Interview C. F. Schreder über ihren Thriller

Worum geht es in deinem Buch Lass die Toten schlafen?

In dem Buch begleiten wir die Journalistin Rosa, die in ihr Heimatdorf zurückkehrt, um dort in einem lang vergangenen Fall zu ermitteln. Denn vor 27 Jahren hat ein Bauer sich selbst und fast seine ganze Familie aufgeknüpft. Eine Tat des Wahnsinns, mehr nicht – so dachte man es zumindest. Als nun, so viele Jahre später, weitere Menschen im Ort mit der Schlinge um den Hals sterben, wächst in Rosa der Verdacht, dass mehr hinter der schrecklichen Tat von vor 27 Jahren steckt und dass die Tode von heute und damals miteinander in Verbindung stehen.

Die Autorin auf dem Nockstein, ganz in der Nähe von Salzburg. Dorthin wandert auch Rosa aus dem Buch.

Was hat dich zu dieser düsteren Geschichte rund um eine alte Familientragödie inspiriert?

Die erste Idee zur Geschichte habe ich ganz unromantisch beim Schauen einer Netflix Dokumentation – die Toten von Burani – gehabt. Darin wird der rituelle Massenselbstmord und Mord einer elfköpfigen Familie aus Indien beleuchtet. Die Vorstellung einer ganzen Familie, die sich gemeinsam erhängt, hat mich schockiert und schnell war die Idee geboren, einen ähnlichen Mord in ein ganz anderes Setting, nämlich ins ländliche Salzburg, zu setzen und, anders als im Fall der indischen Tragödie, mit einer aktuellen Mordserie zu verknüpfen.

 

Rosa kehrt als Journalistin in ihr Heimatdorf zurück – wie ist die Figur entstanden und was macht sie für dich besonders?

Wie bei all meinen Protagonist*innen habe ich mir für Rosa eine ganze Biografie erdacht. Zu wissen, wie Menschen herangewachsen sind und was sie geprägt hat, hilft mir immer, ein Gefühl für meine Charaktere zu entwickeln.

Rosa ist für mich eine Person voller Kontraste. Sie selbst denkt im Laufe der Geschichte darüber nach, dass sie früher einmal ein Sommermensch war, und noch heute trägt sie viele sonnige Anteile in sich. Zum Beispiel ihren Enthusiasmus, ihre Neugierde oder die Beziehung zu ihrer quirligen Hundedame Tunafish. Gleichzeitig fühlt sie sich zur Dunkelheit hingezogen, ist fasziniert vom Morbiden und sich ihrer eigenen Schatten sehr bewusst. Dieser Kontrast zwischen hell und dunkel, zwischen Sommer- und Schattenmensch macht sie für mich besonders spannend.

Landschaftsbild vom Nockstein mit Blick auf Salzburg

Die Atmosphäre im Dorf ist dicht und geheimnisvoll. Hattest du beim Schreiben einen konkreten Ort vor Augen?

Tatsächlich nicht nur einen. Kirchbach ist ein fiktiver Ort, der von den vielen Dörfern inspiriert ist, die ich rund um Salzburg (dort habe ich gelebt, als die Idee zum Thriller entstanden ist)  und im ländlichen Tirol (dort bin ich aufgewachsen) gesehen habe. Viele dieser Ortschaften sind wunderschön mit traditionellen Häusern, auf deren Balkonen bunte Blumen blühen, süßen Cafés im Ortskern und den Bergen im Hintergrund. Geradezu als hätte man die Szenerie aus einer Postkarte ausgeschnitten. Ich fand die Idee spannend, einen solch idyllischen Ort zu entwerfen, hinter dessen hübscher Fassade sich Dunkelheit verbirgt.

 

Gibt es eine Szene im Buch, die dir besonders unter die Haut ging – beim Schreiben oder beim Überarbeiten?

Viele der Vergangenheits-Szenen gingen mir besonders unter die Haut. Zum Beispiel Emils Beschreibung seiner Mutter als Sommerregen, seine Erinnerungen an das Flüstern im alten Hof oder Rosas eigener Rückblick auf das Wüstengesicht ihrer Mutter … Das klingt vage? Muss es auch. Ich will immerhin nicht zu viel verraten ;)

 

Lass die Toten schlafen verwebt Vergangenheit und Gegenwart – was reizt dich an diesem Spannungsaufbau?

Was mich besonders gereizt hat, war es, eine Geschichte zu erzählen, in der die Sünden der Vergangenheit ihre Schatten auf die Gegenwart werfen. Zudem hat der Blick in eine Zeit, die schon so lange zurück liegt, dass die Erinnerungen der Erzählenden mittlerweile verklärt sind, mir die Möglichkeit geboten, das „Damals“ mystisch, geradezu magisch und düster darzustellen.

Autorin in Londoner Pub. Hier schrieb sie die ersten Zeilen des Buches.

Hattest du von Anfang an das Ende im Kopf – oder hat dich die Geschichte selbst überrascht?

Als notorische Plotterin wusste ich tatsächlich schon sehr bald, wer der oder die Täterin sein wird. Auch einige Szenen und Bilder (die ich aus „Spoiler-Gründen“ nicht verraten kann) hatte ich bereits im Kopf. Der genaue Hergang hat sich für mich aber erst beim Schreiben ergeben.

Was mich jedoch trotz Planung und Plotting überrascht hat, war Maria Berger, die Mutter der Berger-Kinder, die bereits einige Jahre vor dem tragischen Familien-Mord und -Selbstmord ums Leben gekommen ist. Sie hatte ich nur als Randfigur geplant. Welche zentrale Rolle sie in der Geschichte übernehmen würde, hatte ich nicht kommen sehen.

 

Was unterscheidet für dich einen guten Thriller von einem unvergesslichen?

Wenn ich einen Krimi oder Thriller lese, rätsle ich fleißig mit, wer wohl der Täter sein könnte und welche Motive hinter den Taten stecken. Die Geschichten, die sich bei mir nachhaltig eingebrannt haben, sind solche, in denen die Hinweise so geschickt gestreut sind, dass mich die Auflösung kalt erwischt, beim „Noch-mal-drüber-Nachdenken“ aber doch alles absolut Sinn ergibt.

Als Autorin habe ich natürlich versucht, all diese Dinge umzusetzen. Ob es mir gelungen ist? Das müssen wohl meine Leser*innen entscheiden

 

Was dürfen deine Leser:innen als Nächstes von dir erwarten?

Wenn ich das nur wüsste ;)

In den letzten Monaten habe ich eine Schreibpause eingelegt und taste mich gerade an meine nächste Geschichte heran. Dabei schreien viele Ideen laut, dass sie ein ganz, ganz tolles Buch abgeben würden. Ein weiterer Thriller? Vielleicht sogar ein Wiedersehen mit Rosa? Oder geht es „Back to the roots“, was in meinem Fall Fantasy bedeuten würde. Oder doch etwas ganz anderes? Ich lasse mich selbst überraschen.