Lektorin und Krimiautorin Nadine Buranaseda im Interview 20. Oktober 2021

Quelle: Dan Counsell/ unsplash.com

Nadine Buranaseda ist sowohl Lektorin als auch Krimiautorin. Wie ihre Arbeit aussieht, sie alles unter einen Hut bekommt und welche Tipps sie für Autor:innen parat hat, verrät sie uns im Interview.

Wie kamst du dazu, Lektorin zu werden?

Ich habe 2005 meinen ersten Roman veröffentlicht. Um mir das Schreiben zu finanzieren, hatte ich damals einen Brotjob und war lange Vertriebsleiterin für ein Dienstleistungsunternehmen. Während dieser Zeit war ich auch ehrenamtlich in Krimivereinen aktiv, ob als Regio Schwester West der Mörderischen Schwestern oder als Chefredakteurin des SYNDIKATs. Für die Schwestern habe ich am Mentoringprogramm teilgenommen und durfte eine Nachwuchsautorin betreuen. Sie hatte schon ein fertiges Manuskript in der Schublade, das ich kurzerhand lektoriert habe. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch gedacht, Textarbeit läge mir nicht, ich wollte ja nur produzieren und nicht überarbeiten. Doch die Zusammenarbeit hat mir so viel Freude bereitet, dass ich aus dem Ehrenamt einen Beruf gemacht habe. Mein Germanistikstudium war dabei von Vorteil – und die Liebe zur Literatur. Als Herausgeberin dreier Jahrbücher fürs SYNDIKAT habe ich weitere Produktionsschritte kennengelernt, die ein Buch durchläuft. Ab 2016 war ich zweieinhalb Jahre bei Bastei Lübbe als Lektorin fest angestellt, bevor ich mich mit typo18 selbstständig gemacht habe. Über viele Jahre habe ich die Branche aus verschiedenen Blickwinkeln erlebt und schätze die Zusammenarbeit sowohl mit Verlagen als auch mit Autor:innen, Selfpublisher:innen und Hybridautor:innen.

Was macht dir am meisten Spaß an deiner Arbeit als Lektorin?

Von Haus aus bin ich unglaublich neugierig und sehr an Menschen interessiert, an ihren Lebenswegen, an ihren Wünschen und Sehnsüchten – und an ihren Geschichten und den Welten, die sie damit erschaffen. Als Lektorin liebe ich die enge Zusammenarbeit mit meinen Autor:innen. Dabei lege ich besonderen Wert auf eine persönliche Ebene. Respekt vor dem Text, vor der künstlerischen Leistung steht dabei im Vordergrund. Am wichtigsten ist mir, mit jeder/m auf Augenhöhe zu arbeiten. Immerhin vertrauen die Autor:innen mir ihre Buchbabys an. Das ist eine große Verantwortung, der ich mit viel Herzblut und Engagement nachkomme. Da ich sehr begeisterungsfähig bin, fällt mir das nicht einmal schwer. 

Interview Nadine Buranaseda Autorenfoto
Quelle: © Buranaseda

Du lektorierst für Verlage und Selfpublisher:innen. Gibt es Unterschiede im Lektorat oder im Ablauf?

Je nach Auftraggeber:in gestaltet sich die Zusammenarbeit ganz unterschiedlich. Es gibt Redaktionen in Verlagen, die vor oder während des Lektorats bereits inhaltliche Änderungswünsche an die Autor:innen richten. Andere Verlagsmitarbeiter:innen greifen gar nicht ein. Beides hat seine Vorteile, das Vorgehen ist nur anders organisiert. Und im Lektorat selbst habe ich immer freie Hand. Viele Selfpublisher:innen sind mittlerweile sehr professionell aufgestellt. Sie müssen sich um alles selbst kümmern und halten sich nicht immer an gängige Richtlinien. In der Zusammenarbeit mit Verlagsautor:innen gilt neben der Schreibweise nach Duden-Empfehlung etwa die jeweilige Hausorthografie eines Verlagshauses. Und bisweilen sind inhaltliche Änderungen vonnöten, um der Zielgruppe besser gerecht zu werden. Meine Aufgabe als Lektorin ist es dann, auf solche Feinheiten hinzuweisen. Das erfordert manchmal Fingerspitzengefühl. Mein Grundsatz bei jedem Lektorat ist, dass ich nicht nur anmerke, sondern gleich Lösungsvorschläge liefere. Dabei tausche ich mich argumentativ mit den Autor:innen aus. So sieht für mich eine gute Zusammenarbeit aus.

Gibt es typische Fehler, die Autor:innen immer wieder machen und die dir sofort auffallen?

Bis auf wenige Ausnahmen beherrschen die meisten Autor:innen, selbst die arrivierten, nicht die Einhaltung der Erzählperspektive. Das ist ein Dauerbrenner im Lektorat, dicht gefolgt von der falschen Verwendung des Konjunktivs I und II und dem fehlenden Tempuswechsel bei Rückblenden. Das sind meine Top drei.

Du bist auch Krimiautorin. Lektorierst du deine Krimis selbst?

Dass ich mich als Lektorin täglich professionell mit Texten beschäftige, hilft mir als Autorin in jedem Fall, meine eigenen zu überarbeiten. Doch ich würde mir niemals anmaßen zu behaupten, ich könnte meine Romane und Kurzgeschichten selbst lektorieren. Das ist schlichtweg unmöglich, da mir die Distanz zu meinen Texten fehlen würde. Der Blick von außen ist enorm wichtig, sei es bei der Überprüfung von Orthografie, Grammatik und Interpunktion, sei es, und das ist wohl das Entscheidende, bei der Beurteilung von Figurenzeichnung, Plot und Stringenz. Denn als Autorin weiß ich ja, was dort stehen sollte, aber womöglich gar nicht dort steht. Ein/e Lektor:in lässt mich einen Schritt von meinem Text zurücktreten. Bei der Entstehung eines Romans gibt es mehrere Phasen: von der ersten Idee, über das Plotten, das Lektorat bis hin zur Satzkorrektur. Jede hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, die einen erfordern Kreativität und Durchhaltevermögen, die anderen Fleiß und Konzentration.

 

Interview Nadine Buranaseda Foto von Hind
Quelle: © Fotos von Lisa

Also würdest du sagen, dass die Arbeit als Lektorin Vorteile beim Schreiben eines Romans mitbringt?

Bei der Überarbeitung bringt das sicher Vorteile. Da ich zum Perfektionismus neige, verliere ich mich manchmal darin, statt weiterzuschreiben. Allerdings konnte ich auch früher schon nicht zur nächsten Szene übergehen, wenn ich mit der letzten nicht zufrieden war. Das wird wohl mein Schicksal bleiben.

Wie sieht für dich ein typischer Arbeitsalltag als Lektorin und Autorin aus? Wie bekommst du beides unter einen Hut?

Als Lektorin habe ich keinen typischen Arbeitsalltag, da meine Tätigkeit sehr vielfältig ist. Neben der klassischen Textarbeit, die natürlich den größten Teil einnimmt, prüfe ich für eine sehr erfolgreiche Krimireihe Exposés, wähle Titel und Coverbilder aus, betreibe Autor:innenakquise und -pflege. Darüber hinaus erstelle ich Literaturgutachten für Verlage oder Privatpersonen, mache Exposéberatung oder coache Autor:innen bei allem, was sie sonst noch umtreibt. Für bestimmte Projekte gehe ich mit meiner Geschäftspartnerin Gitte Diener zusammen, gemeinsam bieten wir Storytelling für Unternehmen und Co-Autorenschaft an. Da ich momentan sehr gut gebucht bin, plane ich regelmäßig meine Wochen durch. Viel Zeit zum Schreiben eigener Krimis oder Thriller bleibt mir daher nicht, aber wenn ich es schaffe, ist es wichtig, es von allen anderen Aufgaben zu trennen. Ich muss mir also Schreibzeiten einrichten, damit überhaupt eine Atmosphäre entsteht, in der ich kreativ werden kann.

 

Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

Mein Mann und ich sind letztes Jahr von der Bonner Innenstadt aufs Land gezogen. Wenn ich in meinem Arbeitszimmer, das im Fachwerkteil unseres Hauses liegt, aus dem Fenster schaue, blicke ich direkt auf ein verwittertes Dichterhäuschen. Das gehört zu einer bekannten Burgruine und ist eine schöne Inspiration. Der Gedanke, dass sich vor Jahrhunderten vis-à-vis jemand in eine Kammer eingesperrt hat, um zu schreiben, lässt mich täglich schmunzeln. Und wenn ich nicht am Schreibtisch arbeite, wandere ich mit meinem Laptop auch mal in den Garten. Dann kann es passieren, dass ich unseren Hund Birdy davon abhalten muss, den Ahornbaum auszugraben oder unsere Katzen aufzufressen …

Hast du einen Buchtipp für uns?

Oh, wenn ich alle Romane empfehlen sollte, die ich toll finde, wäre die Liste ziemlich lang. Ich picke mir mal drei Autor:innen heraus, die mich mit ihren Krimis, die ich lektorieren durfte, besonders beeindruckt haben: Christine Neumeyer mit Der Offizier der Kaiserin – eine herrlich schrullige und mit all ihren Unzulänglichkeiten gleichzeitig liebenswerte Hauptfigur –, Martin Calsow mit Kill Katzelmacher!, dessen Roman in der Nachkriegszeit spielt und mit einem unheimlichen Serienmörder aufwartet, und die bitterböse Reihe von Sunil Mann um seine Privatermittler Marisa Greco und Bashir Berisha mit Der Schwur und Das Gebot. Der dritte Teil Der Kalmar erscheint im Frühjahr 2022. Darauf freue ich mich schon sehr!

Hörst du auch Hörbücher? Wenn ja, hast du eine Empfehlung für uns?

Vor Kurzem ist das Hörbuch meines ersten Bonnkrimis Seelengrab bei dp audiobooks erschienen. Da ich wahnsinnig begeistert bin vom Sprecher Kevin Kasper, der ein feines Gespür für meine Figuren hat, erlaube ich mir ausnahmsweise diese unverschämte Eigenwerbung.

 

Hier geht's zur Webseite von Nadine Buranaseda