich als Leser instinktiv, ob etwas eine Tatsache ist oder ein Fake. Kenne ich mich dagegen persönlich in einem Bereich aus und kann beurteilen, ob etwas stimmt oder ein Fake ist, enttäuscht mich der Phantast und ich verliere den Glauben an die Authentizität der ganzen Geschichte. Ein Beispiel: Kürzlich fand ich im Thriller eines weltweit erfolgreichen Besteller-Autoren den Satz: … ließ den Zehnzylinder seines AMG-Mercedes zornig aufheulen…“ Als Motorjournalist weiß ich, dass AMG nie einen Zehnzylinder gebaut hat. Wenn das schon getürkt ist, wie sieht es dann mit dem Rest der Geschichte aus? – Für solche Infos reichen heute zwei Klicks im Internet. Dann brauche ich meine Leser:innen nicht zu beschummeln.

 

Was reizte dich daran, die Geschichte in Japan spielen zu lassen?

Wie gesagt, ich möchte meine Geschichten an authentischen Orten spielen lassen. Im Laufe der Jahre hat es sich ergeben, dass ich Japan bis heute mindestens 15mal bereist habe. Das Land, seine Geschichte Kultur und die Menschen haben mich vom ersten Augenblick wegen ihrer Ambivalenz fasziniert. Ich erachte Japan einerseits als eines der exotischsten Länder der Welt. Andererseits ist es eines der am höchsten zivilisierten. Alleine diese beiden Umstände erzeugen in unglaubliches Spannungsfeld. Für meine Fachbücher und Artikel habe im Laufe der Jahre Ursachenforschung für so viele aus westlicher Sicht so unverständliche Phänomene Japans angestellt. Nicht zuletzt bin ich nicht nur Schwabe, sondern auch ein fauler Mensch. Der Weg des Schwerts bot die Gelegenheit, viele Erlebnisse und alte Reportagen zu reanimieren. So habe ich selbst einen Autotransport von Japan nach Amsterdam begleitet, der im Roman eine wichtige Rolle spielt und für das Kapitel, das meine Helden auf den Fischmarkt von Tokio führt, habe ich mindestens ein Dutzend Mal vor Ort recherchiert.

 

Hattest du eine Inspirationsquelle für deine Figuren?

Für die Figuren weniger. Das ist für mich der Kick als Autor, Menschen quasi zu „erschaffen“. Natürlich tragen sie dann im Detail Züge, die mir von mir selbst oder aus meinem Umfeld vertraut sind. Sonst könnten sie sich nicht glaubhaft entwickeln. Die teilweise eloquenten, teils flapsigen Dialoge sind meiner eigenen Historie geschuldet. Ich bin nun einmal mit Fernsehserien wie „Die Zwei“ aufgewachsen. Außerdem ist es die wesentliche Aufgabe eines Schmökers, gut zu unterhalten. Und da dürfen Polizisten sich eben etwas flotter austauschen, als die kaffekochenden Schnarchzapfen aus den öffentlich-rechtlichen Vorabendprogrammen.

 

Was war das spannendste Erlebnis auf deinen vielen Reisen nach (und in) Japan?

Ich bin wahrscheinlich bis heute immer noch der einzige Europäer, der nicht nur mit dem Schiff Japan bereist hat, sondern auch mit dem Auto. 1991 ergab sich die Möglichkeit, als die UdSSR sich zwar geöffnet hatte, aber noch nicht zerfallen war, für einen Deutschen Autohersteller ein neues Modell, das auf dem japanischen Markt eingeführt werden sollte, auf dem Landweg von Deutschland nach Tokio zu überführen. Aber das würde ein eigenes Buch füllen. Die wirklich spannenden Erlebnisse entstanden aus den zahllosen kleinen Episoden am Rand. Wie ich beispielsweise innerhalb eines Nachmittags im Herzen der 30-Millionen-Megapole die „International Touristklinik“ für umfassende Schutzimpfungen finden musste. Oder wie ich meine prall gefüllte Brieftasche (Pass, Flugtickets, Bargeld, Reiseschecks, Kreditkarten, Impfpass, Internationaler Führerschein) verloren hatte (eine Geschichte mit dem schönsten Happy End seit „High Society“). Oder wie ich in einer der rund 35.000 Bars von Tokio drauf bestand, einen Whiskey pur trinken zu wollen. Und wie die „Langnase“ im eigenen Auto, ohne Kenntnisse von Sprache und Schrift jeden Punkt in Japan auf Anhieb finden kann, grenzt an das Wunderbare.

 

Du hast als Redakteur bereits zahlreiche Artikel veröffentlicht – wie kamst du dazu, Bücher zu schreiben?

Vor der Lektüre dieser Antwort müssen Kinder und Jugendliche dringend gewarnt werden, damit sich in ihren unschuldigen und reinen Gehirnen keine gefährliche Flausen entwickeln können: Ich dachte tatsächlich einmal, das wäre mittel- bis langfristig eine gute Geschäftsidee für einen freischaffenden Schreiber. Nach über 30 Jahren Lokalchef, Leitender Redakteur bei einer Fachzeitschrift, Pressesprecher bei einem japanischen Autoimporteur (noch eine Inspirationsquelle!) und erfolgreicher Arbeit als Fachjournalist, entwickelte sich die Idee, endlich einmal etwas komplexeres als einen Artikel zu schreiben, der in maximal zwei oder drei Tagen fertig gestellt ist. Etwas, was ich selbst gerne lesen würde. So entstand das Geschäftsmodell am Tage Fachbücher zu schreiben und nächstens Belletristik. Dabei sollte der Tag die Nacht finanziell mit tragen. Sagen wir es einmal so. Unter kommerziellen Aspekten war das die dämlichste Idee, die ich bislang hatte.

 

Wer dein Buch gelesen hat, merkt schnell, dass dein Herz sowohl für Autos, als auch für Japan schlägt. Wann war für dich klar, dass du deine beiden „Leidenschaften“ in einem Buch verflechten möchtest?

Über die Jahre hat sich der Herzschlag für Autos eher zum professionellen Umgang gewandelt. Nach drei Jahrzehnten in der Branche, macht es keinen Sinn, für den Broterwerb in einen anderen Fachbereich zu wechseln. Wobei ich auch über Technik, IT oder Finanzwirtschaft geschrieben habe. Heute bin ich der Ansicht mit Autos sollte man es wie mit dem Geld halten. Nicht darüber sprechen und ein ordentliches fahren. Die Begegnung mit Japan war zumindest ein besonders positiver Aspekt, der mit der Automobilwirtschaft verbunden war. Nachdem die Entscheidung gefallen war, mich belletristisch auf Thriller mit dem bislang vernachlässigten Sujet der Wirtschaftskriminalität zu fokussieren, war es beinahe eine zwangsläufige Entwicklung, Japan und Autos in eine gemeinsame Geschichte einfließen zu lassen.

 

Welche Projekte planst du für die Zukunft? 

Das Exposé für den dritten Band der Bulle & Bär-Reihe steht bereits. Allerdings habe ich Angst, die Ausarbeitung könnte für einen Band zu komplex werden. Dann gebe ich den Lockungen meiner schwarzen Schwabenseele nach und arbeite die Geschichte als Mehrteiler aus. Die Geschichte wird auf jeden Fall eine düstere Grundstimmung erhalten. Der Fall bekommt für Kowalski einen persönlichen Aspekt.

 

Was liest du selbst gerne?

Eine schwere Frage. Ich bin von Kindesbeinen an ein manischer Vielleser, der bis zu zehn Bücher auf einmal oder nach Themenschüben liest. Da gibt es Phasen mit SciFi, Fachbüchern, Klassikern, Fantasy oder amerikanischer Postmoderne. Krimis und Thriller lese ich eigentlich weniger. Dieses Genre ist in der aktuellen Ausrichtung für mich zu spekulativ, zu phantastisch und auch blutrünstig. Gewaltkriminalität kennt in ihrer Wirklichkeit nicht den Hauch von Erbaulichkeit.

 

Welche anderen Autoren magst du?

Auch keine einfache Frage. Ich schätze Douglas Adams, Terry Pratchett oder Tom Sharp wegen ihres unvergleichlichen schrägen/ unkonventionellen/ britischen Humors. Leider sind alle Tod und versorgen mich nicht mehr mit Nachschub. Ich schätze über Alles Stephen King. Als Leser und als Kollege. Einmal wegen seiner unglaublichen Phantasie bei der Entwicklung neuer Stoffe und bei seiner handwerklich perfekten Ausarbeitung. Wenn ich beispielsweise wieder einmal The Green Mile in die Hand nehme, lese ich mich atemlos durch diese über alle Maßen geniale Geschichte und fühle mich dabei angemessen demütig und bescheiden. Wenn schon Thriller, dann James Ellroy. Auf diesem Gebiet ist er für mich der Größte. David Foster Wallace liebe ich für seine Genialität, sein tragisches persönliches Schicksal und sein Opus Magnum Unendlicher Spaß. Enger umschlugen können Genie und Wahnsinn in der Literatur nicht über mehr als 1.500 Seiten reiten.

 

Hast du als erklärter Japanfan keinen japanischen Lieblingsautoren?

Selbstverständlich, denn gerade die zeitgenössische japanische Literatur weist einige bemerkenswerte Vertreter auf, die unbedingt lesenswert sind. Da wäre zum Beispiel Abe Kobo und sein bekanntestes Werk Die Frau in den Dünen. Oder Yasinuri Kawabata, der als erster Japaner 1968 der Nobelpreis für Literatur erhielt. Seine Geschichten helfen besonders beim Verständnis der „japanischen Seele“. Kenzaburo Oe, ebenfalls mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet (1994), ist ebenfalls ein bemerkenswerter Autor, auch für westliche Leser. Und nicht zu vergessen Haruki Murakami, den populärsten zeitgenössischen Autor aus Japan. Er hat auch lange im Westen gelebt und verbindet die beiden verschiedenen Blickwinkel kongenial. Kafka am Strand, 1Q84 oder Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki bieten ganz großes Lesevergnügen. Ein Skandal, dass dieses international mega-erfolgreiche Werk noch nicht mit dem Nobelpreis belohnt wurde. Leider ist das Angebot an gut übersetzter japanischer Literatur in Deutschland eher übersichtlich.

 

Hast du ein Lieblingsbuch?

 Die Buddenbrooks von Thomas Mann.

 

Was tust du, wenn du nicht am Schreiben bist?

Wie gesagt, Lesen. Und dann ohne feste Reihenfolge: Zu viel zu gut essen, zu viele schlechte Filme sehen und mir zu wenig Bewegung verschaffen. Durch die Welt gondeln und davon träumen, ein Bestsellerautor zu werden.